Standort Deutschland Ampel will bei Batterieforschung radikal kürzen: „Dramatische Konsequenzen“

Quelle: dpa Picture-Alliance

Während sie Konzerne wie Intel mit Milliarden fördert, will die Bundesregierung an der Schnittstelle zwischen Unis und Anwendung fast alle Gelder streichen. Jetzt wenden sich betroffene Wissenschaftler mit einem dramatischen Appell an Bundeskanzler Olaf Scholz: Das sei das „Ende der deutschen Batterieforschung“.

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Das Bundesforschungsministerium unter Bettina Stark-Watzinger (FDP) plant offenbar, infolge der Kürzungen am Klima- und Transformationsfonds (KTF) die Forschungsmittel für fast die gesamte Anwendungsforschung an Batterien für 2024 zu streichen. Lediglich eine neue Forschungsfabrik unter Leitung der Universität Münster soll verschont bleiben.

Dem KTF fehlen nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur so genannten Schuldenbremse rund 60 Milliarden Euro. Händeringend sucht die Ampelregierung seither nach Einsparmöglichkeiten. Nun will sie offenbar ausgerechnet an einer kritischen Stelle der Batterieforschung den Rotstift ansetzen und fast die gesamte Förderung der Anwendungsforschung für neue Batterien streichen. Wie die WirtschaftsWoche erfuhr, sollen die geplanten Kürzungen bereits an diesem Donnerstag beschlossen werden. 

Das aber wollen die betroffenen Forscher und Forscherinnen nicht hinnehmen. In einen Brandbrief an Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne), Bundesforschungsministerin Bettina Starck-Watzinger und Finanzminister Christian Lindner (beide FDP) werden die Batterieforscher deutlich: „Die von Ihnen geplanten Kürzungen führen zum Ende der deutschen Batterieforschung, mit dramatischen Konsequenzen für den High-Tech-Standort Deutschland. Damit zerstören Sie die Basis für das technologisch souveräne deutsche Ökosystem Batterie und die Abhängigkeit der Transformation von Wirtschaft und Gesellschaft hin zur CO2-Neutralität von außereuropäischen Unternehmen wird zementiert“, heißt es in dem Schreiben an den Kanzler und die drei Minister.

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von Stefan Hajek

Brandbrief an Regierung: „Ende der deutschen Batterieforschung“

Die Streichliste, die der WirtschaftsWoche exklusiv vorliegt, enthält unter anderem Projekte zur Erforschung neuer Materialien für Batterien, zum Batterie-Recycling und zur Entwicklung von Maschinen und Anlagen für die Batterieindustrie. Es treffe vorrangig Forschungsprojekte an neuen Technologien „mittleren Reifegrades, also etwa Pilotanlagen, in denen getestet wird, ob und wie sich zum Beispiel ein neuartiges Material aus den Forschungslaboren auf eine Massenfertigung im industriellen Maßstab skalieren lässt.“

Dieses Stadium gilt als besonders kritisch und wichtig für den Aufbau einer international konkurrenzfähigen Batterieindustrie in Deutschland für die kommenden Jahre und Jahrzehnte. Denn während die deutschen Universitäten in der Grundlagenforschung in weiten Teilen international noch zur Spitze gehören, laufen deutsche Institute und Unternehmen gerade bei neuen Batterien in der industrienahen Forschung den Wettbewerbern aus Asien seit langem hinterher.

Forschende reagieren entsetzt auf die Sparpläne: „Wir müssen feststellen, dass in Folge der Streichungen im Klima- und Transformationsfonds das Bundesministerium für Bildung und Forschung vorsieht, quasi das gesamte Budget für die projektorientierte Batterieforschung in Deutschland zusammen zu streichen“, sagte Dirk-Uwe Sauer, leitender Batterieforscher an der RWTH Aachen. Von den geplanten Streichungen sind 75 Prozent aller Projekte in der Batterieforschung betroffen, die das BMBF 2024 fördern wollte.

Insgesamt fehlen 156 Millionen Euro

Insgesamt geht es um eine Summe von 156 Millionen Euro für 2024, die das Bundesforschungsministerium wegen der Kürzungen im KTF einsparen muss. Die Summe möge im Vergleich zu den zuletzt genehmigten Förderbeiträgen im Milliardenbereich für Chip- und Batteriefabriken zwar überschaubar wirken, ihr Verlust sei jedoch „fatal“, sagt Michael Krausa, Geschäftsführer des Kompetenznetzwerks Lithium-Ionen Batterie in Deutschland, KLib, einem Verbund forschender Hochschulen und Unternehmen. „Denn sie bedeuten de facto das Aus für die deutsche Anwendungsforschung für Batterien.“ Unter anderem würde die so wichtige Ausbildung junger Forscherinnen und Techniker für die gerade entstehende Batterieindustrie damit stark gefährdet, sagt Krausa. „Fachkräftemangel und Abhängigkeiten von Asien werden so weiter verschärft“.

Die Kürzungen erzürnen die Forscher auch vor dem Hintergrund, dass die Bundesregierung Großkonzerne wie Intel oder das schwedische Batterieunternehmen Northvolt trotz der Geldnot im KTF weiterhin zum Teil mit vielen Milliarden Euro fördern will. Dass man nun ausgerechnet die Mittel für Universitäten, Institute der Anwendungsforschung sowie Startups und Mittelständler streiche, die diese Großfabriken später mit Know-how, Produkten und  Mitarbeitern versorgen sollen, sei mit „nicht durchdacht“ zu milde beschrieben, sagt Krausa.

Während Großprojekte unter anderem im Rahmen so genannter Important Projects of Common European Interest (IPCEI) der EU weiter gefördert würden, um Europas Unternehmen den Einstieg in die Batterietechnologie zu ermöglichen, lege man mit den jetzt geplanten Kürzungen zugleich die Keime für ein Ökosystem Batterie um diese Großfabriken herum still. „Mit dem Verlust der, auch im europäischen Vergleich starken deutschen Forschung, werden sich die an den IPCEI beteiligten Unternehmen nicht wie erhofft weiter entwickeln können, die  in den Standort Deutschland investierten Steuermilliarden so „ins Leere laufen“, schreiben die Forscher in ihrem Brandbrief.

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„Damit wird die gesamte, über viele Jahre mit viel Geld aufgebaute Forschungslandschaft, die ja auch das dringend benötigte Fachpersonal in der Industrie ausbildet, mit einem Schlag stillgelegt“, fürchtet auch der Batterieforscher Sauer von der RWTH Aachen. Der Weltmarkt für Batterien werde 2035 nach verschiedenen Studien in rund 400 Milliarden Euro pro Jahr umsetzen. Deutschland aber, so Sauer, „meldet sich aus einem immens wichtigen Glied in der Forschungskette zu dieser Schlüsseltechnologie damit ab.“

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