Apple Pay Later Ist das der Schritt, vor dem die Banken seit Jahren gezittert haben?

Apple Pay Later: Jetzt mit dem iPhone einkaufen – und erst später bezahlen. Quelle: REUTERS

Das neue Pay-Later-Angebot ist das erste Finanzprodukt, das Apple fast vollkommen allein und ohne Bank als Partner auf den Markt bringt. Für die etablierten Adressen ist das ein deutliches Warnsignal.

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Eigentlich hatten sich die Fans des kalifornischen Tech-Überkonzerns Apple Anfang der Woche mehr erhofft. Dass Vorstandschef Tim Cook endlich etwas zu den offenbar seit vielen Jahren gehegten Plänen für Angebote auf Basis virtueller Realität sagen würde, zum Beispiel. Vielleicht sogar, dass er die dafür vorgesehene Brille vorstellen würde, die der Konzern angeblich entwickelt haben soll. Doch solch spektakuläre Neuheiten blieben aus. Zumindest auf den ersten Blick.

Bei genauerem Hinschauen erkennen manche Beobachter in einer eher unscheinbar wirkenden Neuerung erhebliches revolutionäres Potenzial. Mit der Funktion Pay Later will es Apple zunächst nur Kunden in den USA ermöglichen, mit Apple Pay bezahlte Käufe zeitlich zu strecken. Ab dem Herbst können diese Summen zwischen 50 und 1000 US-Dollar über sechs Wochen in vier Raten begleichen. Ohne Zinsen, ohne Gebühren.    

Mit dieser Option mischt sich Apple in den boomenden „Buy Now, Pay Later“ (BNPL)-Markt ein, den bislang vor allem Zahlungsdienstleister wie Paypal und Klarna auf- und ausgebaut haben. Dass etwa die „Financial Times“ aber vom „bislang größten Schritt ins Finanzgeschäft“ spricht, hat aber noch einen anderen Grund: Bei seinem Pay-Later-Angebot verzichtet der Tech-Konzern erstmals nahezu komplett auf die Unterstützung eines Bankpartners. Abwicklung und Kreditprüfung übernimmt ein eigenes Tochterunternehmen. Die Bank Goldman Sachs, mit der Apple in den USA bereits eine Kreditkarte auf den Markt gebracht hat, stellt lediglich eine formal erforderliche Lizenz zur Verfügung.

Ist das der Beginn der großen Offensive, vor der deutsche Bankmanager seit Jahren gewarnt haben? Digitale Neugründungen mühen sich seit Jahren teilweise erfolgreich, ihnen Teile der angestammten Wertschöpfungskette abspenstig zu machen. Viel mehr Respekt als die Fintechs haben die etablierten Adressen jedoch vor den großen Technologiekonzernen. Wenn sich diese erst einmal mit vollem Engagement auf Gelddienstleistungen stürzen, könnten sie dank ihrer leistungsfähigen IT, ihren üppig vorhandenen finanziellen Ressourcen und ihrem reichen Schatz von Kundendaten schnell Angebote bisher unbekannter Qualität und Kundenfreundlichkeit auf die Beine stellen. Und die traditionellen Banken ganz schön alt aussehen lassen.   

Zuletzt schien es so, als würde dieser Vorstoß mit gebremster Wucht erfolgen. Lediglich im Zahlungsverkehr haben Google, Amazon und vor allem Apple nennenswerte Marktanteile gewonnen. Facebook-Gründer Mark Zuckerberg hat die Idee einer eigenen Digitalwährung aufgegeben. Und Google hat ein unter dem Namen „Plex“ vorangetriebenes Projekt, mit dem der Konzern in Kooperation mit Banken eigene Konten anbieten wollte, Ende vergangenen Jahres eingestellt. Nun konzentriert sich der Tech-Riese stärker darauf, Banken bei der Umsetzung ihrer eigenen IT-Projekte zu unterstützen. Ein großer Partner ist zum Beispiel die Deutsche Bank.



