Quelle: imago images

Was wurde aus...? Alles nur „Peanuts“? Der Fall des Baulöwen Jürgen Schneider

Baulöwe Jürgen Schneider hat in den 1990er-Jahren Banken getäuscht und hohe Schulden angehäuft – bis sein Schneeballsystem kollabierte. Ein Musterbeispiel für Geldjongleure.

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Es ist eine filmreife Story: Ein junger Mann überwirft sich mit seinem Vater und baut auf eigene Faust ein Immobilienreich auf. Immer größer werden seine Projekte, immer mehr Geld leiht er sich von Banken, die er mit einem Mix aus Protz, Charme und Chuzpe bei Laune hält – bis sein Imperium implodiert und er ins Ausland flieht. Es ist die Geschichte von Utz Jürgen Schneider, besser bekannt als „Baulöwe“ Schneider – und tatsächlich wurde sie verfilmt.

Jürgen Schneider gilt im Wiedervereinigungsboom der 1990er-Jahre als Prototyp eines gestandenen Immobilienunternehmers. Als einer, der Profit erwirtschaftet, sich aber auch für den Erhalt historischer Gebäude einsetzt. Schneider renoviert und restauriert heruntergekommene Altbauten und vermietet edle Einkaufspassagen.



Für die Finanzierung leiht er sich Geld. Was die Banken nicht wissen: Schneider lässt sich oft mehr Geld auszahlen, als er für den Kauf der Immobilie braucht. Den Rest zweigt er auf Festgeldkonten ab. Muss er einen Kredit zurückzahlen, nimmt er den nächsten auf. Ein Schneeballsystem. Das funktioniert, solange die Banken nicht skeptisch werden. Schneider versteht es, den erfolgreichen Unternehmer zu spielen. Um Zweifel an der Stabilität seines Immobilienreichs auszuräumen, frisiert er Verträge und Angaben zu Mietflächen. Erst Anfang 1994 lässt sich die Lage nicht mehr beschönigen. Die Immobilienpreise bröckeln, die Banken wachen auf. Schneider und seine Frau Claudia setzen sich ins Ausland ab.

Wenige Tage später beginnt das Konkursverfahren. Schneider hat mehr als fünf Milliarden Mark Schulden aufgetürmt. Zu den Geschädigten gehören viele Handwerker. Ihre Forderungen wirken im Vergleich zu den Kreditschulden gering – jedenfalls für Deutsche-Bank-Vorstand Hilmar Kopper. Er spricht von „Peanuts“ und löst einen Proteststurm aus.



Gleichzeitig kritisiert das Gericht die Fahrlässigkeit der Banken. Schneider kommt rasch auf Bewährung frei, tingelt durch Talkshows, schreibt eine Autobiografie – und bekommt erneut Ärger mit der Justiz. Heute will er sich nicht mehr öffentlich äußern. Er sei zwar „eifriger Leser der WirtschaftsWoche“, so Schneider, gebe aber keine Interviews mehr.

Und die Banken – haben sie aus dem Debakel gelernt? Ein Blick nach Österreich weckt Zweifel. Auch dem Immobilienunternehmer René Benko haben Geldgeber viel zu lange blind vertraut: ein filmreifes Remake, sozusagen.




Dieser Artikel erscheint in unserer Reihe WiWo History.

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