Wohnungskonzern Gelingt Vonovia das Comeback? Das hängt von diesen 5 Fragen ab

Wie kommt Vonovia aus der Immobilienkrise? Quelle: Annette Riedl/dpa

Die Immobilienkrise hat Vonovia tief in die roten Zahlen gedrückt. Vor der Hauptversammlung des Dax-Konzerns sind die Aussichten für ein Comeback gut. Doch einige Baustellen drohen die Bochumer auszubremsen.

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Im Immobiliengeschäft muss man sich dieser Tage manchmal selbst auf die Schulter klopfen, denn andere tun es nicht. Die Zinswende hat die jahrelange Party am Häusermarkt beendet, auf die Wertsteigerungen der Vorjahre folgte ein teils heftiger Preisverfall. Rolf Buch, Vorstandsvorsitzender des Immobilienkonzerns Vonovia, übt sich angesichts der Lage tapfer in Eigenlob: „Für mich war es eines der erfolgreichsten Jahre hier bei Vonovia – gemessen an dem, was wir in der Krise bewegt haben“, sagt der Chef des Bochumer Dax-Konzerns laut vorab vorliegender Rede für die diesjährige Hauptversammlung an diesem Mittwoch.

Erfolg ist relativ. Vonovia machte im abgelaufenen Geschäftsjahr unterm Strich einen Verlust von 6,7 Milliarden Euro. Zwar profitierte der Konzern vom anhaltenden Anstieg der Mietpreise. Zugleich drückten aber die höheren Zinsen massiv auf die Bilanz. Immer weiter musste das Unternehmen den Wert seines Wohnungsbestands herunterschrauben – und rutschte deshalb in die roten Zahlen. Die Bochumer starteten eine Verkaufsoffensive und trennten sich von Tausenden Wohnungen.

Immerhin: Die Lage für Vonovia bessert sich. Vergangene Woche legte der Konzern sein Zahlenwerk für das erste Quartal 2024 vor. Darin wies er zum ersten Mal seit längerem wieder einen Gewinn aus, in Höhe von gut 335 Millionen Euro. „Eine Rückkehr auf Wachstumskurs ist in Sicht“, jubiliert Buch. Auch die Börse bereitet sich auf ein Comeback von Deutschlands größtem Vermieter vor. Der Aktienkurs ist in den vergangenen sechs Monaten um rund 20 Prozent gestiegen, von niedrigem Niveau aus.

Auf der Hauptversammlung wird Vorstandschef Buch um die Gunst der Aktionäre buhlen. Wie in den vergangenen Jahren findet die Hauptversammlung rein digital statt, spontanen Widerspruch muss Buch also kaum befürchten. Dabei ist die Lage nach wie vor nicht unkritisch. Vor allem fünf Punkte entscheiden über die Zukunft des XXL-Vermieters, den Anlageerfolg seiner Aktionäre und den Geldbeutel seiner Mieter.

1. Wie geht es mit den Mieten weiter?

Am Wohnungsmarkt ist des einen Leid des anderen Freud: Nachdem die Mieten in den vergangenen Jahren den Kaufpreisen hinterhergehinkt waren, hat sich der Trend nun umgekehrt. Daten des Onlineportals ImmoScout24 zeigen, dass die Neuvertragsmieten bei Bestandswohnungen im vergangenen Jahr um 6,9 Prozent gestiegen sind. Ein Ende des Mietenbooms ist nicht in Sicht.

Diverse Regeln und Gesetze schränken Vermieter allerdings ein und schützen Mieter vor zu kräftigen Mietsteigerungen. Erst im April hat sich die Ampelkoalition auf die Verlängerung der Mietpreisbremse bis ins Jahr 2029 verständigt. Das heißt: Bei Neuvermietung darf die Miete die ortsübliche Vergleichsmiete um nicht mehr als zehn Prozent übersteigen.



„Es gab zum Glück keine weitere Verschärfung“, so Vonovia-Chef Buch mit Blick auf die Mietpreisbremse. Aber: Die könnte durchaus noch kommen. Im Koalitionsvertrag hatten sich die Parteien eigentlich auch auf enger gesteckte Kappungsgrenzen geeinigt. Laut dieser Grenzen darf die Miete innerhalb von drei Jahren um nicht mehr als 20 Prozent steigen, in angespannten Wohnungsmärkten um 15 Prozent.

