Zschabers Börsenblick
Handwerker montieren auf dem Dach eines Wohnhauses Solarmodule. Quelle: dpa

Energiewende mit Korrekturen

Auch konventionelle Energieerzeuger bieten gute Chancen an der Börse. Doch sie müssen die Zeichen der Zeit erkannt haben. Eine Kolumne.

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Auch Wachstumsbranchen können an der Börse mal unter Druck kommen – temporär. Das sieht man derzeit gut an dem Verlauf vieler Aktien von Unternehmen aus dem Bereich Erneuerbare Energien. Trotz Auftragsboom gab es an der Börse in den zurückliegenden Wochen zum Teil kräftige Kursrückgänge. Insbesondere Konzerne, die sich der Photovoltaik, der Windkraft und dem Wasserstoff als Energieträger widmen, kamen auf dem Kurszettel teils deutlich unter die Räder. Dahinter steckt wahrscheinlich weniger eine wirkliche Krise, die die Branche an sich in Frage stellt, sondern vielmehr das unsichere Marktumfeld. Vor allem die hohen Zinsen haben zu einem Rückgang der Bautätigkeiten geführt – und das wiederum hat das eine oder andere Erneuerbare-Energien-Projekt in Frage gestellt. Das führte an der Börse zu Verunsicherungen, Anleger verkauften ihre Aktien, die zuvor kräftig gestiegen waren.

War der Verkauf übereilt? Dafür spricht unter anderem der Umstand, dass die Branche unter dem Strich trotz einiger gekürzter Ausgaben auf dem Bau immer noch stark wächst. Auch in diesem Jahr wird etwa die Solarbranche in Deutschland zweistellig zulegen. Allein im zurückliegenden Jahr wurden bundesweit rund 7,5 Gigawatt Photovoltaikleistung neu installiert. Ein Jahr zuvor waren es nur rund 5 GW. Im laufenden Jahr rechnet die Branche mit einem Zubau von mindestens 9 GW PV-Leistung.

Ein Trend, der weltweit festzustellen ist. So wird die Erzeugung Erneuerbarer Energien nach Einschätzung der Internationalen Energieagentur (IEA) in diesem Jahr so stark wachsen wie nie zuvor. Gründe sind die wachsende politische Unterstützung, steigende Preise für fossile Brennstoffe und die Sorge um die Energiesicherheit.

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Konventionelle Energieerzeuger nicht abschreiben

Mittelfristig sieht es also bei den Erneuerbaren-Energien-Aktien gut aus. Dennoch: Die Korrektur an der Börse führte auch dazu, dass wieder konventionelle Energieerzeuger in den Blickpunkt rückten. Die Versorger, wie sie allgemein genannt werden, gelten nämlich gerade in unsicheren Zeiten als stabiles Investment – getreu dem Motto, auch in schweren Zeiten brauchen Haushalte und Industrie nun mal Strom und Kraftstoffe. Und während die Aktien von Photovoltaik-, Windkraft- und Wasserstoffunternehmen korrigierten, konnten einige der klassischen Versorger ihren Aufwärtstrend fortsetzen oder zumindest ihr Kursniveau aus den Vormonaten verteidigen. Exxon Mobil zum Beispiel, einer der größten Ölkonzerne weltweit, legte von Anfang 2020 bis Anfang 2023 von rund 40 auf 120 Dollar je Aktie zu. Seitdem läuft das Papier seitwärts. First Solar hingegen, ein Vertreter der US-Photovoltaikindustrie, stieg von Anfang 2020 bis Mitte 2023 von etwa 50 auf über 220 Dollar, verlor seit dem aber wieder und notiert derzeit bei 160 Dollar.

Gut, unter dem Strich haben beide Papiere seit Anfang 2020 stark performt, aber gerade die Entwicklung in den zurückliegenden Wochen – die Korrektur bei den Erneuerbaren-Energien-Aktien und die Stabilität bei den klassischen Versorgern – zeigt auch: Schreiben Sie als Anleger die konventionelle Energiebranche nicht ab!

Ein Umdenken ist erforderlich

Aber, so könnte man nun einwenden, Öl-, Gas- und konventionelle Stromunternehmen, die etwa Energie aus Kohle gewinnen, schädigen die Umwelt und das Klima, sie gehören deswegen nicht in ein langfristig ausgerichtetes Portfolio. Dieser Einwand ist nicht falsch. Es ist in der Tat so, dass einige Energiekonzerne hier unter Druck kommen werden. Laut einer Untersuchung von Carbon Tracker, einem gemeinnützigen Verein, der die Auswirkungen des Klimawandels auf die Finanzmärkte untersucht, sind bei manchen Ölkonzernen bis zu 90 Prozent ihrer Projekte mit dem Ziel der Vereinten Nationen, die Klimaerwärmung auf maximal 1,6 Grad Celsius zu beschränken, unvereinbar.

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Das hört sich erst einmal sehr theoretisch an, kann an der Börse aber ganz handfeste Auswirkungen haben. Wird das Maximale-Klimaerwärmungsziel in den Portfolios von Fondsanbietern berücksichtigt – und das ist mehr und mehr der Fall – sind Investments in solche Unternehmen schlichtweg nicht mehr erlaubt. Ein Szenario, das von einigen klassischen Energiekonzernen scheinbar nicht ernst genommen wird. Vor allem einige US-Ölkonzerne setzen nach wie vor fast ausschließlich auf die Förderung von fossilen Brennstoffen. Das wird aber langfristig so nicht funktionieren.

Ein Umdenken ist hingegen bei vielen europäischen Energieversorgern festzustellen. Eni aus Italien etwa und die spanische Repsol werden hier häufig als gute Beispiele angeführt. Obwohl eigentlich traditionelle Versorger, die auch Öl- und Gasprojekte in ihren Portfolios haben, haben beide frühzeitig die Herausforderungen erkannt und auf Erneuerbare Energien gesetzt. Sie können heute rund die Hälfte ihrer Portfolios mit dem Ziel einer maximalen Klimaerwärmung von 1,6 Grad Celsius vereinbaren.

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Auch Wachstumsbranchen können an der Börse mal unter Druck kommen – das sind dann Nachkaufchancen. Das gilt für die Erneuerbaren-Energien-Unternehmen, das gilt aber auch für die klassischen Energieversorger, die die Zeichen der Zeit erkannt haben und umsetzen. Mittelfristig bieten sie weiteres Potenzial, das etwa mit einem ETF auf den STOXX Europe 600 Oil & Gas ausgeschöpft werden kann.

Bitte beachten Sie den Haftungsausschluss.

Lesen Sie auch aus unserer Serie Tracking der Energiewende: Die Lösung für das Energiespeicherproblem steht längst in ihrer Garage

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