Dass die Niederlande ein beliebter Studienort sind, musste Fee-Marie Brelie schon erfahren, bevor es überhaupt richtig losging. Mehr als dreißig Anfragen für Wohnungen hatte die Deutsche im Sommer 2018 via Facebook verschickt. Ohne Erfolg. Doch dann endlich kurz vor Semesterstart: Eine Rückmeldung. Sieben Stunden Zugfahrt nach Maastricht und eine Wohnungsbesichtigung später hat es tatsächlich geklappt: „Ich war die Glückliche“.
Erfahrungen mit knappem Wohnraum, wie diese, haben den niederländischen Bildungsminister Robbert Dijkgraaf dazu veranlasst, den Zustrom ausländischer Studenten zu bremsen, der in den vergangenen Jahren stark zugenommen hat. Während 2005 noch knapp 30.000 aus dem Ausland kamen, sind es aktuell rund 115.000. Allein 25.000 davon stammen wie von der Brelie aus Deutschland.
Die Situation am Wohnungsmarkt ist deshalb schon länger angespannt. In den beliebten Städten Amsterdam und Groningen – aber auch in Maastricht – mussten Studierende in den letzten Jahren häufig auf Campingplätzen übernachten. Und auch die Niederländer selbst haben Probleme, in den Studentenstädten eine Wohnung zu finden.
Dijkgraaf kündigte deshalb vor gut einem Monat an, dass Unis ab 2025 Bachelorprogramme nur dann auf Englisch anbieten dürfen, wenn sie das gut begründen können. Für Studierende anderer Fächer könnten das in Zukunft bedeuten, dass sie vor Studienbeginn Niederländisch lernen müssen.
Universitäten stellen sich gegen den Bildungsminister
Ob die Einschränkungen tatsächlich kommen, ist aktuell mehr als ungewiss. Am Freitagabend platzte die niederländische Regierung. Der niederländische Ministerpräsident Mark Rutte gab seinen Rückzug aus der Politik und die Auflösung der Koalition bekannt. Im Herbst soll es Neuwahlen geben. Das Vier-Parteien-Bündnis konnte sich nicht einigen, wie es mit dem Thema Migration umgehen will, zu dem auch der Zuzug von Studierenden gehört.
Allerdings bleibt die Wohnungsnot in den Niederlanden und die Frage, wie man mit Studierenden aus dem Ausland umgeht, auch mit der neuen Regierung. Nimmt man die Aussagen des aktuellen Bildungsministeriums ernst, sollen die Anforderungen für diejenigen gelten, die ab 2025 ein Studium beginnen. In den nächsten beiden Hochschuljahren können sich junge Menschen also ohnehin noch trotz Sprachbarriere problemlos einschreiben. Erasmus-Studierende, die nur für ein Semester bleiben wollen, sind von den Plänen nicht betroffen.
Also besser doch nicht zum Studium in die Niederlande? „Es gibt weiter Möglichkeiten“, sagt Stephan Geifes, Direktor der Nationalen Agentur für EU-Hochschulzusammenarbeit im Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD), „die Universitäten können nach wie vor begründen, warum es notwendig ist, Studiengänge in Englisch anzubieten.“
In vielen Fällen falle das den Unis leicht. International Management etwa sei ein Studiengang, bei welchem es die Logik gebietet, in englischer Sprache zu lehren. Genauso hätten die Unis weiterhin die Option, englischsprachige Studiengänge darüber zu begründen, dass es auf dem Arbeitsmarkt eine Nachfrage nach einer internationalen Ausrichtung gebe, sagt Geifes. Wer also überlegt, in den Niederlanden zu studieren, sollte vorher klären, ob die geplanten Beschränkungen für den gewünschten Studiengang zutreffen könnten.
Viele Universitäten mobilisieren sich gegen die Aussagen des Ministers. Sie machen sich für eine internationale Ausrichtung stark. Die Universität Groningen schreibt auf ihrer Website, sie sei „zutiefst beunruhigt über die Äußerungen von Minister Dijkgraaf“. Das Konzept des internationalen Klassenzimmers habe wesentlich dazu beigetragen, dass Groningen heute in vielen Bereichen führend sei. Viele andere Hochschulen äußerten sich ähnlich.
Niederländisch ist leicht zu lernen
Und selbst wenn Niederländisch Pflicht wird: Stephan Geifes vom DAAD meint, zwei Fremdsprachen zu sprechen, sei immer eine Bereicherung – persönlich und gesellschaftlich. Darauf habe auch Emmanuel Macron hingewiesen, als er 2017 an der Pariser Sorbonne-Universität seine Initiative für Europa vorgestellt hat. Im Fall des westlichen Nachbarn seien die Hürden gar nicht so hoch: Niederländisch stammt aus derselben Sprachfamilie wie Deutsch. Die Sprache sei relativ leicht zu lernen.
Auch von der Brelie ist der Meinung: Die Landessprache helfe, um sich schneller zu integrieren. Auch wenn ihr damaliges ich es nicht wissen wollte. „Ich bereue das jetzt total, dass ich kein Niederländisch spreche.“ Doch auch ohne die zweite Fremdsprache, hat die 24-Jährige heute nicht nur ihren Bachelor, sondern auch zwei Master von der Universität Leiden in der Tasche. „Ich habe hier eine Heimat gefunden“, sagt sie.
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