Bauministerin Klara Geywitz (SPD) betonte vor einigen Wochen, dass die Verlängerung der Mietpreisbremse nur ein erster Schritt sei, und pocht auf die Absenkung der Kappungsgrenzen. Nach den starken Mietpreisanstiegen in den vergangenen Jahren haben die Befürworter einer stärkeren Mietregulierung viel argumentatives Futter.

2. Ist der Preisverfall am Immobilienmarkt beendet?

Das Vermietungsgeschäft läuft bei Vonovia rund. Für das laufende Jahr geht das Unternehmen von einem Gewinn aus dem operativen Geschäft von fast 1,8 Milliarden Euro aus. Die Leerstandsquote von nur zwei Prozent zeigt, dass die Nachfrage nach Vonovia-Wohnungen ungebrochen hoch ist.

Für das Konzernergebnis insgesamt sind aber auch die Buchwerte der Immobilien relevant. In den Boomjahren konnten Wohnungsunternehmen wie Vonovia und LEG die Wertsteigerungen ihrer Immobilien als Gewinne ausweisen, in der Immobilienkrise drücken die Preisrückgänge aufs Ergebnis.

Von 2021 bis 2023 schrumpfte der Verkehrswert des Wohnungsbestandes um 14,2 Prozent auf 83,9 Milliarden Euro, auch wegen Wohnungsverkäufen. Ein Mechanismus, dem Vorstandschef Buch keine zu große Bedeutung beimessen will. „Buchverluste stehen vor allem auf dem Papier. Genauso wie Buchgewinne“, sagt er. Ob das Investoren beruhigt?

Für Aktionäre ist nun entscheidend, ob die Abwertungsspirale bei Vonovia beendet ist. Buch gibt sich optimistisch und spricht von „stabilen Preisen“. Tatsächlich spricht einiges dafür, dass Vonovia das Schlimmste überstanden hat. Im ersten Quartal blieb der Wert des Portfolios zumindest konstant. Außerdem melden diverse Immobilienplattformen, dass die Preise wieder steigen oder sich zumindest stabilisieren. Begünstigt wird dies dadurch, dass die Zinsen anscheinend ihren Höhepunkt erreicht haben und die Europäische Zentralbank die Zinsen womöglich im Juni wieder senken könnte.

Dass die Immobilienpreise den Boden erreicht haben, ist aber keine ausgemachte Sache. Das Kieler Institut für Weltwirtschaft (IfW) veröffentlichte am Dienstag Zahlen, denen zufolge die Immobilienpreise weiter rückläufig sind, vor allem die für Mehrfamilienhäuser. Diese verbilligten sich im Vergleich zum Vorquartal um gut zehn Prozent. Auch der Verband deutscher Pfandbriefbanken geht für das Wohnimmobiliensegment erst in der zweiten Jahreshälfte von einer Stabilisierung aus.

Ob das auch auf den Vonovia-Bestand zutrifft, werden Aktionäre wohl erst im August bei Vorstellung der Zahlen für das zweite Quartal erfahren. Es dürfte nicht schaden, von einer weiteren Abwertung im niedrigen Prozentbereich auszugehen.



3. Schreitet die Entschuldung weiter voran?

Unter Rolf Buch ist Vonovia zum größten Vermieter Europas aufgestiegen, mit fast 550.000 Wohnungen. Beflügelt von den Niedrigzinsen verleibten sich die Bochumer mehrere Konkurrenten ein, gipfelnd in der Übernahme des Berliner Wettbewerbers Deutsche Wohnen. Kurz bevor die Notenbanken die Zinswende einleiteten, ging der 17-Milliarden-Euro-Deal über die Bühne.

Das Problem: Die Finanzierungskosten sind seitdem gestiegen, und Vonovia sitzt auf einem Schuldenberg. Der sogenannte Loan to Value – der Verschuldungsgrad im Verhältnis zum Wert der Immobilien – stieg von 39,4 Prozent im Jahr 2020 auf 47,3 Prozent Ende vergangenen Jahres. Damit lag die Verschuldung über der selbst gesetzten Grenze von 45 Prozent.



