Intel-Chef Pat Gelsinger gab sich am Dienstag auf der Bühne seiner „Vision“ Konferenz in Phoenix, Arizona, heiter und beschwingt. Die vergangene Dekade sei für die Chipindustrie langweilig gewesen, behauptete Gelsinger, da nur durch graduelle Verbesserungen geprägt. „Künstliche Intelligenz macht alles so spannend wie nie zuvor.“ Dank KI sei jetzt ein gewaltiger Umbruch zu spüren, vergleichbar mit dem Aufstieg des Internets, so stark wie nie zuvor in den immerhin 40 Jahren, in denen Gelsinger in der Chipindustrie tätig ist. „Die Innovation schreitet in einem noch nie dagewesenen Tempo voran, und das alles wird durch Silizium ermöglicht – und jedes Unternehmen wird schnell zu einem KI-Unternehmen werden“, prophezeit der Intel-CEO.
Der Schönheitsfehler ist, dass Intel von der KI-Revolution bislang nicht profitieren konnte. Im Gegenteil: Intel, mit seinen Xeon Serverchips der Marktführer bei „traditionellen Rechenzentren“, wird massiv von Angreifern wie Nvidia und AMD bedroht. Nvidia-Chef Jensen Huang will „traditionelle Rechenzentren“ in KI-Rechenzentren umbauen. Was er meint: Sie sollen künftig vorwiegend aus Nvidia-Hardware bestehen, die nicht nur KI-Modelle trainiert, sondern diese auch anwendet. Und obwohl Intel mit seiner Gaudi-Reihe seine eigenen KI-Beschleuniger hat, konnte der Chipgigant bislang mit ihnen keinen Boden gutmachen. Die Folge: Inzwischen hat Nvidia Intel nicht nur beim Börsenwert meilenweit abgehängt, sondern hat die Silicon-Valley-Ikone auch beim Umsatz überholt, vom Profit ganz zu schweigen. Nvidia kontrolliert über achtzig Prozent des Marktes für KI-Hardware in Rechenzentren.
Gelsinger, der Intel seit drei Jahren führt, steht mächtig unter Druck. Immer mehr Wall-Street-Analysten bezweifeln, ob seine Doppel-Strategie, den Markt nicht nur mit selbst entwickelten und gefertigten Produkten zu erobern, sondern sich zugleich als führender Auftragsproduzent zu etablieren, die richtige ist. Erst vergangene Woche knickte die Intel-Aktie mächtig ein, als der Konzern enthüllte, dass die Anlaufverluste in seinem Geschäft als Auftragsfertiger weitaus größer sind als bislang angenommen: allein 13,2 Milliarden Dollar in den vergangenen beiden Jahren. Während Nvidia Geld scheffelt – 12 Milliarden Dollar im ersten Kalenderquartal – und so Milliarden in den Ausbau seines Vorsprungs stecken kann, muss sich Intel verschulden.
Den Befreiungsschlag soll nun die dritte Version von Gaudi bringen. Gelsinger hatte sie bereits im Dezember angekündigt, jetzt gab es Details. Gaudi 3 soll laut Intel anderthalb Mal so schnell wie Nvidias H100 KI-Beschleuniger sein und dabei vierzig Prozent weniger Energie verbrauchen. Auf AMDs MI300 ging Intel erst gar nicht ein. Aber es scheint, als ob Gaudi 3 und MI300 in etwa vergleichbar sind. Der Gaudi-3-Beschleuniger soll laut Intel im zweiten Quartal verfügbar sein. Das Problem ist, dass Nvidia in diesem Jahr mit Blackwell einen Nachfolger zu seinen begehrten Hopper-Chips auf den Markt bringt. Blackwell soll wiederum Hopper um Längen schlagen und ist wesentlich energieeffizienter.
Wenn Blackwell das leistet, was Nvidia-Chef Jensen Huang verspricht, sind Intel und AMD abgehängt. Für den Wettbewerb ist das nicht gut. Nvidia ist zu mächtig geworden. Kunden suchen deshalb nach Alternativen. Tatsächlich konnte Intel mit Dell, Hewlett Packard Enterprise, Lenovo und Supermicro Abnehmer finden, die Gaudi 3 in ihren Systemen vermarkten wollen.
Schneller schlau: So lernen Maschinen das Denken
Mit Kameras, Mikrofonen und Sensoren erkunden die Maschinen ihre Umwelt. Sie speichern Bilder, Töne, Sprache, Lichtverhältnisse, Wetterbedingungen, erkennen Menschen und hören Anweisungen. Alles Voraussetzungen, um etwa ein Auto autonom zu steuern.
