Nur 24 Stunden nach seiner Freilassung spricht Theo Albrecht am Fenster seiner Villa in Essen-Bredeney zu Journalisten. Quelle: Picture Alliance

WiWo History Tatort Nahe der Königsallee: Hier wurde Aldi-Chef Theo Albrecht gefangen gehalten

Im Herbst 1971 bangt Discounterkönig Theo Albrecht zweieinhalb Wochen um sein Leben – in einem Versteck mitten in der Düsseldorfer Innenstadt.

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Karl und Theo Albrecht führten wahrlich kein schillerndes Unternehmerdasein. Die zwei Brüder, in den 1920er-Jahren in einfachen Verhältnissen in Essen geboren, bauten nach dem Zweiten Weltkrieg den elterlichen Lebensmittelhandel (Albrecht KG) erfolgreich aus. Bereits in den 1960er-Jahren brachten sie es auf 300 Läden mit rund 90 Millionen Mark Umsatz. Sie teilten das Geschäft wenig später in Aldi Süd und Aldi Nord auf. Schon damals waren die Brüder reich – lebten aber bescheiden, traten nie öffentlich auf, gaben keine Interviews.

Trotz all dieser Vorsichtsmaßnahmen wird Theo Albrecht am 29. November 1971 entführt. Die Täter: Heinz Joachim Ollenburg, ein Düsseldorfer Rechtsanwalt mit hohen Spielschulden, und Paul Kron, Spitzname „Diamanten-Paule“, ein verurteilter Tresorknacker. Ollenburg und Kron lauern Albrecht vor dem damaligen Konzernhauptsitz in Herten auf und verschleppen ihn mit vorgehaltener Pistole in die Kanzlei Ollenburgs in der Graf-Adolf-Straße 45 in Düsseldorf, wenige Meter von der berühmten Königsallee entfernt.



17 Tage muss ihr Opfer in seinem Versteck ausharren: einem Hinterzimmer, abgeteilt durch einen Schrank und ein Tuch. Im Versteck darf er bloß Unterwäsche tragen, oft werden Albrecht die Augen verbunden und nur freigegeben, um Erpresserbriefe an die Familie zu schreiben. Nebenan läuft der Kanzleibetrieb wie gewohnt weiter. Als die Entführung schließlich öffentlich wird, drucken Zeitungen Sonderausgaben, sucht Eduard Zimmermann über „Aktenzeichen XY“ nach Hinweisen, rätselt die ganze Bundesrepublik über den Verbleib des Millionärs.

Sieben Millionen D-Mark fordern Ollenburg und Kron, eine Summe in der Höhe ist bis dato noch nie zuvor gefordert worden – weltweit. Und sie bekommen ihren Willen: Die Übergabe des Lösegelds am Abend des 16. Dezember funktioniert nach Plan. Theo Albrecht kommt frei.



Die Täter fliehen indes mit dem Geld. Zurück in Düsseldorf, bezahlt Kron in einem Elektrofachmarkt in seiner Nachbarschaft einen Fernseher mit 500-DM-Scheinen aus dem Lösegeld, das zuvor von Kriminalbeamten markiert worden war. Entscheidend ist aber, dass die Verkäuferin Krons Stimme erkennt, als sie wenig später die im Rundfunk ausgespielten Telefonate zwischen Kriminalbeamten und Entführern hört, von denen man sich Hinweise aus der Bevölkerung erhofft.

Wenig später, am 20. Dezember, wird Kron gefasst. Auch Ollenburg wird noch vor Silvester festgenommen. Beide erhalten eine Freiheitsstrafe von je achteinhalb Jahren. Und das Lösegeld? Ollenburg und Kron beschuldigen sich vor Gericht gegenseitig, geben jeweils an, von dem Verbleib nichts zu wissen. Mehr als die Hälfte bleibt verschwunden. Bis heute. 1979 klagte Theo Albrecht vor dem Finanzgericht Münster erfolglos darauf, die Lösegeldsumme als Betriebsausgabe abzusetzen. Die Richter erklärten die Entführung aber zur Privatsache. Lediglich das unauffindbare Lösegeld durfte als außergewöhnliche Belastung bei der Einkommensteuererklärung ausgewiesen werden.

Dieser Artikel erscheint in unserer Reihe WiWo History.

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