Kryptobörse Der Fall des Krypto-Königs: Binance-Gründer muss ins Gefängnis

Mit der weltgrößten Kryptobörse Binance schuf Changpeng Zhao die wichtigste Anlaufstelle für Bitcoin-Anleger Quelle: imago images

Mit Binance schuf Changpeng Zhao die größte Kryptobörse der Welt. Nach seinem Rücktritt vom Chefposten wurde „CZ“ nun zu vier Monaten Haft verurteilt. Für Binance ist das ein schwerer Schlag.

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Die neuesten Pläne von Changpeng Zhao klingen ein wenig wie die der Elternvertretung an einer Grundschule im Berliner Stadtteil Prenzlauer Berg. Vor wenigen Wochen startete er sein Projekt „Giggle Academy“, eine kostenfreie Bildungsplattform für Kinder und Jugendliche. Ein paar Weggefährten hat Zhao bereits gefunden, weitere Mitarbeiter sollen noch folgen. „Das ist das Wichtigste, was ich für den nächsten Abschnitt meines Lebens tun kann“, jubelt Zhao in feinster Purpose-Manier. Bloß: Der Plan kann nur aufgehen, wenn er einen Laptop mit in seine Gefängniszelle nehmen darf.

Am Dienstag hat ein Gericht in Seattle Zhao zu einer Haftstrafe von vier Monaten verurteilt. Der Richter blieb deutlich unter dem Antrag der Anklage, die drei Jahre Gefängnis gefordert hatte. Bevor Zhao seinen digitalen Altruismus entdeckte, schuf er mit der Kryptobörse Binance die weltweit größte Anlaufstelle für den Handel mit Bitcoin und Co. Eigenen Angaben zufolge zählt die Plattform weltweit 120 Millionen Kunden.

Eine Marktgröße, die doch eigentlich zu besonderer Sorgfalt und Compliance verpflichten sollte. Doch unter Zhaos Führung war Binance bei den US-Aufsehern in Verdacht geraten, gegen Geldwäschegesetze zu verstoßen und Sanktionen gegen Russland und den Iran zu umgehen. So soll Binance Krypto-Transaktionen an Terrororganisationen wie die Hamas oder Al-Kaida zugelassen haben.

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Mit Zhao büßt nun ein zweites Schwergewicht der Kryptobranche eine Haftstrafe ab. Im März war Sam Bankman-Fried, der Gründer der einst drittgrößten Kryptobörse FTX, wegen Betrugs zu 25 Jahren Gefängnis verurteilt worden. Gut eineinhalb Jahre zuvor war FTX kollabiert, nachdem milliardenschwere Löcher in den Bilanzen aufgeflogen waren.

Schon im vergangenen November hatte ein Gericht Zhao – in der Branche nur „CZ“ genannt – für schuldig erklärt. Seit einer Kautionszahlung in Höhe von 175 Millionen Dollar wartete er bis zum Dienstag auf die Verkündung des Strafmaßes. Fest stand damals nur: Neben einer Strafe in Höhe von 50 Millionen Dollar aus eigener Tasche musste er vom Binance-Chefposten zurücktreten. Drei Jahre lang darf er keinen Managementposten bei der Kryptobörse übernehmen. Auch für Binance als Unternehmen war das Fehlverhalten mit hohen Kosten verbunden: Die Richter verhängten eine Rekordstrafe in Höhe von 4,3 Milliarden Dollar.

Wie viel CZ steckt in der Binance-DNA?

Die Verurteilung CZs ist für Binance eine Zäsur. Über Jahre war er das Gesicht des Unternehmens. Mit fast neun Millionen Followern beim Kurznachrichtendienst X war er das Sprachrohr von Binance und ein gewichtiger Fürsprecher für Kryptowährungen wie den Bitcoin. So ziemlich jede Entscheidung in dem obskuren Unternehmen, dessen Firmensitz noch immer unklar ist, lief laut Insidern über CZs Schreibtisch. CZ war Binance, und Binance war CZ. Wer sich heute unter Mitarbeitern umhört, erfährt, dass er sich wohl wirklich aus dem operativen Geschäft zurückgezogen habe. "CZ ist aus dem Alltag bei Binance verschwunden. Er mischt sich nirgends mehr ein“, so ein hochrangiger Manager.