Neuronale Netze, eine Art Nachbau des menschlichen Gehirns, analysieren und bewerten die Informationen. Sie greifen dabei auf einen internen Wissensspeicher zurück, der Milliarden Daten enthält, etwa über Personen, Orte, Produkte, und der immer weiter aufgefüllt wird. Die Software ist darauf trainiert, selbstständig Muster und Zusammenhänge bis hin zu subtilsten Merkmalen zu erkennen und so der Welt um sie herum einen Sinn zuzuordnen. Der Autopilot eines selbstfahrenden Autos würde aus dem Auftauchen lauter gelber Streifen und orangefarbener Hütchen zum Beispiel schließen, dass der Wagen sich einer Baustelle nähert.
Ist das System zu einer abschließenden Bewertung gekommen, leitet es daraus Handlungen, Entscheidungen und Empfehlungen ab – es bremst etwa das Auto ab. Beim sogenannten Deep Learning, der fortschrittlichsten Anwendung künstlicher Intelligenz, fließen die Erfahrungen aus den eigenen Reaktionen zurück ins System. Es lernt zum Beispiel, dass es zu abrupt gebremst hat und wird dies beim nächsten Mal anpassen.
Intel äußerte sich nicht zum Preis. Aber wie AMD, das mit seinen MI300 die Hopper-Chips um mindestens zehntausend Dollar unterbietet, wird Intels deutschstämmiger Verkaufschef Christoph Schell alle Register bei Gaudi 3 ziehen müssen. Nvidia ist auch wegen Software wie CUDA stark, mit der sich seine KI-Beschleuniger effizienter nutzen lassen. Intel will sich hier mit Unternehmen wie Arm, Google und Qualcomm verbünden, um gemeinsam offene Software auf den Markt zu bringen, die mit verschiedenster KI-Hardware zurechtkommt.
Sorgt KI für einen Upgrade-Superzyklus?
Gelsinger will die KI-Vorherrschaft von Nvidia jedoch noch anders brechen. In den Rechenzentren werden KI-Modelle trainiert und angewendet, die Resultate werden über Geräte wie Smartphones oder Laptops und Desktops angezeigt. Doch die Endgeräte sind in vielen täglichen Anwendungsfällen von generativer KI, wie etwa dem Verfassen und Übersetzen von Texten, dem Transkribieren von Aufnahmen oder dem Erzeugen von Bildern, leistungsstark genug, um diese direkt vornehmen zu können. Bei PCs, einer Domäne von Intel, will der Konzern deshalb richtig Gas geben.
Von seinen auf KI aufgerüsteten Prozessoren für PCs habe man seit Start im Dezember bereits fünf Millionen Stück abgesetzt, bis Ende des Jahres sollen es 40 Millionen Stück werden, verkündete Gelsinger am Dienstag. Fürs nächste Jahr werden bereits 100 Millionen Stück angepeilt. Zugleich will Intel hier in kürzeren Abständen leistungsfähigere Prozessoren auf den Markt bringen, also beim Tempo das vorlegen, was Nvidia derzeit im Markt für KI-Beschleuniger demonstriert.
„Bevor die Wettbewerber ihren ersten Chip ausliefern, liefern wir bereits unseren zweiten aus“, tönt Gelsinger. Er glaubt, dass KI einen Upgrade-Superzyklus bei PCs auslösen wird. Auf KI aufgerüstete Computer würden so selbstverständlich werden wie das Wlan, das maßgeblich durch Intel etabliert wurde. Die Chief Information Officer in den Unternehmen müssten, so Gelsinger, jetzt mit dem Upgrade beginnen und forderte sein Publikum auf, diese darauf hinzuweisen. „Und wenn Sie keine gute Antwort bekommen, rufe ich sie für Sie an“, scherzte der Intel-Chef.
Allerdings sind die Margen bei den KI-Prozessoren für PCs bescheiden im Vergleich zum Geschäft mit Datenzentren. Intel muss also in beiden Segmenten erfolgreich sein.
Gelsinger bekräftigte zudem auf der Vision Konferenz seine Strategie, zum führenden Auftragsfertiger aufzusteigen. Schon allein dadurch will er eine wichtige Stellung bei KI-Chips erringen. Allerdings sprach er vom Ziel, bis zum Ende des Jahrzehnts die Nummer 2 am Markt zu werden. Das klingt sehr ungewöhnlich für US-Konzerne, deren Mission fast immer ist, die Nummer 1 zu sein. Aber es ist realistisch. An Taiwan Semiconductor Manufacturing (TSMC) kommt derzeit niemand vorbei. Nvidia und AMD lassen dort fertigen – wie auch Intel seinen Gaudi 3.
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