Experten sehen auch in der jüngsten Initiative aus Kalifornien noch keinen ganz großen Vorstoß. Noch nicht. „Für Apple ist das neue Angebot eine logische Erweiterung des eigenen Pay-Zahlungsdienstes“, sagt Philipp Bulis von der Unternehmensberatung Oliver Wyman. Pay Later solle diesen unterstützen und noch populärer machen. „Zahlungen mit relativ niedrigen Summen im kurzen Zeitraum von sechs Wochen sind ein kleines Marktsegment, in dem Banken noch kaum aktiv sind. Anders sieht es aus, wenn Kunden mittelfristig auch höhere Summen über längere Zeiträume strecken können“, sagt Bulis.

Und so sind es zunächst die bereits etablierten BNPL-Anbieter, denen Apple womöglich Geschäft streitig macht. Da der Konzern zuletzt über rund 73 Milliarden US-Dollar Bargeld verfügte, kann er das neue Angebot fast schon grenzenlos ausweiten – und ist zudem nicht auf Gebühren abgewiesen, die die Konkurrenz von Händlern einstreicht. Zudem will Apple wohl darauf verzichten, von säumigen Schuldnern Gebühren einzutreiben. Stattdessen sollen diese wohl nur von künftigen Transaktionen ausgeschlossen werden.

Die größte Herausforderung für den Konzern besteht darin, eigene Kompetenz aufzubauen, mit der er die Bonität der Nutzer seines neuen Dienstes einschätzen kann. Die großen Wettbewerber setzen hier auf die in vielen Jahren gesammelten Erfahrungen aus einer Unzahl von Transaktionen.

Einen Hinweis auf die weiteren Pläne könnte eine Apple-Transaktion aus diesem März liefern: Da kaufte der Tech-Konzern das britische Start-up Credit Kudos, das mithilfe Künstlicher Intelligenz verlässliche Prognosen zu Zahlungsausfällen treffen will.

Deren Häufigkeit dürfte in den kommenden Monaten zunehmen. „,Buy Now, Pay Later‘ bleibt ein Wachstumsthema, mit dem sich fast alle deutschen Banken intensiv beschäftigen“, sagt Berater Bulis. „Die Inflation und damit eine höhere Zahl von Zahlungsausfällen werden es vermutlich nur etwas bremsen.“ Der schwedische Zahlungsdienstleister Klarna musste deshalb zuletzt bereits deutlich höhere Verluste hinnehmen. Auch eine niedrigere Bewertung und die Trennung von rund 700 Beschäftigten sind Indikatoren dafür, dass nicht nur Europas wertvollstes Fintech eine holprige Phase durchmacht. Sondern das ganze Geschäftsmodell.

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Das stößt auch bei Behörden und Verbraucherschützern zunehmend auf Skepsis. In den USA untersuchen Behörden, ob BNPL Kunden in die Überschuldung treibt. In Deutschland hat die Finanzaufsicht BaFin mahnende Worte an die Verbraucher gerichtet („bequem und (zu) verführerisch“). Als besonders anfällig für übergroße finanzielle Kraftakte gelten Jugendliche und junge Erwachsene. Beim TikTok präsentieren sich bereits viele als Opfer der BNPL-Anbieter. Die wiederum nutzen das Videoportal gerne, um sich passend zu den Produktempfehlungen dort präsenter Influencer als Partner für deren Finanzierung zu präsentieren.

Für Apple, das stets Wert auf ein positives Umfeld für seine Produkte legt, ist das neue Angebot also womöglich auch eine Image-Herausforderung. Den Start von Pay-Later begründete der Konzern bereits damit, dass er die Daten seiner Kunden vor dem Zugriff Dritter schützen wolle. In einer umstrittenen Branche will er offensichtlich zunächst als gute Kraft dastehen. Und dann womöglich den Banken mehr Geschäft streitig machen.

Lesen Sie auch: Nach Jahren ungebremster Euphorie ist die Ernüchterung im Silicon Valley groß. Branchengrößen wie Apple und Facebook könnten davon mittelfristig sogar profitieren.

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