Die Rapperin mit den knallrot gefärbten Haaren filmt sich selbst für TikTok vor den Leucht-Stehlen auf dem Ku‘damm, die alle ihr bauchfreies Foto zeigen. Am Zeigefinger trägt Badmómzjay, die im echten Leben Jordan Napieray heißt, einen riesigen Ring. Die mindestens zwei Zentimeter langen künstlichen Nägel funkeln mit dem Stein darauf um die Wette. Klar, eine Rapperin mit viel Bling, könnte man jetzt denken.
Doch ihre Handyhülle mit den ineinander verschlungenen Buchstaben verrät mehr über die 21-jährige Ostberlinerin, die in Brandenburg an der Havel in ärmlichen Verhältnissen aufwuchs. Die Hülle ist nämlich nicht von Gucci, sondern von der wesentlich erschwinglicheren Marke Guess und kostet auf Amazon genau 23,90 Euro: „Ich bin keine, die Geld rausschmeißt und auch niemals für unnötige Sachen.“
Überhaupt kommt die Rapperin, die gern freizügige Outfits trägt und optisch aneckt, sehr wohlerzogen daher. Sie entschuldigt sich für fünf Minuten Verspätung beim Interview. Sie ist höflich. Sie gibt zu, eher sparsam zu sein, obwohl doch in ihrem Genre der Erfolg so oft mit fetten Statussymbolen zur Schau gestellt wird. Sie beeilt sich, neben ihrer Musik weitere Standbeine aufzubauen wie eine Kosmetiklinie und den Werbedeal mit der Deutschen Telekom.
In den sechs Jahren, seit sie mit einem spontan im Bett getexteten Song viralen Erfolg feierte, ist Napieray eine feste Größe unter den Frauen in der deutschsprachigen Rap-Szene geworden. MTV kürte sie zum „Best German Act“. Die deutsche Vogue nahm sie im vergangenen Jahr auf ihr Cover. Auf Musikplattformen wie Spotify hören zwei Millionen Menschen ihre Songs, auch in den sozialen Medien folgen ihr ähnlich viele. Gerade bringt sie ihr zweites Album heraus.
Badmómzjays Songs haben Texte wie: „Die Leute sind am Haten, einfach weil ich keinen Penis hab“, oder „Hast Du gedacht, mir geht‘s um Ego? Was Du auch machst, du kannst mir nicht mehr wehtun.“ Sie outete sich schon mit 13 als bisexuell. Sie hat sich in der 7. Klasse die Haare knallrot gefärbt – und das eisern beibehalten, obwohl Mitschüler sie damals ‚Feuermelder‘ riefen und ihr mit der Hand auf den Kopf schlugen. Aufzugeben war für sie keine Option: „Sonst hätte ich denen ja Macht über mich gegeben“. Heute steht sie als Ikone für Body Positivity und die LGBTQ+-Community. Das macht sie zum Vorbild für viele Mädchen, die ihren eigenen Angang zum Thema Emanzipation suchen.
Rapperin als bodenständige Geschäftsfrau
Rap-Musik – da geht es oft um Ferraris, fette Dollars und einen Luxus-Lebensstil. Oft sind es Ghetto-Kids, die plötzlich groß rauskommen. Und die sich mit schnell verdienten Geld Status einkaufen. Doch die 21-jährige Napieray wirkt ganz bodenständig, sieht sich als Geschäftsfrau. Sie macht intuitiv vieles genauso wie Vermögensberater für Promis und Sportler es ihrer vermögenden Klientel nahelegen.
„Hat man plötzlich einen hohen Cashflow, ist es naheliegend, sich damit Dinge zu realisieren, die einem sehr charmant vorkommen“, sagt David Wehner von Do Investments, ein Vermögensverwaltungsunternehmen der deutschen Luftfahrtdynastie Dornier. „Doch weil die weitere Perspektive so unklar ist, gilt es, die Assets so verantwortungsvoll anzulegen, dass man von ihren regelmäßigen Erträgen später seinen Lebensunterhalt bestreiten kann.“ Auch Steuerberater Marcus Hornig, Partner bei der Kanzlei Ganteführer in Düsseldorf, der sowohl Influencer wie auch Sportler unter Vertrag hat, weiß ein Lied zu singen von Fehlern, die schnell aus mangelnder oder falscher Beratung entstehen: „Es gibt ehemalige Fußballprofis, die jetzt vom Bürgergeld leben.“
Napieray ist die gelebte Diversifikation: „Bei Musik bist Du heute der Lieblingsmusiker, aber schon morgen kann das vorbei sein“, sagt die Rapperin. Ihr ist der Wert des Geldes, das sie aktuell verdient, sehr bewusst: „Wenn man ohne Geld aufgewachsen ist, hat man noch einmal einen ganz anderen Bezug dazu“. Bei ihrer alleinerziehenden Mutter wurde immer wieder einmal der Strom abgestellt, wenn das Geld nicht reichte, und manchmal gab es zum Abendessen nicht mehr als eine Scheibe Brot. Diese Erfahrungen haben etwas mit ihr gemacht: „Es gibt zwei Arten von Menschen – diejenigen, die Angst haben, das Geld auszugeben, weil sie wissen, das es ganz schnell wieder weg sein kann“, erklärt Napieray ihren eigenen Ansatz.
