Allianz mit OpenAI Auch KI kann Microsofts Bing nicht helfen

Sam Altman (l.) steht mit Microsoft-CEO Satya Nadella am 6. November in San Francisco auf der Bühne. Quelle: AP

Microsoft-Chef Satya Nadella hat seinen Konzern eng mit OpenAI verwoben und könnte nach der Revolte dort sogar an Einfluss gewinnen. Doch das für ihn persönlich wichtigste Ziele hat er bislang verfehlt.

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Der „iPhone-Moment“ für Microsoft wirkt, als wäre er ewig her, ist jedoch erst Anfang Februar passiert: Damals, an einem Dienstagmorgen, steht Satya Nadella in einem Konferenzsaal auf dem Microsoft-Campus in Redmond, vor sich Analysten und Journalisten. An seiner Seite sind der damalige OpenAI-Chef Sam Altman und Microsoft-Technologiechef Kevin Scott. Das Trio preist die neue Allianz mit dem KI-Star aus dem Silicon Valley mit dem mächtigsten Softwarekonzern der Welt. Microsoft will bis zu 13 Milliarden Dollar für die Allianz locker machen, viel davon in Form von Rechenleistung über seine Cloud Azure. OpenAI braucht diese teure Ressource dringend, ebenso wie den Reputationsgewinn durch eine Kooperation mit Microsoft. Es schien genau das zu werden, was Unternehmensberater gern als „Win-Win-Situation“ bezeichnen.

Wo ist der Vorsprung geblieben?

Und nun? Wie bloß sollte man die gegenwärtige Situation nennen, in der OpenAI nach dem überraschenden Rauswurf von Altman im Chaos versinkt und über 90 Prozent seiner Mitarbeiter drohen, den noch vor Kurzem so stolzen KI-Pionier zu verlassen? Akkumulieren sich die Gewinne damit erst recht bei Microsoft, weil viele der Abtrünnigen zum Konzern aus Redmond wechseln wollen?

Oder wird aus dem gemeinsamen Sieg eine konzertierte Niederlage, weil Konkurrenten wie Google, Apple, Meta, Salesforce und Amazon ebenfalls eine neue Heimat versprechen? Und weil die über 100 Millionen Nutzer von ChatGPT nicht so einfach zu Microsoft verpflanzt werden können? Und ist der Vorsprung, den Microsoft dank der Kooperation im KI-Rennen hatte, nicht ohnehin längst wieder dahin?

Noch kann Microsoft-Chef Nadella die Situation retten und sogar verbessern: indem er beispielsweise Altman wieder bei OpenAI inthronisiert und sich Einfluss im Verwaltungsrat der Stiftung verschafft. Beispielsweise mit Technologiechefin Mira Murati als neue CEO des kommerziellen Arms und Altman als Chairman der Stiftung, mit mehr Befugnissen. Selbst OpenAI-Chefwissenschaftler Ilya Sutskever, der den Rausschmiss vorangetrieben hat, unterstützt Altman plötzlich wieder. Der quittiert den Sinneswandel auf X mit Herzchen-Emojis.

Das Erfolgsduo ist vom Markt

Am Montag direkt nach der Palastrevolution handelte Nadella konsequent. Er heuerte Altman und dessen Verbündeten und ehemaligen Stellvertreter Greg Brockmann an und nahm das Duo damit erstmal vom Markt. „Unabhängig davon, wo Sam ist, er arbeitet mit Microsoft zusammen“, betont Nadella gegenüber der Presse. Seine Aktionäre goutieren die Offensive. Die Microsoft-Aktie, die am Freitag nach Bekanntwerden der Revolte fiel, legt am Montag um zwei Prozent zu, und liegt damit wieder knapp unter dem Jahreshöchststand. Microsofts Börsenwert beträgt nun 2,8 Billionen Dollar, rund 200 Milliarden unter dem von Apple.

Doch wie auch immer das Ringen um die Macht bei OpenAI und um dessen beste Köpfe ausgeht, klar ist: Nadella hat Microsofts Zukunft stark mit OpenAI verwoben. Ohne Kontrolle auf das Unternehmen ausüben zu können und ohne das bereits wirklich deutlich geworden wäre, was die Allianz bereits gebracht hat.



