Warum kommen Marietta Slomka und Christian Sievers im Heute-Journal des ZDF ohne bunte Bilder im Hintergrund aus? Weil es auf das ankommt, was sie zu sagen haben.
Wie sieht es bei Ihnen aus?
Es gibt Vorträge, da geht es nicht ohne die eine oder andere Tabelle. Wie soll man in einer Präsentation das neue Dienstplanmodell durchsprechen ohne eine Liste auf der Leinwand? Auch bei der genauen Erläuterung des Zitronensäure-Zyklus geht nichts ohne ein Schaubild. Und wenn die Deutsche Bahn den neuen ICE vorstellt, dann gibt es unter anderem Bilder auf Folien. Doch ganz oft sind Texte und Schaubilder hinter Ihnen entbehrlich, wenn Sie vor Publikum sprechen. Trotzdem sind sie da. In diesen Fällen werden die Slides schlicht missbraucht:
- als Redemanuskript. Die Zuschauer lesen dann ab, was Sie sagen wollen. Damit sind Sie im besten Fall entbehrlich. Und das ist langweilig. Im schlimmsten Fall stören Sie. Wenn das Publikum denkt: Kann der oder die da vorne nicht mal kurz die Klappe halten? Wie soll man sonst die Folien durchlesen?
- als Beweis. Als würde nur als wahr gelten, was schriftlich fixiert ist. Das schwächt Ihre Autorität vor dem Publikum. Wenn das denkt: „Hä? Wo steht das, was ich gerade gehört habe?“
- als Handout. „Ich maile Ihnen im Anschluss die Folien gerne noch zu.“ Das heißt zu viel wie: Sie dürfen jetzt abschalten und aus dem Fenster gucken. Und Folien als Handout haben noch einen anderen schlimmen Nachteil: Sie müssen ohne Ihren Beitrag verständlich sein. Sonst machen Sie als Broschüre keinen Sinn. Doch das sollen Folien eben nicht sein: selbsterklärend. Sonst wird Ihr Vortrag langweilig.
Tun Sie all das nicht. Denn es ist erwiesen: Nichts überzeugt andere Menschen so sehr, wie wir, wenn wir mit Leidenschaft und Sachverstand zu ihnen reden. Mit uns höchst persönlich kann keine Folie mithalten. Das so zu behaupten, ist nicht divenhaft, es ist professionell. Wenn Sie also überzeugen wollen, dann lassen Sie sich nicht von Ihren Folien den Rang ablaufen, sondern stellen Sie sich mit Ihrer Botschaft in den Mittelpunkt.
Tipp 1. Heften Sie das Publikum an Ihre Lippen.
Schreiben Sie sich ein Redemanuskript, das nur Sie sehen. Und dann überlegen Sie: Was muss zum Gesagten wirklich noch gezeigt werden? Gönnen Sie sich so viel Selbstbewusstsein: Das meiste können Sie erzählen, ohne dass es eine einzige Folie dazu braucht.
Tipps für die perfekte Rede
Schon beim Betreten des Raumes oder auf dem Weg zum Rednerpult müssen Sie konzentriert sein und Ihre Sprechhaltung einnehmen. Denn die Zuhörer nehmen Sie schon wahr, bevor Sie die Bühne betreten.
Reden Sie nie ohne Plan. Auch wenn Sie sich im Thema blind auskennen – überlegen Sie sich ganz genau, wie Sie Ihren Zuhörern die Informationen vermitteln wollen.
Machen Sie sich Stichwörter auf Moderationskarten. Ein ausformulierter Text ist unübersichtlich und verführt zum monotonen Ablesen.
Verzichten Sie auf lange Handouts oder eine vollgestopfte PowerPoint-Präsentation – Folien oder Charts sollen den Vortrag unterstützen und ihn nicht überflüssig machen.
Was wollen Sie erreichen? Bauen Sie eine Beziehung zu ihrem Publikum auf und verzichten Sie auf Belehrungen von oben herab. Damit die Distanz zwischen Ihnen und Ihren Zuhörern nicht zu groß wird, sprechen Sie sie direkt an und beziehen Sie sie so in den Vortrag mit ein.
Ihre Gesten müssen das Gesagte unterstreichen und gezielt eingesetzt werden. Zu viel Bewegung kann vom Inhalt ablenken und wirkt hektisch. Symmetrische Gesten und eine geschlossene Körperhaltung, zum Beispiel verschränkte Arme, kommen beim Zuhörer nicht gut an.
