Broker Flatexdegiro Der „sehr unprofessionelle“ Rücktritt des Flatex-Chefs

Noch-Flatex-Chef Frank Niehage Quelle: imago images

Der Chef des Brokers Flatexdegiro verlässt den Konzern, nachdem ihn ein Großaktionär in der WirtschaftsWoche attackiert hat. Nun fordert der Großaktionär einen weiteren Rücktritt.

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Der Chef des Frankfurter Onlinebrokers FlatexDegiro, Frank Niehage, tritt zurück. Der im Börsenindex SDax gelistete Konzern teilte am Montag mit, Niehage werde das Unternehmen Ende des Monats nach fast zehn Jahren im Amt „aufgrund von unterschiedlichen Auffassungen zur strategischen Entwicklung sowie zum Wohle der Gesellschaft“ verlassen.

In einer internen Mitteilung an die Mitarbeiter sprach Niehage zudem davon, mit seinem Rücktritt „weiteren Schaden für die Reputation des Unternehmens vermeiden“ zu wollen. Die interne Mitteilung liegt der WirtschaftsWoche vor. Niehage erklärte darin außerdem, mit seinem Amtsverzicht „die Spannungen mit dem unzufriedenen Großaktionär lösen“ zu wollen. 

Niehage spielt mit dem Satz auf ein Interview in der WirtschaftsWoche an, das der Auslöser für seinen Rücktritt ist: Darin hatte der Flatex-Großaktionär Bernd Förtsch scharfe Kritik an Niehage geäußert. Förtsch ist Verleger  („Börse Online“, „Euro“, „Der Aktionär“) und Investor, hatte Flatex vor mehr als 20 Jahren gegründet und besitzt weiterhin knapp 20 Prozent aller Flatex-Aktien.

Der Unternehmer Bernd Förtsch ist Großaktionär von Deutschlands wichtigstem Broker Flatexdegiro: In beispielloser Offenheit seziert er jetzt die Fehler des Konzerns. Und kündigt Konsequenzen für den Vorstandschef an.
von Lukas Zdrzalek

Förtsch hatte in dem Interview Ende März angekündigt, weder Niehage noch den Aufsichtsratsvorsitzenden Martin Korbmacher auf der Hauptversammlung am 4. Juni entlasten zu wollen. Die Nicht-Entlastung von Vorständen und Aufsichtsräten gilt als Misstrauensvotum. Zudem hatte Förtsch kritisiert, dass Niehage Aktien zurückkaufe, statt das Kerngeschäft zu stärken. Der Verleger forderte außerdem, dass Flatex andere Online-Broker aufkauft, und bemängelte das Gebührenmodell von Flatex. Er halte dieses für „undurchsichtig“.

Warum geht Niehage schon Ende April?

Förtsch zeigte sich am Montag im Gespräch mit der WirtschaftsWoche erfreut über Niehages Abgang: „Ich begrüße den Rücktritt.“ Allerdings käme der Schritt auch für ihn „überraschend, nachdem sich Herr Niehage erst jüngst gegen meine Kritik in einem Interview verteidigt hatte“. Förtsch spielt mit dem Satz auf einen Artikel im „Handelsblatt“ am 10. April an, in dem Niehage die Förtsch-Attacke zurückgewiesen hatte. Niehage hatte in dem Artikel zudem den Eindruck erweckt, die Mehrheit der Aktionäre stehe hinter ihm und teile die Kritik von Förtsch nicht. Beobachter waren deshalb von einem Machtkampf auf der Flatex-Hauptversammlung am 4. Juni ausgegangen.

Insofern rätseln Szenekundige nun, warum Niehage doch zurücktritt und das Unternehmen schon Ende April verlässt. Zumal Flatex noch keinen Nachfolger für den scheidenden Vorstandschef benennen kann. Womöglich haben andere Aktionäre Niehage inzwischen signalisiert, dass sie ihn nicht unterstützen. 

Förtsch zu Niehages Rücktritt: „Unprofessionell und chaotisch“

Auch ist Großaktionär Förtsch erstaunt, wie rasch Niehages Abgang erfolgen soll: „Ich wundere mich, dass Herr Niehage sein Amt bereits in wenigen Tagen niederlegt.“ Der Rücktritt wirke „sehr unprofessionell und chaotisch, wie auch bei Herrn Chahrour seinerzeit“. Förtsch spielt damit auf den plötzlichen Abgang des Finanzvorstandes von Flatex, Muhamad Chahrour, im vergangenen Sommer an, den das Unternehmen noch kurz zuvor zum designierten Nachfolger von Niehage auserkoren hatte.

Ob der Umstände des Amtsverzichts von Niehage verlangt Großaktionär Förtsch nun einen weiteren Abgang: „Ich fordere auch den Aufsichtsratsvorsitzenden Martin Korbmacher zum Rücktritt auf“, sagte Förtsch am Montag der WirtschaftsWoche. 

Niehage war 2014 Vorstandschef von Flatex geworden. Unter seiner Ägide kaufte der Konzern den niederländischen Konkurrenten Degiro. Das Unternehmen sprach am Montag von einer „Phase herausragenden organischen und anorganischen Wachstums“, in der Niehage die Kundenbasis auf gut 2,8 Millionen Kunden verzwanzigfacht und das verwaltete Vermögen von vier auf 58 Milliarden Euro gesteigert habe. Zuletzt allerdings schrumpfte Flatex: 2023 war der Umsatz auf 391 Millionen Euro gefallen, nachdem sich der Konzern 2022 über Einnahmen von 407 Millionen Euro freuen durfte. Ein Grund für den Umsatzrückgang war, dass die Kunden seltener handelten. Sie wickelten 2023 nur noch knapp 57 Millionen Finanztransaktionen ab, während es im Jahr zuvor 67 Millionen waren. Darunter litt auch der Kurs von Flatex: Die Aktie notiert inzwischen fast 70 Prozent unter ihrem Höchststand, den sie im Sommer 2021 erreicht hatte. 

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Die Leitung von Flatex sollen interimsmäßig Finanzvorstand Benon Janos und Technik-Vorstand Stephan Simmang übernehmen. Zudem kündigte Flatex an, der Aufsichtsrat wolle die Suche nach einem Nachfolger für Niehage „kurzfristig abschließen“.

Mit Material von Reuters

Lesen Sie auch das Interview mit dem Großaktionär von Flatexdegiro, Bernd Förtsch

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