Beim Auftakt im Februar wollte Microsoft via generativer KI seine Suchmaschine Bing aufpeppen und damit „Gorillas zum Tanzen bringen“. Gemeint ist damit nicht Microsoft, sondern der Dauerkonkurrent Google, mit dessen populärer Suchmaschine der Konzern aus Redmond trotz vieler Bemühungen nicht konkurrieren kann. „Das Rennen um die Suche hat heute neu begonnen“, tönte Nadella, für den dieser neu entfachte Wettbewerb auch eine persönliche Genugtuung werden sollte. Über viele Jahre hat Nadella stur an Bing festgehalten, obwohl ihn Aktionäre immer wieder aufforderten, „das Hobby“ einzustellen.

Bing sollte dennoch nur der Anfang sein. Der Microsoft-Chef dringt seither darauf, die gesamte Produktlinie eng mit OpenAI zu verweben, über einen Copiloten genannten Assistenten, der nicht nur programmieren, sondern auch den Umgang mit Microsofts Bürosoftwarepaket 365 erleichtert, automatisch E-Mails auswertet, Antworten verfasst und Powerpoint-Präsentationen erstellt. Über „AI4 Science“ offeriert Microsoft KI-Modelle für die Grundlagenforschung von Wissenschaftlern.

„Künstliche Intelligenz ist genauso wichtig wie der Computer, wie das Internet. Es wird die größte Sache in diesem Jahrzehnt“, sekundierte zum Start Microsoft-Gründer Bill Gates. Und so entstand tatsächlich der verkaufsfördernde Eindruck: Unternehmen, die den Anschluss nicht verpassen wollen, sollten so schnell wie möglich die Dienste von Microsoft und dessen Cloud-Sparte Azure in Anspruch nehmen, beflügelt von der KI-Magie von OpenAI.

Das trifft vor allem den Cloud-Computing-Marktführer Amazon Web Services (AWS), zumal dessen Mutterkonzern 2015 eins der OpenAI-Gründungsmitglieder war. Zu allem Überfluss verspottet Nadella auch noch dessen einst hochgelobte Digitalagentin Alexa, nennt sie wie andere persönliche Assistenten einen Irrweg. Die Zukunft, so impliziert er, liegt in generativer Künstlicher Intelligenz.

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Das Trommeln zeigte Wirkung: Selbst in der Tech-Branche würden einige meinen, dass „Amazons Cloud Geschäft in Sachen Künstlicher Intelligenz zurückliegt“, beobachtet Tech-Analyst Brian Nowak von der Investmentbank Morgan Stanley.

Bing bleibt chancenlos

Und nun? Microsoft hat Google zwar nicht zum Tanzen gebracht, aber immerhin so aufgescheucht, dass es überhastet seinen KI-Agenten Bard in Stellung gebracht hat. Doch Bing ist immer noch chancenlos gegen Googles Suchmaschine. Schlimmer noch: Laut dem Marktbeobachter StatCounter hat Google seinen Marktanteil in den USA sogar noch ausgebaut. Im Oktober 2022 betrug er 88,1 Prozent. Ein Jahr zuvor waren es 86,75 Prozent. Im gleichen Zeitraum schmolz Bings ohnehin winziger Marktanteil von 7,4 Prozent auf 6,92 Prozent zusammen. International sieht es noch trüber aus – dort hat Bing nur knapp 3 Prozent Marktanteil.

Im Cloud-Geschäft ist Amazon trotz aller rhetorischer Nadelstiche immer noch der Branchenprimus. Dennoch verfängt Nadellas Strategie hier etwas besser als bei den Suchmaschinen: Im dritten Quartal wuchs Microsoft bei seinen Cloud-Dienstleistungen um 29 Prozent. Google schaffte 22 Prozent. Und Marktführer Amazon nur 12 Prozent. „Wir sehen viele ganz neue Projekte, dank KI“, frohlockte Nadella bei der Vorlage der Quartalszahlen.

Aber wird dies auch so bleiben? Angesichts der Probleme bei OpenAI stellt sich die Frage, ob sich die Strategie von AWS-Chef Adam Selipsky langfristig vielleicht doch die bessere ist. Der setzt nicht nur auf einen KI-Spezialisten, sondern auf eine Vielzahl von Anbietern, wie die OpenAI-Wettbewerber Anthropic, Cohere oder StabilityAI. Der Anspruch ist, die besten Modelle zu versammeln. Und dann den Kunden entscheiden zu lassen, welchen er verwenden will.

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„Bei generativer KI stehen wir gerade erst am Anfang eines langen Rennens“, behauptet AWS-Chef Selipsky. Zumindest da dürften er und Nadella sich einig sein.

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