„Meiner Meinung nach“, „Am Ende des Tages“, „äh“ oder „übrigens“ sind Floskeln, die Sie nicht brauchen und den Zuhörer nerven. Überlegen Sie, was Sie stattdessen sagen können, damit Sie diese Lückenfüller nicht brauchen.
Wählen Sie Ihre Formulierungen so, dass Sie deren Inhalt glaubwürdig vertreten können. Neutrale Ausdrücke können dabei helfen, falls eigenes Empfinden und Firmenpolitik auseinander fallen.
Sich über Nervosität zu ärgern oder sie verdrängen zu wollen, macht es meist noch schlimmer. Nehmen Sie ihre Nervosität hin. Häufig erhöht sie sogar die Konzentration.
Wann Folien?
Folien dienen nicht dazu, Ihre Botschaften zu legitimieren. Sondern dazu, Ihre Botschaften zu verstärken.
Wenn Sie sagen: „Unser Umsatz ist dieses Jahr um 10 Prozent gestiegen“, dann stimmt das, weil Sie es sagen. Nicht, weil es auf der Folie steht. Eine gute Folie kündigt entweder eine fette 10 an, damit sich alle fragen: Was soll diese 10 heißen? Und dann kommen Sie und lösen das Rätsel auf. Oder die Folie mit der 10 erscheint in der Sekunde, in der Sie „10 Prozent“ sagen. Wenn Ton und Bild zusammenfließen. Das geht runter wie warme Honigmilch.
Alle Folien, die nur schriftlich belegen, was Sie sagen, können auf den Prüfstand. Und im Zweifel weg. Die nächste Frage lautet: Welche Folien können durch andere Medien ersetzt werden?
Tipp 2: Ersetzen Sie Folien durch eine Flipchart
Das Schöne an der Flipchart ist: Während Sie reden, entwickeln sich die Botschaften auf dem Papier. Weil Sie höchstpersönlich sie entstehen lassen. Statt auf einer Folie eine aufsteigende Kurve zu zeigen, zeichnen Sie sie schnell neben sich. Der Schwung Ihrer Hand wird mit dem Stift verewigt. Meist kommt es ja nur auf die grobe Richtung der Kurve an. Und nicht auf millimetergenaue Einträge auf der Skala.
Gleiches gilt für atmosphärische Darstellungen. Wenn Sie dem Publikum Glück wünschen und dafür ein vierblättriges Kleeblatt einblenden, dann ist es oft kitschig, aber zumindest abgedroschen. Wenn Sie allerdings selber eins mit grünem Stift zeichnen, freuen sich die Leute, wenn Sie es gut hinbekommen. Und wenn nicht, ist der Lacher trotzdem auf Ihrer Seite.
Also: Ihre Werke auf der Flipchart sind viel mehr Sie. Die Flipchart folgt immer Ihnen (und nicht umgekehrt wie oft im Zusammenspiel Folie-Mensch). Und die Dynamik im Entstehungsprozess erzeugt Spannung. Probieren Sie es mal aus.
Was eine intakte Unternehmenskultur ausmacht
Wer zukunftsfähig bleiben will, muss sich an den Impulsen orientieren, die seine Kunden vorgeben.
Nur wer hinter den Produkten und Leistungen seines Unternehmens steht, trägt zu dessen Weiterentwicklung bei.
Wer von seinen Mitarbeitern Orientierung an vorgegebenen Werten erwartet, muss diese verbindlich kommunizieren.
Damit die Kultur das ganze Unternehmen durchdringt, müssen Führungskräfte diese Werte glaubhaft vorleben.
Tipp 3: Beginnen Sie mit einem Präsi-Hybriden
Trauen Sie sich. Und starten Sie mit einem „gemischten Auftritt“ - ein paar Folien streichen, ein paar durch Flipchart-Illustrationen ersetzen, ein paar einfach mal so lassen. Und dann fragen Sie anschließend diejenigen, auf deren Feedback Sie vertrauen: „Wie fanden Sie die Mischung? Hat Ihnen etwas gefehlt?“ Ich kenne ausschließlich Fälle, in denen das Publikum dankbar war für die mitreißenden Neuerungen.
Tipp 4: Verzichten Sie auf das berühmte Bildschirmteilen
Seit Corona heißt es dank Online-Meetings: „Moment, ich teile mal den Bildschirm“. Und BÄNG, sind Sie als Redner oder Rednerin zur Miniatur Ihrer selbst geschrumpft. Obwohl doch Sie die ganze Überzeugungskraft in sich tragen.
