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Was wurde aus...? Hoechst: Die Selbstzerstörung eines Weltkonzerns

Jürgen Dormann war Deutschlands radikalster Manager. Er gab alles, um mehr Wert für Aktionäre zu schaffen. Und löschte so am Ende den Weltkonzern Hoechst aus.

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Hoechst wurde 136 Jahre alt. Gegründet 1863, abgewickelt 1999. Der damalige Vorstandschef Jürgen Dormann hatte die Chemie in alle Welt verkauft und das Pharmageschäft mit dem französischen Konkurrenten Rhône-Poulenc fusioniert.

Einst war die Hoechst AG aus Frankfurt einer der mächtigsten Chemiekonzerne. Als Dormann 1994 Vorstandschef wurde, beschäftigte der Chemiegigant 160.000 Mitarbeiter, setzte mehr als 40 Milliarden D-Mark um.

Das Angebot war riesig: Farb- und Kunststoffe, Wachse, Kosmetika, synthetische Fasern, Arzneimittel, Chemikalien und vieles mehr. Dormann – ein Wirtschaftswissenschaftler, der in den 1960er-Jahren als Trainee zu Hoechst gekommen war – wollte den renditeschwachen Chemiemischkonzern umbauen, ihn „entrosten und entfrosten“. Ständig sprach er von „Shareholder Value“, dem zu steigernden Wert für Aktionäre, und gab als Ziel „Life Science“ vor: Konzentration auf Pharma und Pflanzenschutz. Dormann wollte das Unternehmen mit dem US-Konzern Monsanto, später mit Bayer fusionieren – beide Projekte scheiterten.

Er begann, das Chemiegeschäft von Hoechst in alle Welt zu verkaufen, weil er nicht mehr an dessen Zukunft glaubte. Das PVC-Geschäft etwa ging an einen Finanzinvestor, der Chemieanlagenbau an Krupp, und die Lacke landeten beim US-Konzern DuPont.



Vor allem die Arbeitnehmervertreter rebellierten – aus Angst um die Jobs. Auch viele Hoechst-Vorstände konnten sich mit dem Ausverkauf der Chemie nicht abfinden, insbesondere der frühere Pharmachef Karl-Gerhard Seifert. Doch die Manager ballten bloß die Faust in der Tasche. Ein öffentlicher Aufstand blieb aus.

Dormann konnte weiter schalten und walten. 1999 fädelte er dann die Fusion des Pharmageschäfts von Hoechst mit dem französischen Konkurrenten Rhône-Poulenc zu Aventis ein, der Name Hoechst verschwand.



Ein großer deutsch-französischer Gemeinschaftskonzern sollte entstehen. Am Ende setzten sich die Franzosen durch. 2004 übernahm der Pariser Arzneimittelhersteller Sanofi mit Unterstützung der französischen Regierung Aventis. Bereits zuvor war Dormann aus dem Aventis-Vorstand verdrängt worden. Die Deutschen hatten kaum noch etwas zu sagen. Hoechst war nun endgültig Geschichte.

Viele einstige Hoechst-Manager machten allerdings weiter Karriere. Etwa Matthias Zachert: Der von Dormann eingestellte Finanzexperte ist heute – rund ein Vierteljahrhundert später – CEO des von Bayer abgespaltenen Chemiekonzerns Lanxess.




Dieser Artikel erscheint in unserer Reihe WiWo History.

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