Quelle: dpa Picture-Alliance

WiWo History Durchbruch So wurde „Mensch ärgere Dich nicht“ zum Hit

Josef Schmidt legte mit „Mensch ärgere Dich nicht“ den Grundstein für sein Unternehmen – und popularisierte das Spiel mit außergewöhnlichen PR-Aktionen vor allem in Krisenzeiten.

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Drei sind schon im Häuschen, eine vierte Spielfigur steht kurz davor – verfolgt von einem Mitspieler, der würfelt, was er braucht, um sie hinauszuwerfen ... – wer bei diesem Spiel immer fröhlich und gelassen bleibt, muss gefühllos sein: „Mensch ärgere Dich nicht“? Unmöglich! Die Regeln sind kinderleicht, das Siegen ist schwer – und fast reine Glückssache. Ob Josef Schmidt der Erfolg klar war, als er das emotionsgeladene Spiel für seine Söhne erfand?

Der Angestellte, wohnhaft im Arbeiterviertel München-Giesing, sucht damals nach einer spielerischen Möglichkeit, um seine drei quirligen Jungen eine Weile zu beschäftigen.

Bei der Entwicklung des Spiels lässt er sich vom englischen „Ludo“ und dem Pendant „Eile mit Weile“ aus der Schweiz inspirieren. Er zeichnet eine simplere Variante auf eine Hutschachtel. Schnitzt Figuren aus Holzklötzchen. Und gibt dem Spiel seinen „unmöglichen“ Namen.



„Mensch ärgere Dich nicht“ kommt in der Familie Schmidt und in ihrem Umfeld so gut an, dass es 1914 in Serie geht, ausgerechnet, im ersten Weltkriegsjahr. Um den Absatz anzukurbeln, schickt Josef Schmidt 3000 Exemplare des Brettspiels an die Front. Und tatsächlich: Verletzte Soldaten spielen im Lazarett „Mensch ärgere Dich nicht“, berichten ihren Familien, popularisieren das Spiel. 1920 erzielt Schmidt Spiele bereits eine Auflage von 1.000.000 Exemplaren.

Auch der Zweite Weltkrieg hält den Geschäftsmann nicht davon ab, sein Unternehmen auszubauen: Er verkauft Feldpostausgaben von „Mensch ärgere Dich nicht“, die Frauen und Mütter an ihre kämpfenden Männer und Söhne verschicken. Das Spiel wird im Laufe der Zeit immer mal wieder für Propaganda missbraucht: mal als „Jugendkriegsspiel“ mit dem Ziel der Eroberung von Paris, mal in einer Sozialismusvariante, bei der im Osten des Spielbrettes die Sonne aufgeht ...

Und natürlich gibt es Nachahmer. Rechtlich geschützt sind nur der Titel und die Gestaltung von „Mensch ärgere Dich nicht“, nicht aber die Spielidee, die ursprünglich – wie auch „Ludo“ und „Eile mit Weile“ – auf dem indischen Spiel „Pachisi“ basiert. Schmidt Spiele schadet es nicht. Auch nach dem Tod von Josef Schmidt (1948) expandiert das Unternehmen. Josefs Sohn Franz hat sich inzwischen ebenfalls selbstständig gemacht und ein gleichnamiges Spieleunternehmen gegründet, unter dem Einfluss der Nationalsozialisten das Propagandaspiel „Mit Prien gegen England“ veröffentlicht. 1970 fusionieren die Unternehmen von Vater und Sohn.



Als Schmidt Spiele in wirtschaftliche Schwierigkeiten gerät, wird das Unternehmen von der Blatz-Gruppe übernommen, die sich später auch den Namen aneignet. Nur bei „Mensch ärgere Dich nicht“ bleibt alles stabil: Das Spiel ist populär wie eh und je – weil es den Menschen auch nach 110 Jahren das glatte Gegenteil seines Namens verspricht.




Dieser Artikel erscheint in unserer Reihe WiWo History.

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