Was wurde aus...? Wie eine kleine Kölner Bank für einen gewaltigen Skandal sorgte

Manipulationen und Fehlspekulationen lösen 1974 die bis dahin größte Bankpleite der Nachkriegszeit aus – den Zusammenbruch der Kölner Herstatt-Bank.

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Bei Ebay wird gerade eine 50 Jahre alte Flasche Sekt angeboten. Auf dem Flaschenhals ist das Bild des Mannes zu sehen, dem die Sondercuvée gewidmet war: Iwan David Herstatt. Zu seinem 60. Geburtstag hatte der Bankier das Kölner Opernhaus gemietet und den „Prädikatssekt“ an seine Gäste ausschenken lassen.

Einige von ihnen sollen erst kurz zuvor ein Konto bei der Herstatt-Bank eröffnet haben, um bei dem Event dabei zu sein. Sie dürften den Schritt bereut haben. Im Juni 1974, nur ein halbes Jahr nach Herstatts Party, kollabierte die Bank. Es war der bis dahin größte Zusammenbruch eines Finanzinstituts in der deutschen Nachkriegszeit – und die Folgen wirken bis heute nach.

Die Geschichte vom Aufstieg und Fall des Bankhauses beginnt 1955, als Herstatt zusammen mit seinem Jugendfreund, dem Versicherungsmagnaten Hans Gerling, die kleine Privatbank Hocker übernimmt. Mit voller Kraft baut er deren Geschäft aus.



Der Bankier ist in Köln bestens vernetzt, gilt als begnadeter Verkäufer, der auch im Karneval alles für die Bank gibt: Mehrere Sitzungen an einem Abend sind kein Problem. „Er hatte immer seinen Block mit Formularen für die Kontoeröffnung dabei.“

Ab Anfang der 1970er-Jahre mischt die Bank zunehmend im Devisenhandel mit. Chef der Abteilung ist der frühere Herstatt-Lehrling Daniel „Dany“ Dattel. Er dirigiert das Geschäft von einem futuristischen Handelstisch aus, der seiner Abteilung den Namen „Raumstation Orion“ einbringt. In der Mitte flackern Daten über Monitore.



Doch irgendwann schlagen ihre Dollarwetten fehl, die Verluste steigen rasant. Um die Probleme zu verschleiern, erhöhen die „Goldjungs“ den Einsatz. Eine heimlich installierte Abbruchtaste an den Computern soll dafür gesorgt haben, dass Verlustgeschäfte nicht in der Buchhaltung auftauchen. „Mein Vater hat erst am 10. Juni 1974 von den Fehlspekulationen erfahren“, sagt Johann David Herstatt. Gut zwei Wochen später schließt die Aufsicht die Bank: Herstatt ist pleite, die Kunden kommen nicht mehr an ihr Geld.

Immerhin, Banken und Bankaufseher ziehen Konsequenzen aus dem Debakel. Die Bankaufsicht wird verschärft, und Deutschlands Privatbanken gründen den Einlagensicherungsfonds, der Sparer bis heute vor den Folgen von Bankinsolvenzen schützt.

Und Iwan D. Herstatt? „War am Boden zerstört“, sagt sein Sohn. Der Bankpleite folgt ein Prozessmarathon. Doch die Schuldfrage lässt sich nicht eindeutig klären. Devisenhändler Dattel, der als Kind Auschwitz überlebte, wird für verhandlungsunfähig erklärt. Bankier Herstatt, verurteilt zu einer Bewährungsstrafe, beteuert bis zu seinem Tod 1995 seine Unschuld.




Dieser Artikel erscheint in unserer Reihe WiWo History.

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