Die Generationen auf dem Arbeitsmarkt
Die Baby-Boomer (1946 – 1964) sind die älteste Generation auf dem Arbeitsmarkt. Diese Jahrgänge verzeichneten die höchste Geburtenrate, daher rührt auch der Name.
Die Jahrgänge der Generation X (1965 – 1979) haben einiges miterlebt: Wirtschaftskrisen, Techniksprünge, Arbeitslosigkeit, Umweltkatastrophen. Sie gilt als eine, die vor allem Wert auf ein gutes Einkommen und einen sicheren Arbeitsplatz legt.
Die Generation Y, auch Millennials genannt, wurde zwischen 1980 und 1995 geboren. Sie sind die erste Jahrgangskohorte, die als Digital Natives gelten.
Sie treten seit einigen Jahren in den Arbeitsmarkt ein: Die Generation Z, geboren von 1996 bis 2010. Sie sind von klein auf mit dem Internet aufgewachsen, digitale Medien haben ihr Leben von Beginn an geprägt.
„Wenn Du es ausgibst, ist das Geld weg“
Napieray hat aber auch Verständnis dafür, dass andere die Armut genau umgekehrt kompensieren: „Die geben ihr Geld gerade deshalb superschnell aus, weil sie Angst haben, dass es auch schnell wieder weg sein kann“, erklärt sie. Dass das Geld schnell weg ist, das soll ihr nicht passieren: „Ich baue mir deshalb weitere eigene Standbeine auf mit Dingen, die authentisch sind und echt.“ Dabei will sie selbst nicht zum Produkt werden: „Es ist einfach wichtig, dass du als Künstler oder als Geschäftsfrau den Spagat zwischen beidem schaffst“, sagt die Rapperin.
Als erstes kaufte sie sich eine eigene Immobilie, wohnt aber weiter auch bei ihrer Mutter, die polnische Wurzeln hat. Dann startete sie ihre eigene Kosmetiklinie – Bad Cosmetics. Zum Start sind es drei Lipgloss, die seit Sommer bei der Drogeriekette Rossmann im Verkauf sind. „Das war sofort klar, dass das ein Lipgloss wird, weil ich den trag, seit ich ein kleines Mädchen war.“ Von einem eigenen Lipgloss habe sie immer geträumt.
Kenner der Influencer-Szene erinnert das an Kylie Jenner aus der amerikanischen Reality-TV-Familie Kardashian. Die startete ebenfalls mit einem eigenen Lipgloss und wurde 2019 mit 21 Jahren vom US-Magazin Forbes zur jüngsten Selfmade-Milliardärin erklärt. Ein Jahr später aber beschuldigte Forbes Jenner, Steuerunterlagen so gefälscht zu haben, dass sie als Milliardärin erschien.
Napieray schaut schon rüber nach Amerika, auch wenn sie betont, dass sie keine Vorbilder habe: „Ich mag es sehr gern, wenn Frauen ihr eigenes Ding machen und eine Marke aus dem Stand alleine aufbauen, wie zum Beispiel Rihanna mit ihrer Marke Fenty.“ Wie es genau läuft mit dem Lipgloss, dazu liefert die Rapperin keine Zahlen. Nur: „Die Nachfrage ist sehr, sehr, sehr gut, teilweise hat mich das auch überrascht“. Als nächstes will sie weitere Beauty-Produkte entwickeln.
Dann ist da seit 2019 ihr eigenes Platten-Label Bad Momz. Das ruht gerade, weil sie recht schnell bei Universal Music unter Vertrag gegangen ist. Potenzial, selbst Künstler zu produzieren, sieht sie in jedem Fall, wenn auch erst für später: „Erstmal bin ich darauf fokussiert, mich selbst zu verwirklichen und meine Kunst auszubauen.“ Dann aber müsste es auch richtig passen: „Mir müsste jemand schon extrem gut gefallen, sowohl die Musik wie auch als Person, dass ich ihn herausbringe.“
Und dann ist da die Telekom, die Badmómzjay zu ihrem Werbegesicht für junge Leute erkoren hat. Aktuell läuft die Kampagne „Check das lieber noch mal“ zu Vorurteilen gegenüber Frauen. Der ehemalige Staatskonzern streamte den Auftritt der Künstlerin zur Premiere ihres zweiten Albums „Survival Mode“ im Technoclub RSO.Berlin live und wies darauf auf den Lichtstehlen am Ku’Damm mit Videos hin.
„Badmómzjay bedient mit deutlichen Worten ihr Genre“, sagt Christian Loefert, Leiter Marketingkommunikation der Deutschen Telekom, „gleichzeitig ist sie eine außergewöhnlich klare junge Frau.“ Die Zusammenarbeit könnte sogar verlängert werden, so gut passt die Rapperin zu den eigenen Jugendkampagnen der Telekom wie „Gegen Hass im Netz“ oder zur Datensicherheit „Share with Care“. Napieray hat keine Sorge, dass ihre Fans es ihr übel nehmen, dass sie plötzlich Galionsfigur spielt für die brave Marke Telekom: „Ich bin ganz eng mit meiner Community. Und es war genau richtig, dass Thema anzusprechen, wie das ist, eine krasse Frau zu sein, die nicht aussieht wie jeder und die an vielen Punkten aneckt.“
Nur bei einer Frage wird Badmómzjay wortkarg: Ist sie nach nunmehr sechs Jahren im Showbusiness eine Millionärin? „Also“, meint sie, „dazu werde ich jetzt nichts sagen.“
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