Natürlich könnte das Publikum je nach Videokonferenz-Programm die Ansicht anpassen und Sie vergrößern. Aber wer macht das schon? Plötzlich springt Ihren Zuschauern also die Folie ins Gesicht.
Aus der Perspektive der Software-Giganten ist das nur konsequent. Wer wie Microsoft das Videomeeting-Portal stellt (Teams) UND noch eines der beliebtesten Präsentationsprogramme der Welt (Powerpoint), wäre ja irre, wenn er mithilfe der einen Anwendung nicht die andere nach vorne drängen würde. So dass der Eindruck entsteht: Ohne gut gefüllte Folien wirkt alles sehr spärlich. Ihnen und Ihrem Publikum allerdings schadet das.
Außerdem sind Sie je nach Konfiguration der Videomeeting-Anwendung halb blind. Denn Sie sehen die anderen Konferenzteilnehmer nicht mehr. Reaktionen wie zustimmendes Nicken, erstaunt erhobene Augenbrauen, skeptisch gerümpfte Nasen und vergnügtes Lachen bekommen Sie nicht mehr mit. Das verunsichert viele und macht sie zu artigen Info-Lieferanten, die sich etwa Pointen nicht mehr zutrauen, weil das vielfache Lächeln als Bestätigung fehlt.
Für Ihre Überzeugungskraft ist all das Gift. Zumindest fast immer und nur dann nicht, wenn Sie dazu da sind, Folieninhalte vorzulesen (was die Leute allerdings auch selber am Schreibtisch erledigen könnten). Wenn Sie als Redner oder Rednerin von Ihren Botschaften überzeugen wollen, dann halten Sie sich damit zurück, den Bildschirm zu teilen. Sie können auch vor der Kamera stehen und hinter sich einen Bildschirm mit Folien haben. Natürlich dürfen die Informationen darauf erstrecht nicht allzu kompliziert sein. Aber das kommt uns ja entgegen. Auch eine Flipchart hinter Ihnen funktioniert vor der Kamera. Vergewissern Sie sich nur, dass nicht die meisten vom kleinen Handy aus zugucken, wenn es kleinteiliger werden soll. Und dann gibt es noch etwas:
Tipp 5: Bereiten Sie Symbolkarten vor
Social-Media-Videos machen es vor, das Fernsehen zieht derzeit nach und Sie können das auch: Zeigen Sie Infos VOR Ihrem Körper. Auch hier gilt: Mit elektronischen Tricks locken Sie keinen mehr hinter dem Ofen hervor. Sie können komprimierte Infos genauso gut auch selber mit einem Stift auf DIN-A5-großen Karten darstellen.
In unserem Beispiel mit der 10-prozentigen Umsatzsteigerung schreiben Sie also mit einem dicken Filzstift eine fette 10 kartenausfüllend auf das Papier und wenn Sie dann sagen: „Unser Umsatz ist um 10 Prozent gestiegen“, dann halten Sie sich, in der Sekunde, in der Sie „10“ sagen, die Karte vor die Brust oder neben das Ohr. Üben Sie das vorab. Wenn Sie das nicht inflationieren, ist das ein Effekt, der die Info regelrecht auf die Netzhaut des Publikums eintätowiert. Die 10 sehen die Leute noch abends, wenn sie im Bett das Licht ausmachen.
Auch vorbereitete Pfeile, die Sie je nach Bedarf nach oben oder unten deutend ins Bild halten, ein Blitz-Symbol für Knackpunkte und durchnummerierte Karten von 1 bis 5 für die Top 5 Ihrer Botschaften können Sie für eine oder zwei Sekunden reinhalten, um Ihren Vortrag zu strukturieren und auf einzelne Punkte zurückkommen zu können.
Es wirkt verspielt - und seien wir ehrlich: Genau das macht Spaß. Und mit Spaß im Bauch hören Ihnen die Leute zu.
Also:
- Lenken Sie die Aufmerksamkeit von den Folien weg und hin zu sich selber.
- Lassen Sie Folien weg und ersetzen Sie ein paar oder sogar alle gegen die Flipchart.
- Tasten Sie sich vor, wenn es Ihnen ungewohnt vorkommt und probieren Sie es mit einem Präsi-Hybriden.
- Vermeiden Sie es, den Bildschirm zu teilen.
- Bereiten Sie unterhaltsame und einprägsame Kärtchen vor, die Sie dann vor sich halten.
Und überraschen Sie Ihre Leute mit einem Vortrag, der aus dem Rahmen fällt. Damit es irgendwann heißt: „Wenn du präsentierst, macht es immer so einen Spaß.“
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