Die Frage ist nur: Stimmt das? Und selbst wenn: Steckt CZ und sein Führungsstil nicht trotzdem in Binance und seiner Kultur? Unter ihm ist Binance zum Marktführer avanciert, obwohl (oder gerade weil) manche Geschäftspraktik schon immer Fragen aufwarf. Oder wie es US-Justizminister Merrick Garland mal formulierte: Binance hat es aufgrund von Gesetzesverstößen zum weltgrößten Handelsplatz für Kryptowährungen geschafft. 

Der Bitcoin-ETF im Detail

Auch die US-Börsenaufsicht SEC erhebt schwere Vorwürfe gegen Binance. In 13 Klagen warf sie dem Unternehmen und Zhao persönlich im vergangenen Sommer vor, in einem „umfangreichen Netz aus Täuschungen, Interessenkonflikten, mangelnder Offenlegung und kalkulierter Umgehung des Gesetzes verwickelt“ zu sein. Binance soll Umsätze manipuliert und bewusst Wertpapiergesetze umgangen haben. Die Kryptobörse weist die Vorwürfe zurück.

Noch vor fünf Jahren brüstete man sich mit der Abstinenz von Regelkonformität: „Wir operieren als fucking unlizenzierte Wertpapierbörse“, tönte damals der Manager, der qua Amtstitel die Compliance leitete. Zu dem schlechten Image von Binance passte auch die fragwürdige Vergütungspolitik. Die Kryptobörse bezahlt ihre Mitarbeiter zum Teil mit der Digitalwährung BNB – einem Coin, den das Unternehmen quasi aus dem Nichts selbst erschaffen kann. „Binance zahlt mit einer Fantasiewährung“, schilderte ein Ex-Mitarbeiter mal seine Erfahrung mit der Kryptobörse.

Das Problem: In den Anfangsjahren von Kryptowährungen waren zweifelhafte Geschäftspraktiken für die Nutzerklientel vielleicht noch in Ordnung. Nun aber ziehen Digitalwährungen allmählich in den Mainstream der Geldanlage ein. Im Kryptosektor endet die Ära des Wilden Westens. Auch Binance hatte sich zuletzt um Lizenzen vor allem in europäischen Ländern bemüht, um hier um Kunden werben zu dürfen.

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„Dann ist die BaFin 'ne Pommesbude“

Mit wenig Erfolg: Offiziell hat Binance einen entsprechenden Antrag bei der deutschen Finanzaufsicht BaFin zurückgezogen. Wenn es nach Brancheninsidern geht, hätte die Behörde den ohnehin nicht durchgewunken. „Wenn die BaFin Binance eine Lizenz gibt, dann ist sie 'ne Pommesbude“, sagte ein Branchenkenner bereits im vergangenen Jahr. Unter Aufsehern gelte das ganze System Binance als dubios.

Die negative Außenwahrnehmung scheint auch intern zunehmend zum Problem für die Kryptobörse heranzuwachsen. Nach der gefloppten Lizenzoffensive haben diverse Top-Manager dem Unternehmen den Rücken gekehrt – darunter auch Fachleute, die bereits bei anderen Brokerunternehmen erfolgreich an Genehmigungsprozessen mit der Finanzaufsicht beteiligt gewesen waren. Demnächst tritt die europäische Kryptoregulierung MiCAR („Markets in Crypto-Assets Regulation) in Kraft. Skeptiker glauben nicht daran, dass es der Kryptobörse bis dahin gelingt, Einwände der Aufseher zu zerstreuen und doch noch eine Lizenz zu bekommen.

Und auch in den USA spitzt sich die Lage für Binance außerhalb der Gerichtssäle zu. Im Januar hatte die Börsenaufsicht SEC spezielle Bitcoin-ETFs genehmigt. Damit können Anleger über lizensierte Plattformen mit Bitcoin handeln. Zumindest für Einsteiger im Kryptomarkt, die nicht in Kleinst-Kryptowährungen investieren, wurde damit eine Alternative geschaffen.

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Hinzu kommt: Um die Verwahrung der Kryptoeinheiten des ETF-Anbieters BlackRock kümmert sich ausgerechnet Coinbase. Der größte Konkurrent von Binance hat eine Lizenz der Finanzaufsicht, ist börsennotiert und unterliegt daher Offenlegungspflichten. Binance dagegen ist eine Blackbox: Niemand weiß, wie gut oder schlecht das Unternehmen aufgestellt ist.

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