Quelle: AS Syndication/Ullstein Bild

Was wurde aus...? Quelle: Vom Vorzeigeunternehmen zum Pleitefall

Der Versand- und Warenhauskonzern Quelle war einst das Vorzeigeunternehmen der deutschen Wirtschaftswunderjahre. Doch in den 1990er-Jahren ging es steil bergab.

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Die Pressemitteilung, die deutsche Redaktionen im Oktober 2009 erreicht, ist mit „Verkaufsanstrengungen für Quelle ohne Ergebnis“ überschrieben. Ihre Botschaft: Eine wichtige Quelle deutscher Konsumlust versiegt; ein Vorzeigeunternehmen der Wirtschaftswunderjahre muss abgewickelt werden.

Ein Vorzeigeunternehmen – mit langen Schatten. Gustav Schickedanz lässt den Versandhandel Quelle 1927 registrieren, führt ihn 50 Jahre lang – ein talentierter Kaufmann, geschäftstüchtig und früh erfolgsverwöhnt. Dass er bereits 1932 der NSDAP beitritt und in den folgenden Jahren mehrfach von der Möglichkeit der „Arisierung“ jüdischer Unternehmen profitiert, bleibt im Nachkriegsdeutschland eine Randnotiz.



Ein „Mitläufer“ sei er gewesen, so das Urteil im Entnazifizierungsprozess. Damit steht dem Auf- und Ausbau von Quelle nichts mehr im Weg. Dreh- und Angelpunkt der Markenstrategie: Der Versandkatalog, der 1954 erstmals in Farbe und mit Fotografien erscheint. Der Katalog prägt den Geschmack und die Vorlieben einer konsumhungrigen Nachkriegsgesellschaft. „Erst mal sehen, was Quelle hat“, lautet ein Slogan der Wirtschaftswunderjahre.

Und Quelle hat eine Menge: Zum klassischen Versandgeschäft gesellen sich im Laufe der Zeit bis zu 25 Warenhäuser und 6000 Quelle-Agenturen (rechtlich selbstständige Geschäfte auf Provisionsbasis). Hinzu kommen Ableger wie Noris-Kaufhilfe (später: Noris-Bank, 1955), Quelle-Fertighaus (1962) und die Quelle-Versicherung (1984). Als Gustav Schickedanz 1977 stirbt, hinterlässt er eine Unternehmensgruppe, die 8,3 Milliarden D-Mark umsetzt und mehr als 43.000 Menschen beschäftigt. Der Katalog erscheint zu dem Zeitpunkt in einer Auflage von mehr als 7,5 Millionen Exemplaren.

Schlechte Managemententscheidungen begünstigen nach dem Tod von Schickedanz und seiner Frau Grete (sie starb 1994) die Talfahrt des Unternehmens. Das letzte Kapitel von Quelle wird 1999 eingeleitet, als der Konzern in eine Aktiengesellschaft umgewandelt wird und mit dem Warenhauskonzern Karstadt AG zur KarstadtQuelleAG fusioniert. 2007 verpasst der Vorstandsvorsitzende Thomas Middelhoff der AG den Kunstnamen Arcandor.

Middelhoff wird als Retter gerufen, kann das Unternehmen aber nicht auf Zukunft trimmen, erscheint schon damals vielen als „Totgengräber“: Kurz nachdem er den Konzern im Frühling 2009 an seinen Nachfolger übergibt, benötigt Arcandor Kredite in dreistelliger Millionenhöhe. Der Bund will nicht einspringen; die Insolvenz ist unausweichlich. Während sich für Karstadt ein Investor findet, muss Quelle abgewickelt werden.



Den Markennamen übernimmt Konkurrent Otto, ebenso zahlreiche Eigenmarken, etwa Privileg (Küchengeräte). Heute ist Quelle ein ebenfalls zur Otto-Group gehörender Onlineuniversalhändler.



Dieser Artikel erscheint in unserer Reihe WiWo History.

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