Leben mit Aktien Hellofresh, Delivery Hero und Just Eat: Günstig genug

Quelle: imago images

Die Aktien der Lieferdienste sind tief gefallen. Besonders Hellofresh ist bei Anlegern so beliebt wie welker Salat. Die niedrigen Bewertungen lassen nun Luft nach oben.

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Die These ist steil: Die Aktie von Hellofresh ist günstig genug. Das Gleiche gilt für Delivery Hero und Just Eat Takeaway. Die Wertverluste sind so weit fortgeschritten, dass jede Wachstumsfantasie raus ist. Die Aktie des Kochboxenspezialisten Hellofresh ist im Vergleich zum Allzeithoch über 90 Prozent gefallen, die Aktien der Lieferdienste Delivery Hero und Just Eat Takeaway über 80 Prozent.

Das führt zu optisch absurd billigen Bewertungen, die aber auch mit Blick auf die operativen Hürden der Unternehmen zumindest als fair eingestuft werden können. Ein Kurs-Gewinn-Verhältnis lässt sich nicht ermitteln, da die drei Unternehmen noch nicht oder kaum verlässlich profitabel sind. Mit Blick auf den Umsatz ergibt sich folgender Vergleich: Hellofresh landet aktuell bei einem Kurs-Umsatz-Verhältnis von 0,2. Das ist spottbillig. Delivery Hero kommt auf 0,8, Just Eat Takeaway auf 0,6,wWas ebenfalls sehr günstig ist. Der Dax – voll mit behäbigen Industrieunternehmen – steht bei knapp über eins.

Welker Salat

Natürlich kommen die Minibewertungen nicht von irgendwo. Gerade bei Hellofresh kam zuletzt regelrecht Krisenstimmung auf. Vergangene Woche hat sich der Wert der Aktie über Nacht halbiert. Der Grund waren düstere Aussichten. Hellofresh kappte seine Prognose für das laufende Jahr. Das Unternehmen rechnet mit einem erneuten Rückgang beim operativen Gewinn von 448 auf 350 bis 400 Millionen Euro. Der Umsatz soll währungsbereinigt nur noch um zwei bis acht Prozent wachsen. Analysten hatten im Schnitt mit sieben Prozent gerechnet.



Die Börse ist besorgt, ob sich Hellofresh jemals vom Tropf der riesigen Marketingausgaben lösen wird und wie das Unternehmen einen stabilen Kundenstamm aufbauen kann. Nur wenige abonnieren Kochboxen dauerhaft. Hellofresh fokussiert sich außerdem gerne auf fragwürdige Kennzahlen Stichwort „AEBITDA“, eine bereinigte Gewinnkennzahl, die nochmal bereinigt wird (das „A“ steht für „adjusted“). Dadurch wird schnell vergessen, dass das Unternehmen auch ganz unbereinigt bereits profitabel ist. Auf Seite 37 des am Freitag veröffentlichten Jahresberichts versteckt das Unternehmen seinen Nettogewinn von immerhin 37,6 Millionen Euro. Das laufende Geschäftsjahr dürfte das fünfte profitable in Folge werden. Ein Gedankenspiel: Käme das Unternehmen auf Gewinne wie 2020 und 2021, läge das Kurs-Gewinn-Verhältnis aktuell bei mickrigen vier.

Anders ausgedrückt: Es ist schon viel Pessimismus eingepreist. Dabei gibt es auch Hoffnungsschimmer. Der Absatz mit Fertiggerichten wächst rasant, zuletzt um fast 50 Prozent. Hellofresh ist mit seinen mächtigen Logistikkapazitäten wie gemacht dafür, führend in der Lieferung von Essen oder sogar Lebensmitteln allgemein zu werden. Im hart umkämpften US-Markt konnte es die Führung übernehmen. Ein weiterer Lichtblick für Aktionäre: Das Unternehmen ist so günstig, dass es sich als Übernahmeziel anbietet. Viele Großunternehmen könnten den Kauf selbst mit üppigem Aufpreis aus der Portokasse zahlen.

Diese Logik vertritt auch Investor Christian W. Röhl in der neuen Ausgabe des WirtschaftsWoche-Podcasts „Leben mit Aktien“. Im vergangenen Jahr sei der Hellofresh-Konkurrent Blue Apron für 103 Millionen Dollar verkauft worden, zu einem Kurs-Umsatz-Verhältnis von 0,3, erklärt Röhl. Das sei ein Aufpreis zur aktuellen Bewertung von Hellofresh, obwohl Blue Apron noch nie profitabel gewesen wäre.

Im Podcast spricht Horst von Buttlar mit Christian W. Röhl darüber, was er in den USA mit Robert Habeck erlebte – und wie die Telekom ein solides Wachstumsunternehmen wurde und nun Rückenwind aus Brüssel bekommt.
von Horst von Buttlar, Christian W. Röhl

Same, same but different

Bei Delivery Hero und Just Eat Takeaway ist die Situation ähnlich, und doch anders. Als reine Lieferdienste sind die beiden Unternehmen viel weniger kapitalintensiv. Die langfristige Nachfrage nach Essenslieferungen ist, anders als bei Kochboxen, unstrittig. Analysten erwarten deshalb auch besseres Umsatzwachstum als bei Hellofresh.



Bloß sind die Geschäfte bisher nicht profitabel und das bleibt wohl vorerst auch so. Trotz aller Bemühungen um hübsche bereinigte „Gewinne“: Netto haben beide Unternehmen in den letzten Jahren Milliardenverluste angehäuft. Nicht geholfen hat, dass das Umsatzwachstum mit Ende der Pandemie stark rückläufig war. Alle Zeichen stehen auf Wachstum im einstelligen Prozentbereich – der Graus eines jeden Technologie-Unternehmens.

Im Vergleich zu Hellofresh bleiben Anleger der zwei Lieferdienste gelassener. Die Aktie von Just Eat Takeaway konsolidiert auf niedrigem Niveau. Delivery Hero startet sogar regelrecht durch und ist seit Anfang Februar über 70 Prozent im Plus. Anlass war, dass Delivery Hero bekannt gab, näher an die Schwelle zur Profitabilität zu rücken. Für das laufende Jahr erwartet der Konzern deutlich bessere Gewinnspannen und einen positiven freien Cashflow. Gewinne werden vor Wachstum gestellt.

Dass die beiden Lieferdienste irgendwann noch ansehnlich profitabel werden, ist durchaus möglich, wenn sie die Preise erhöhen oder beim Marketing sparen können. Eingepreist ist es aktuell kaum. Eine weitere Konsolidierung der Branche könnte Rückenwind geben, und auch die beiden Lieferdienste sind mögliche Übernahmekandidaten.

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Anlegern muss jedoch klar sein: Die Aktien sind keine Selbstläufer. Die Risiken bleiben hoch. Hellofresh muss beweisen, dass entweder Kochboxen ein einträgliches Geschäftsmodell sind oder es Erfolg in angrenzenden Bereichen finden kann. Delivery Hero und Just Eat Takeaway brauchen nachhaltige Gewinne in der Bilanz. Wenn mittelfristig die Richtung nicht stimmt, ist mit den Aktien nicht viel zu holen, weitere Verluste keineswegs ausgeschlossen. Gelingt den Unternehmen die Kehrtwende, sind dank der tiefen Bewertungen hohe Gewinne möglich.

Mehr zum amerikanischen Wirtschaftsboom, der deutschen Aktienrente, den Vorzügen der Telekom-Aktie und der Situation bei HelloFresh hören Sie in der neuen Ausgabe unseres Podcasts „Leben mit Aktien“.

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