Wirecard-Prozess 80 Prozent Kursplus bei Wirecard: Wer sich hier die Finger verbrennt, hat es verdient

Die Aktie von Wirecard hat am Mittwoch stark zugelegt – wird aber wohl auf ewig ein Pennystock bleiben. Quelle: imago images

Die Aktie von Wirecard ist tatsächlich noch an der Börse gelistet. Nach der jüngsten Erklärung des flüchtigen Jan Marsalek explodierte der Kurs. Ist das noch Gier oder schon Idiotie? Ein Kommentar.

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Kaum zu glauben, aber es stimmt: Wirecard ist noch immer an der Börse gelistet. Gut drei Jahre nach Beginn des Insolvenzverfahren kann man die Aktie tatsächlich weiter handeln. Mittlerweile fristet sie ein klägliches Dasein als Micro-Pennystock – also als Wertpapier, das bei deutlich unter einem Euro notiert.

Umso absurder ist, was gerade bei der Aktie passiert: Allein am Mittwoch stieg der Wirecard-Kurs um über 80 Prozent und notierte zuletzt bei 0,0438 Euro. Nur einen Tag zuvor hatte sich der untergetauchte Jan Marsalek, einer der ehemaligen Vorstandsmitglieder von Wirecard, im Strafprozess rund um die milliardenschwere Pleite überraschend zu Wort gemeldet.

In dem Brief, über den die WirtschaftsWoche zuerst berichtet hatte, entlastet er den angeklagten Ex-CEO Markus Braun und gibt zu verstehen, dass das Drittpartnergeschäft von Wirecard sehr wohl existiert hätte – anders als die Staatsanwaltschaft behauptet. Die Position der Staatsanwälte wird durch die bisherigen Erkenntnisse des Insolvenzverwalters gestützt.

An diesem Prozesstag ging es heiß her. Der Grund: das Schreiben Jan Marsaleks an das Münchner Gericht. Außerdem sagte die Wirecard-Ex-Produktvorständin Susanne Steidl aus. Die Geschehnisse des Tages im Live-Blog.

Wirecard war mal die große Hoffnung Deutschlands, endlich mit einem schillernden Techunternehmen international aufzuwarten. Zur Hochzeit im Spätsommer 2018 lag die Aktie bei über 220 Euro. Das Unternehmen stieg sogar in den Dax auf, überholte die Deutsche Bank bei der Börsenbewertung und kegelte die Commerzbank aus der ersten Börsenliga. Dass der deutsche Fintech-Traum geplatzt ist, sollte aber jedem spätestens seit Sommer 2020 klar sein. Damals hatten die Wirtschaftsprüfer von EY festgestellt, dass 1,9 Milliarden Euro in der Bilanz fehlten.

Wirecard ist und bleibt uninvestierbar

Klar ist: Das Lebenszeichen von Marsalek bringt nochmals Bewegung in die Aufarbeitung des Milliardenskandals. Die Anwälte haben wieder etwas, um das sie sich zoffen können. Anlegern aber sollte das egal sein. Der Brief des flüchtigen Ex-Vorstands ändert nichts daran, dass Wirecard insolvent und uninvestierbar ist.

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Es bleibt zu hoffen, dass all jene, die jetzt Geld in die Wirecard-Aktie gesteckt haben, mit dem Zock nur auf schnelle Gewinne aus sind – und nicht ernsthaft an eine Rückkehr des einstigen Dax-Stars glauben. Brandgefährlich und letztlich dumm ist es trotzdem.

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Mit Geldanlage hat die Kursexplosion bei Wirecard jedenfalls nichts zu tun. Gegen diese Spekulation wirkt selbst ein gehebeltes Dogecoin-Investment beinahe konservativ. Wer sich hier die Finger verbrennt, hat es nicht anders verdient. Und zum Glück lässt sich die Aktie nur noch auf sehr wenigen Handelsplätzen kaufen.

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