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Olaf Scholz bei seiner Rede im Bundestag. Quelle: imago images

„Klempner der Macht“: 5 Kniffe, die Sie rhetorisch besser machen als den Kanzler

Kein „Doppelwumms“, keine „Zeitenwende“. Die Regierungserklärung am Dienstag war fast komplett wortwörtlich vom Manuskript abgelesen. Olaf Scholz könnte es sicher besser. Und auch Sie müssen dafür keine Rampensau sein. Ein paar Tipps.

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Wird die Rede des Kanzlers in die Geschichtsbücher eingehen? Nein. Wird sie im Gedächtnis bleiben? Nein. Der Spiegel schreibt vom sprachlosen Kanzler. Die WirtschaftsWoche von einer „Nichtregierungserklärung“. Der Oppositionsführer Friedrich Merz bezeichnet Scholz als „Klempner der Macht“. Ich würde sagen: Der Kanzler bleibt schon rein rhetorisch unter seinen Möglichkeiten.

Und auch, wenn Sie nicht mit jedem Ihrer Auftritte gleich im Geschichtsbuch verewigt werden wollen – dass etwas hängen bleibt, streben Sie sicher schon an. Also machen Sie es besser.

Was sollte diese Regierungserklärung des Bundeskanzlers? Diese Frage zu stellen, ist keine getarnte Kritik, sondern die dringend nötige Vorarbeit für brillante Rhetorik. Diese Frage sollten sich ein Kanzler und auch Sie vor jedem Auftritt stellen. Wenn er und Sie maximal überzeugen wollen.

Worum es dem Kanzler inhaltlich ging, hat er sofort auf den Punkt gebracht:

Meine Damen und Herren, ich möchte hier im Deutschen Bundestag heute erklären, wie die Regierung mit den Folgen des jüngsten Urteils des Bundesverfassungsgerichts umgeht. (Scholz)

Wenn Sie das hören oder hier lesen: Sind Sie jetzt Feuer und Flamme?

Wenn nein, unterstelle ich einen Grund: Der Kanzler und seine Redenschreiber hatten sich vorab nicht festgelegt, an wen er sich mit seiner Rede wendet. An den Bundestag oder an die Menschen im Land? Es scheint mir, dass Scholz vor seinem geistigen Auge kein Publikum aus Busfahrern, Journalisten, Ärztinnen, Eventmanagern und Gärtnerinnen hatte, sondern seine Politikmitstreiter im Plenum.

Machen Sie es besser #1: Denken Sie an das richtige Publikum

Bei Podiumsdiskussionen, Radio- und Zeitungsinterviews und auch sonst immer dann, wenn sich direkter Ansprechpartner und Publikum unterscheiden: Denken Sie an die, die Sie wirklich überzeugen wollen.

Kommt es etwa auf dem Podium zum Wortgefecht: Machen Sie sich klar, es kommt nicht nur darauf an, ob Sie Ihrem Gesprächspartner standhalten, sondern auch, ob das Publikum noch folgen kann, Sie sympathisch findet und Ihnen deswegen gerne zustimmt. Ein cleverer Seitenhieb Ihrerseits, der geeignet ist, Ihr Gegenüber ins Schwimmen zu bringen, vom Publikum jedoch als zu fies empfunden wird, ist dann doch nicht so clever.



Des Kanzlers Rede schien mir heute nicht geeignet zu sein, die Bevölkerung voller Tatendrang und zuversichtlich in die Zukunft blicken zu lassen. Formulierungen wie mit dem Urteil umgehen klingen eher nach reagieren, verwalten, abhandeln. Und nicht so, als würde jemand vor guten Ideen fast platzen. Wenn Sie wissen, dass sich die Menschen nach Lösungen und einem Durchstarten mit klarem Ziel vor Augen sehnen, warum dann nicht etwas wie:

Meine Damen und Herren, das Bundesverfassungsgericht hat uns gesagt: Wir können übrig gebliebene Gelder aus Krise 1 nicht so einfach für Krise 2 und 3 verwenden. Und ich als Ihr Bundeskanzler sage Ihnen heute hier im Deutschen Bundestag im Namen der Bundesregierung: Wir haben verstanden, wir kriegen es besser hin. Und alle dürfen sich sicher sein: Zugesagte Investitionen sind fix. Egal, welchen Quatsch man auf Tiktok dazu findet. Lassen Sie mich erklären, was wir vorhaben. Das wird gut.

Der Bundeskanzler sagt dann noch zum Urteil:

Vieles im Umgang mit der Schuldenbremse war bislang rechtlich eben nicht eindeutig geklärt. In dieser Lage haben wir vor zwei Jahren haushaltspolitische Einschätzungen vorgenommen, die vom Verfassungsgericht nun rechtlich verworfen worden sind. (Scholz)

Bei solchen Formulierungen müssen selbst Experten eine Runde extra nachdenken: Was konkret meint er damit? Selbst zwei, drei Sekunden sind schon zu viel. Wenn Sie überzeugen wollen, dann ersparen Sie Ihren Zuhörern lange Überlegungen zum Sinn Ihrer Worte.

Lesen Sie auch: Fiese Wut-Rhetorik – Tappen Sie nicht in die Friedrich-Merz-Falle

Machen Sie es besser #2: Verwöhnen Sie selbst Fachleute mit eingängiger Sprache

Auch eine Halsnasenohrenärztin erfasst „Nasennebenhöhlenentzündung“ trotz des Kettenwortes schneller als die fremde „Sinusitis“. Es ist erwiesen: Bereits in der Kindheit erlernte, vor allem bildhafte Worte, verdauen wir schneller, als die im Erwachsenenalter antrainierten Fachausdrücke.
Der Bundeskanzler hätte doch auch sagen können:

Seit Jahren war mehreren Bundesregierungen nicht ganz klar: Was dürfen wir denn jetzt alles machen, ohne dass dies gegen die Schuldenbremse verstößt? Als wir vor zwei Jahren festgezurrt haben, was wir alles wofür ausgeben wollen, da sind wir davon ausgegangen, dass wir richtig liegen. Das Verfassungsgericht hat nun gesagt: Nein, ihr liegt nicht richtig. Also reagieren wir sofort und souverän.

Die Regierungserklärung wirkt nicht nur abgehoben, die Aussagen sind auch schwer greifbar, weil so abstrakt formuliert. Zitat:

Es gibt keinen Zweifel daran: Dieser Eroberungskrieg auf europäischem Boden schafft auf Jahre hinaus eine vollkommen veränderte sicherheitspolitische Lage – für Deutschland und für ganz Europa. (Scholz)

Ja, wie denn? Man lechzt förmlich nach Bildern.

Inhalt
  • „Klempner der Macht“: 5 Kniffe, die Sie rhetorisch besser machen als den Kanzler
  • Die Zuhörer im Blick
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