Russland-Sanktionen „Das Preisbarometer für Kohle schlägt gerade wild aus“

Steinkohle im Kraftwerk Duisburg-Walsum: Die EU will Importe aus Russland sanktionieren. Quelle: dpa

Die EU will den Kohleimport aus Russland stoppen. Alexander Bethe, Vorstandsvorsitzender vom Verein der Kohlenimporteure, erklärt, ob es in Deutschland nun zu Engpässen kommen kann und wann die Kohlepreise sich wieder einpendeln werden.

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WirtschaftsWoche: Herr Bethe, nach den mutmaßlichen Kriegsverbrechen Russlands im ukrainischen Butscha verschärft die EU die Sanktionen und will den Import russischer Kohle stoppen. Kann es in der deutschen Kohleindustrie nun zu Engpässen kommen?
Alexander Bethe: Nein, wir rechnen nicht mit Engpässen. Der Lieferstopp kommt für uns vom Verband der Kohlenimporteure wenig überraschend. Wir haben die Lage in Koordination mit den Ministerien laufend evaluiert und sind entsprechend vorbereitet. Zudem importieren wir bereits seit Monaten verstärkt aus anderen Ländern als Russland, weil sich dort die logistischen Probleme gehäuft haben. Zudem kommen wir gerade in die Frühlings- und Sommerperiode, in der es eine bessere Verfügbarkeit von Erneuerbaren Energien gibt. Noch ist zudem nicht klar, ab wann der EU-Import-Stopp für russische Kohle gilt, denn die EU-Länder müssen erst noch zustimmen.

Wie wichtig ist Russland als Lieferant von Steinkohle?
Russland ist zweifelsohne ein wichtiger Exporteur gewesen. Deutschland hat im letzten Jahr rund 18 Millionen Tonnen Steinkohle aus Russland importiert. Das sind etwa zwei Prozent des Welthandels. Es ist aber nicht so, dass es keine Alternativen zu Russland geben würde. Der Hauptgrund, warum deutsche Kraftwerke so viel Kohle aus Russland importieren, ist die hervorragende Qualität, die man aus der Mischung der russischen mit amerikanischer Kohle erhält. Allerdings hat die deutsche Kohleindustrie vor der Schaffung dieser Mischung vor circa zehn Jahren andere Qualitäten eingesetzt, etwa aus den USA, aus Südafrika, Kolumbien und Australien. Zu diesen Qualitäten müssen wir nun wieder zurückkehren. Das wird die Kraftwerksingenieure in der Übergangszeit sicher fordern. Aber letztendlich werden wir diese Herausforderung meistern.

Woher werden deutsche Kraftwerke die Kohle nun importieren, wenn Russland als Lieferant ausfällt?
Wir haben uns schon seit September letzten Jahres nach alternativen Quellen zu russischer Kohle umgesehen. Denn damals begann der russische Kohleexport bereits zu stottern. Wie haben diese logistischen Unregelmäßigkeiten damals auf Corona geschoben. Aber offenbar lag es auch daran, dass die Züge eher für Militärtransporte eingesetzt worden sind. Das ist zumindest meine Vermutung. Seit September importieren wir etwa verstärkt aus Südafrika und Mosambik. Diese Importe werden nun sicher durch weitere Länder wie etwa Australien, Kolumbien, den USA oder Indonesien ergänzt werden.

Zur Person

Was bedeutet dieser Wechsel der Lieferländer für die Preise der Steinkohle – und damit die Stromrechnung – in Deutschland?
Der Seeweg von den russischen Häfen nach Deutschland beträgt etwa vier Tage bis eine Woche. Der Seeweg von Australien oder Indonesien nach Deutschland dauert hingegen sechs Wochen. Schon aufgrund des größeren Seewegs war die russische Kohle etwas günstiger als die Produkte aus Australien oder Südafrika. Einen gewissen Mehrpreis werden die längeren Lieferwege also sicher zur Folge haben.

Wie hoch dieser Mehrpreis ausfallen wird, darauf sucht der Markt derzeit allerdings noch seine Richtung. Im Moment schlägt das Preisbarometer gerade wild aus. Die Sicherheitszuschläge betragen derzeit 20 bis 30 Prozent auf den Index für Steinkohle. Mittel- und langfristig rechne ich aber damit, dass die Preise für Kohle nur sehr gering steigen werden. Das liegt auch daran, dass die russische Kohle neue Wege finden wird, etwa nach Indien oder China. Und die kolumbianische, südafrikanische und australische Kohle, die bisher in diese Märkte gegangen ist, wird verstärkt zu uns kommen. Ich gehe daher nicht davon aus, dass die Preissteigerungen bei Kohle ins Gewicht fallen werden.

Alexander Bethe. Quelle: PR

In den vergangenen Jahren wurde Kohle vor allem als Klimakiller betrachtet. Kann es angesichts der allgemeinen Rohstoffknappheit nun zu einer Renaissance der Kohle in Deutschland kommen?
An eine Renaissance der Kohle glaube ich noch nicht. Allerdings wird Kohle nun einen ganz wichtigen Beitrag zur Versorgungssicherheit in Deutschland leisten. Sollte die Kohle mittel- bis längerfristig weiter genutzt werden als Energiewende-Back-up, dann empfehlen wir der Politik, noch mal über die Optimierung der CO2-Emissionen von Kraftwerken nachzudenken. Dazu gibt es vielfältige Technologien wie etwa die sogenannte CCS-Technik oder auch erste Versuche der Beimischung von Ammoniak, später vielleicht einmal grün produzierter Ammoniak.

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