Die Rolle von des künftigen Vodafone-Deutschlandchefs Marcel de Groot ist bei Vodafone womöglich kleiner als gedacht. Ab April soll der Niederländer de Groot, wie Ende vergangener Woche bekannt wurde, den bisherigen Amtsinhaber Philippe Rogge ablösen. Was da noch nicht kommuniziert wurde: Aus London bekommt der neue Spitzenmann dann den bisherigen Chef des Großbritannien-Geschäfts, Ahmed Essam, als „Executive Chairman Germany“ zur Seite gestellt.
Und das ist nicht der einzige Dämpfer für Machtfülle und Handlungsfreiheit des neuen Chefs der Vodafone-Deutschlandtochter. Bisher war es für vier von fünf seiner Vorgänger selbstverständlich, dass sie auch einen Sitz im Aufsichtsrat der Vodafone Group in London innehatten. Schließlich ist Deutschland seit Jahren der mit Abstand größte Markt des britischen Telekommunikationskonzerns. De Groot aber bekommt – anders als seine Vorgänger – keinen Sitz mehr im britischen Board.
De Groot nur eine Art COO?
Ahmed Essam, den die britische Konzernzentrale im Zuge des aktuellen Führungswechsels beim Deutschlandableger installiert, fungiert zugleich als Vodafone-CEO für die anderen europäischen Länder. Szenekenner halten es wegen der Doppelfunktion für wahrscheinlich, dass Essam in seiner Rolle als „Executive Chairman“ – also als „aktiv handelnder Vorsitzender“ – dem neuen Deutschland-Chef ins Tagesgeschäft hereingrätscht: „Es wirkt, als sollte de Groot eher die Rolle eines COOs auskleiden, die großen Entscheidungen aber in London getroffen werden“, sagt etwa der renommierte Telekommunikationsexperte John Strand.
Im deutschen Rechtssystem gibt es keinen „Executive Chairman“. Im angelsächsischen Raum hingegen beschreibt der Titel eine Zwitterrolle zwischen Aufsicht und aktivem Management. Auf Anfrage der WirtschaftsWoche bemüht sich ein Sprecher des britischen Mutterhauses denn auch, mögliche Widersprüche von Essams Funktion mit dem deutschen Unternehmensrecht zu entkräften: „Marcel de Groot ist der ultimative Entscheidungsträger. Er wird als CEO das Deutschlandgeschäft führen“, heißt es aus der Londoner Zentrale. Der Niederländer habe einen exzellenten Track Record und bringe einen „kommerziellen Fokus“ in die nächste Phase der Geschäftsentwicklung in Deutschland.
„Nah an Marcel und seinem Team“
Essam wiederum, der vor seiner Rolle in Großbritannien unter anderem Vodafones Geschäft in Ägypten zum Erfolg geführt hatte, sei nun im Zuge einer Vereinfachung der Konzernstrukturen als einzelne Person für ganz Europa zuständig. Daneben gebe es einen Verantwortlichen für Afrika. Neben dem Titel des „CEO Europe“ übe Essam die Rolle des „Executive Chairman Germany“ aus, um der Größe und Bedeutung des deutschen Marktes Rechnung zu tragen, statt diesen mit dem übrigen europäischen Geschäft in einen Topf zu werfen: „Als Chair von Deutschland wird Ahmed nah an Marcel und seinem Team sein und Deutschland im Konzern-Aufsichtsrat gut vertreten können“, so der Konzernsprecher.
In der Vergangenheit hielten die Deutschland-Chefs Friedrich Joussen, Hannes Ametsreiter und Philippe Rogge jeweils zusätzlich zu der Geschäftsführung in Deutschland selbst auch Einzug in den Vorstand der britischen Muttergesellschaft. Auch Jürgen von Kuczkowski, der Mannesmann bei der Übernahme durch Vodafone lenkte, wurde später in das Gremium berufen. Nur Jens Schulte Bockum, Deutschlandchef von 2012 bis 2015, war nicht selbst im Executive Committee, sondern musste an Philipp Humm berichten, der als Europa-CEO in der Group installiert war. Erstmals für die aktuelle Staffelübergabe an de Groot wurde in London eigens die Rolle eines Executive Chairman Germany geschaffen. Laut Vodafone soll die Tätigkeit von Essam aber analog sein zu der von Humm einst.
Seit de Groots Vorvorgänger Hannes Ametsreiter 2019 den Kabelnetzbetreiber Unitymedia übernommen hatte, steht die Entwicklung des deutschen Vodafone-Geschäfts unter keinem guten Stern. Die Entwicklung der Kundenzahlen im Festnetzgeschäft ist stark rückläufig. Im Mobilfunkgeschäft hat Vodafone zwar die Kundenverluste stoppen können, trotzdem aber Mühe, mit dem starken Wachstum der Konkurrenz mitzuhalten.
Hinweis: Dieser Artikel wurde am 21.3. präzisiert um die Betrachtung, dass vier von fünf früheren Vodafone-Deutschlandchefs in der Vergangenheit selbst ihr Geschäft im Vorstand der britischen Group verantworteten. In einer früheren Version hieß es fälschlicherweise, dass dies grundsätzlich so üblich war.
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