Vonovia rief die Operation ‚Raus aus den Schulden‘ aus. Im vergangenen Jahr verkaufte das Unternehmen Bestände im Wert von gut 3,7 Milliarden Euro, vor wenigen Wochen veräußerte es 4500 Einheiten an das Land Berlin. In diesem Jahr will der Dax-Konzern weitere Wohnungen im Wert von drei Milliarden Euro abstoßen.

Die Verkaufsoffensive scheint zu wirken: Der Verschuldungsgrad sank im ersten Quartal auf 45,9 Prozent und befindet sich damit wieder fast im Zielkorridor. Dass Vonovia die Schwelle von 45 Prozent wieder erreicht, ist absehbar. Zu Beginn der Immobilienkrise hatte das Unternehmen angekündigt, Bestände im Wert von 13 Milliarden Euro verkaufen zu wollen. Die Zahl ist sicher nicht in Stein gemeißelt, sollte die Lage am Immobilienmarkt drehen und weitere Abwertungen aus bilanzieller Sicht weniger notwendig machen. „Die Notwendigkeit der Bilanzstabilisierung geht zu Ende“, sagt auch Buch.

4. Wann lohnt sich Neubau wieder?

Vor etwa einem Jahr schockte Vonovia den Immobilienmarkt und vor allem die Politik mit der Ankündigung, dass der Bau von insgesamt 60.000 Wohnungen vorerst „in der Schublade“ bleibt. Vonovia will erst wieder mit dem Bauen beginnen, wenn sich die Rahmenbedingungen verbessert haben. Die gestiegenen Zins- und Baukosten machten den Neubau unrentabel. „Damit sich das für uns rechnet, müssten wir eine Miete von 20 Euro pro Quadratmeter nehmen“, so Buch. Zu viel für die klassische Vonovia-Klientel.

Bauministerin Klara Geywitz (SPD) und Vonovia-Chef Rolf Buch. Quelle: dpa

Immerhin: Allmählich entspannt sich die Situation. Die Baukosten steigen nicht mehr, die Zinsen sind bereits von in der Spitze 4,2 Prozent auf rund 3,5 Prozent bei zehnjährigen Festschreibungen zurückgegangen. Auch das Förderchaos hat sich gelegt. Bei der staatlichen Förderbank KfW bekommen auch institutionelle Investoren für klimafreundliche Neubauten zinsverbilligte Kredite.

5. Macht mehr Dividende die Vonovia-Aktie attraktiver?

Mit Dividenden wollen viele Unternehmen ihre Aktionäre nicht nur am Gewinn beteiligen, sondern auch bei der Stange halten. Hohe Gewinnausschüttungen kompensieren den Anlegerschmerz, wenn der Aktienkurs vor sich hin dümpelt. Im vergangenen Jahr litten Vonovia-Anteilseigner doppelt. Der Kurs war abgestürzt, der Konzern halbierte die Dividende auf 0,85 Euro je Aktie. Immerhin: Anders als der Düsseldorfer Konkurrent LEG zahlte das Unternehmen überhaupt eine Dividende.

Nun schlägt der Vorstand für das abgelaufene Geschäftsjahr eine Anhebung der Dividende auf 0,90 Euro je Anteilsschein vor. Dafür muss Vonovia nicht an seine Substanz gehen, der freie Cashflow bietet genug Puffer – auch, weil der Konzern wegen des gestrichenen Neubaus niedrigere Investitionskosten hat.

Noch ein weiterer Aspekt macht die Vonovia-Aktie interessant: Die Börse bewertet das Unternehmen mit einem deutlichen Abschlag. Die Bewertung liegt derzeit bei gerade einmal etwa der Hälfte des für 2023 ausgewiesenen Nettovermögenswerts, also dem Verkehrswert der Immobilien abzüglich Schulden. Aus Sicht von Experten ist das ein unverhältnismäßig hoher Abschlag, selbst wenn die Immobilienpreise noch etwas nachgeben sollten.

Analysten sind optimistisch. Von 26 Analysten, die Vonovia beobachten, raten 19 zum Kauf. Das durchschnittliche Zwölf-Monats-Kursziel liegt mit 32,22 Euro etwa zwölf Prozent über dem aktuellen Kursniveau.

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