E-Lieferwagen „Wir gehen davon aus, dass wir ab 6000 Fahrzeugen profitabel werden“

Der Ingenieur und Universitätsprofessor Günther Schuh ist der Erfinder des Streetscooters. Quelle: e.Volution GmbH

Einst war Streetscooter der deutsche Elektro-Pionier, doch das ist lange her. Nach der Insolvenz im Herbst hat Erfinder Günther Schuh die Firma nun zurückgekauft – und gibt sich selbstbewusst.

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Vor mehr als zehn Jahren entwickelte Günther Schuh den E-Lieferwagen Streetscooter und verkaufte 2014 seine Anteile an die Deutsche Post.

Doch Lieferschwierigkeiten und fehlenden Absatzmärkten bremsten die Firma immer wieder aus, 2020 kündigte die Tochterfirma DHL an, sich aus dem Geschäft zurückzuziehen. Schon damals bekundete Günther Schuh Interesse an einem Rückkauf, doch den Zuschlag erhielt die luxemburgische Holding B-On – die im vergangenen Herbst, inzwischen unter dem Namen Nob, in die Insolvenz rutschte. Schuh ergriff die Chance: Der Universitätsprofessor übernimmt nun das Projekt und will in Zukunft mit seiner Firma e.Volution unter neuem Namen die E-Lastenfahrzeuge herstellen. Auch ein neuer Abnehmervertrag mit der DHL ist bereits abgeschlossen.

WirtschaftsWoche: 2014 haben Sie Ihre Streetscooter-Anteile verkauft. Warum?
Günther Schuh: Ich habe damals widerwillig verkauft. Nachdem wir den Streetscooter fertig entwickelt hatten, forderte die Post: Wir wollen die Mehrheit erwerben. Meine Kollegen sahen darin einen sicheren Hafen für unser Unternehmen. Ich fand das schon damals konzeptionell falsch, denn man muss den Start-up-Charakter unbedingt erhalten. Dass es bei der Post so lange gut ging, liegt an den Ausnahmepersönlichkeiten im Team.

Woran ist die Post gescheitert?
Es gibt zwei Gründe. Ein sehr gut organisierter Konzern in einer hohen Arbeitsteiligkeit kann nicht so gut mit den vielen unplanbaren Ereignissen eines Start-ups umgehen. Das zweite Problem ist – als Ingenieur formuliert – dass ein Autogeschäft zu komplex für einen Finanzgeist ist. Sie können ein Auto nur gut entwickeln, wenn sie wissen, was technisch geht und wieviel jede Komponente kostet.

Sie sagen, der Streetscooter sei in seinem Ansatz konkurrenzlos, dennoch hat er offensichtliche Probleme, sich durchzusetzen. Wieso steigen Sie wieder ein?
Bei der Paketzustellung im städtischen Raum haben wir keine Konkurrenz. Dort wo es um kurze Zustellwege und enge Räume geht.

Das war der Fall, als Sie den Streetscooter vor zehn Jahren entwickelt haben. Mittlerweile gibt es zahlreiche Modelle von der etablierten Autoindustrie. Wer braucht heute noch ihre Transporter?
Die Deutsche Post hat auch 2024 kein besseres elektrisches Zustellfahrzeug gefunden. Es gibt Modelle anderer Anbieter, aber das sind andere Fahrzeugklassen oder sie sind 30 bis 40 Prozent teurer.
Die großen Fahrzeughersteller können es sich nicht leisten, ein so vielseitig einsetzbares Fahrzeug zu entwickeln. Wir übernehmen das Blümchengeschäft, indem wir das modulare LKW-Konzept auf eine kleinere Fahrzeugklasse übertragen. Dadurch können wir viele unterschiedliche Nutzerbedürfnisse erfüllen.

Die DHL bezieht nach eigenen Angaben E-Fahrzeuge anderer Hersteller. Bleibt die Post weiterhin Ihr Hauptabnehmer oder haben Sie sich neue Kunden gesucht?
Die Flottenkunden verteilen ihre Aufträge für das neue Jahr bis ungefähr September des Vorjahres – das war für uns leider zu spät. Aber wir möchten dieses Jahr nutzen, um zukunftsträchtige, mittlere und größere Flottenkunden zu finden.

