Bezahlte Elternzeit bei Cisco „Es gibt nie den richtigen Zeitpunkt, einen Mitarbeiter 13 Wochen nicht dazuhaben“

Katrin Hartmann ist seit zweieinhalb Jahren Personalchefin von Cisco in Deutschland. Quelle: PR

Vor kurzem hat SAP sechs Wochen bezahlten Vaterschaftsurlaub eingeführt. Cisco hat mit diesem Modell jahrelange Erfahrung. Katrin Hartmann, Personalchefin in Deutschland, erklärt, was sie daraus gelernt haben – und was die Führungskräfte tun, wenn alle auf einmal weg sind.

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WirtschaftsWoche: Frau Hartmann, SAP hat verkündet, Vätern und Partnerinnen von Frauen, die gerade ein Kind bekommen haben, sechs Wochen Sonderurlaub zu geben. Sie machen das schon seit einiger Zeit. Warum?
Katrin Hartmann: Wir haben vor acht Jahren angefangen, die Bedürfnisse unserer Mitarbeiter ganzheitlich zu betrachten. Also nicht nur im beruflichen Kontext, sondern auch im privaten. Und dazu gehört eben auch der Familienzuwachs. Cisco hat den Väterurlaub am allerlängsten. SAP zieht jetzt nach. Ich kann nur alle beglückwünschen, die das tun.

Was bieten Sie konkret?
Die Person, die sich hauptsächlich ums Kind kümmert, meistens die Mutter, bekommt von uns 13 Wochen lang das normale Entgelt. Für die unterstützende Person, meistens der Vater, sind es vier Wochen voll bezahlter Sonderurlaub.

Sind solche Angebote auch ein Versuch, sich im Kampf um Fachkräfte von der Konkurrenz abzusetzen?
Speziell in Amerika haben wir damit nicht unbedingt ein Alleinstellungsmerkmal. Dort sind solche Angebote normaler, weil Eltern lange Zeit gesetzlich kaum Elternzeit bekommen haben. In dieser Hinsicht haben sich die amerikanischen Unternehmen etwas von unseren deutschen familienpolitischen Gesetzen abgeguckt. Es geht darum, dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken, aber auch Mitarbeiter zu halten. Gerade beim ersten Kind brauche ich mehr Flexibilität. Acht Wochen Mutterschutz nach der Geburt sind schnell vorüber.

Zur Person

Wie beantragen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die Auszeit?
Sobald die Geburtsurkunde vorliegt, reichen sie diese ein und besprechen mit dem Vorgesetzten den gewünschten Zeitraum. Alles per Mail und unabhängig davon, wie der Familienzuwachs entsteht. Das gilt also auch für gleichgeschlechtliche Paare und Adoptionen. Im besten Fall weiß der Chef natürlich vorher schon grob Bescheid, wie lange jemand weg ist.

Wie viele haben das Programm genutzt?
Seit dem Start alle, die Eltern geworden sind.

Das ist ein großer finanzieller Anreiz.
Ja, aber auch ein psychologischer. Niemand soll denken: Ich bin schwanger, ich falle aus – das ist ein Karrierebruch. Sie sollen da weitermachen können, wo sie vorher aufgehört haben.

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von Felicitas Wilke

Ist es nicht de facto manchmal schwierig, solche Ausfälle im Team zu kompensieren?
Natürlich gibt es immer wieder mal Probleme – es gibt nie den richtigen Zeitpunkt, einen Mitarbeiter oder eine Mitarbeiterin 13 Wochen nicht dazuhaben. Wenn viele im Urlaub sind und das Baby mitten in der heißen Phase eines Projekts 14 Tage zu früh kommt, müssen die Führungskräfte besonders spontan und flexibel sein.

Nicht jeder Mensch möchte Kinder. Jeder hat andere Wünsche, Ansprüche – und Probleme.
Klar, erst kürzlich hatten wir den Worst Case: Ein Mitarbeiter machte ein Jahr eine Weltumseglung, zwei Kollegen waren langzeitkrank und einer bekam ein Baby. Das ist heftig. In solchen Fällen holen wir dann zusätzliche Leute. Innerhalb der Organisation ist das etwas einfacher zu händeln, extern im Kundenkontakt schwieriger. Die erwarten, dass immer jemand verfügbar ist.

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SAP hat seine Initiative öffentlichkeitswirksam verbreitet und gesagt, damit auch das lahmende Gesetzesvorhaben des Familienministeriums anschubsen zu wollen. Müssen Unternehmen mehr Druck auf die Politik ausüben?
Unbedingt. Ich sitze in verschiedenen Gremien wie im Digitalverband Bitkom, wo wir uns fragen: Was kann eine Firma tun, wie laut muss ein Unternehmen werden? Vielleicht haben schon ganz viele Firmen solche Programme, wir wissen es aber nicht. Deswegen sage ich: Wir müssen es tun, aber auch drüber reden und Richtung Berlin tragen.

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