Die Deutsche Post nutzt die E-Lieferfahrzeuge. Quelle: e.Volution GmbH

Können Sie verraten, mit wem Sie Gespräche führen?
Wir können noch keine Namen nennen, aber wir unterhalten uns mit drei großen Flottenkunden im europäischen Ausland. Außerdem haben wir ein Leasingangebot für städtische Betriebe und Kommunen in Deutschland vorbereitet.

Und bis dahin setzen Sie auf die bestehenden Aufträge der Post?
Die DHL hat 700 Fahrzeuge verbindlich bestellt und es gibt für das erste Halbjahr 2024 die Option 120 weitere Fahrzeuge zu liefern. Konkret stellen wir jetzt 760 Fahrzeuge her und die ersten sind Ende Februar fertig. Ursprünglich wollten wir einen Auftrag über 1000 Fahrzeuge sichern. Aber das konnten wir am Ende nicht zusagen, da bei Zulieferern wichtige Komponenten fehlten.

Abgesehen von Paketzustellungen: Welche Absatzmärkte haben Sie im Blick?
Der Markt für Zustellerfahrzeuge in Europa liegt bei etwa 50.000 Stück und die großen Autohersteller können diese Abnehmer nicht richtig bedienen. Wir wollen also auch andere Betriebe beliefern – andere Zulieferer und Stadtbetriebe.

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Der mittelständische Bäckereiunternehmer Roland Schüren hat auf LinkedIn einen Streetscooter 2.0 angefragt und Ihnen Hilfe bei der Entwicklung angeboten. Schüren hat früher bereits das Streetscooter-Basismodell weiterentwickelt, um es für Handwerker und andere Branchen nutzbar zu machen. Planen Sie wieder, mit solchen externen Dritten zusammenzuarbeiten?
Die coolen Typen sind solche Schürens. Wir wollen unsere Modularität genauso weiterführen, dass wir für alle Schürens die Möglichkeit bieten, Kühler und Kipper einzubauen. Wir liefern ein nutzbares Basisfahrzeug mit größtmöglicher Anpassungsmöglichkeit.

Wie viele Fahrzeuge wollen Sie in Zukunft herstellen?
Dieses Jahr haben wir eine Produktionskapazität von 1500 Fahrzeugen. Kommendes Jahr werden es 2000 Stück und im Jahr 2026 wollen wir uns auf 4000 Fahrzeuge im Einschichtbetrieb steigern. Wir sind in unserem Werk in Düren auch in der Lage einen Zwei- oder Dreischichtbetrieb zu führen. Wir gehen davon aus, dass wir ab 6000 Fahrzeugen profitabel werden. Da ich Alleininhaber bin, muss ich muss aber keine Investorenshow machen – ich mache das konservativ-mittelständisch.

Ab 2024 werden für Nutzfahrzeuge laut EU-Richtlinien folgende Bestandteile Pflicht: Anfahrinformationssystem, Abbiegeassistent, Rückfahrhilfe, Geschwindigkeitsassistent, Aufmerksamkeitswarnsystem, Reifendruckmessgerät. Da kommen größere Investitionen auf Sie zu.
Viele der Richtlinien sind anspruchsvoll und durchaus sinnvoll. Wir können nicht in vier oder fünf Monaten ein passendes Fahrzeug entwickeln. Vollständig werden wir diese Richtlinien erst mit unserer neuen Fahrzeuggeneration erreichen, intern noch e.Volution Neo genannt.

Können Sie in Aussicht stellen, wann der Neo serienreif ist?
Im Mai 2025. Das ist nur deshalb möglich, weil wir alle technischen Komponenten bereits entwickelt hatten. Dann brauchen wir aber noch ein paar Monaten für die Straßenfreigabe, deshalb kommt die neue Version wohl erst 2026.

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