11.780 Stimmen „finden“ Trump wegen Wahleinmischung in Georgia angeklagt

Donald Trump bei einem Fundraiser. In Georgia muss er sich nun vor Gericht verantworten. Quelle: REUTERS

Vier Anklagen und ein Ex-Präsident: Der Berg an juristischen Problemen für Donald Trump wird größer. Die Ermittlungen in dem südlichen Bundesstaat sollte niemand unterschätzen – schon gar nicht der Republikaner selbst.

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Anfang Januar 2021 geht der Mitschnitt eines Telefonats um die Welt. „Ich will nur 11.780 Stimmen finden (...), weil wir den Bundesstaat gewonnen haben“, fordert der zu dem Zeitpunkt amtierende Präsident Donald Trump. Kurz vorher hatte er im Bundesstaat Georgia bei der Präsidentschaftswahl 2020 gegen den Demokraten Joe Biden verloren – und nun sollte sein republikanischer Parteikollege und oberster Wahlkollege Brad Raffensperger das Ergebnis „nachberechnen“ und für Trump drehen.

Das einstündige Telefonat ist nur ein Beispiel von vielen, wie Donald Trump versucht hat, in Georgia das Wahlergebnis zu kippen – ohne Erfolg. Doch der Versuch wird dem Ex-Präsidenten nun zum Verhängnis. In dem US-Bundesstaat wurde er angeklagt. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm vor, sich mit Verbündeten verschworen zu haben, um dort das Wahlergebnis der Präsidentenwahl 2020 zu drehen. Eine ähnliche Anklage gegen ihn gibt es zwar bereits auf der Bundesebene, doch die Anklage aus dem Südosten sticht heraus: Sie zeigt auf eindrückliche Weise, wie Trump nach der Wahl versuchte, die Demokratie ins Wanken zu bringen.

Die Anklageschrift hat es in sich

Auf fast 100 Seiten der Anklageschrift werden dem 77-Jährigen und seinen 18 Komplizen – darunter auch bekannte Gesichter wie New Yorks einstiger Bürgermeister und Trumps früherer Anwalt Rudy Giuliani – 19 Anklagepunkte in 41 Fällen zur Last gelegt. Sie hätten sich „wissentlich und vorsätzlich an einer Verschwörung zur rechtswidrigen Änderung des Wahlergebnisses zugunsten von Trump“ beteiligt, heißt es.

Trump und sein Team sollen Verantwortliche in dem Bundesstaat unter Druck gesetzt haben. Dem Republikaner werden ein Komplott mit Dritten und Falschaussagen zur Last gelegt. Trump-Loyalisten sollen sich außerdem fälschlicherweise als Wahlleute ausgegeben haben.

Die „New York Times“ nennt die Ereignisse in Georgia ein Porträt einer amerikanischen Demokratie, die an ihre Grenze gebracht wurde. Wie unter einem Brennglas zeigt sich hier, wie weit Trump bereit war, zu gehen – und mit welchen Methoden er sich an der Macht festklammerte.

Donald Trump schwimmt im Geld, und die Anklagen der Justiz machen ihn nur stärker. Zugleich schwächeln alle republikanischen Rivalen für die US-Präsidentschaftskandidatur. Trump bleibt Trumpf.
von Julian Heißler

Ein Beispiel für die Methoden des Ex-Präsidenten ist auch Shaye Moss. Moss war Wahlhelferin in Georgia bei der Präsidentenwahl 2020. Seine Verbündete behaupteten fälschlicherweise nach der Wahl, dass Helfer wie sie Wahlzettel für Trump weggeworfen und gefälschte Zettel für Biden gezählt hätten. Dabei gerieten Moss und ihre Mutter ins Visier von Trump-Anhängern, weil sie auf einem Video zu sehen waren, das in Umlauf gebracht wurde. Für beide Frauen wurden die Lügen über sie zu einem menschlichen Drama.

Bereits im vergangenen Jahr sagte sie vor dem Untersuchungsausschuss zur Attacke auf das Kapitol im Kongress aus. Damals wirkte die junge Frau, als sei sie am Ende ihrer Kräfte. „Ich will nirgendwo mehr hingehen. Ich stelle alles in Frage“, sagte sie völlig aufgelöst. Menschen hätten sie bedroht, ihr den Tod gewünscht. All das nur wegen der „Lügen“ rund um die Wahl und weil sie ihren Job gemacht habe. Die Verleumdungen von Wahlhelfern sind nun ein Puzzlestück in der Anklage gegen Trump und seine Getreuen.



Die Anklage geht auch auf die Verbindungen zwischen Trump und seinen Mitverschwörern ein. Die zuständige Staatsanwältin Fanni Willis sagte, alle ihre Bemühungen hätten das „illegale Ziel“ gehabt, Trump zu helfen, eine weitere Amtszeit als Präsident an sich zu reißen. Dies ist wichtig für Straftatbestand, der in der Regel in Fällen mafiöser Machenschaften und organisierter Kriminalität angewandt wird. Mit dem sogenannten Rico-Gesetz ist es der Anklage US-Medien zufolge auch möglich, den Verantwortlichen einer Organisation für Verbrechen seiner Mitverschwörer zu belangen. Es drohen lange Haftstrafen.

Trump: „Wahlbeeinflussung im Namen der Demokraten“

Wenig überraschend stark fiel die Reaktion des Trump-Lagers auf die Anlageschrift aus. Trump nannte den Fall den vierten Versuch der „Wahlbeeinflussung im Namen der Demokraten“. Es gehe ihnen darum, das Weiße Haus unter der Kontrolle von Präsident Joe Biden zu halten, schrieb Trump, und nannte Biden korrupt. Die Demokraten wollten dessen „größten Gegner bei der Wahl 2024 ins Gefängnis bringen“. Mitarbeiter der Trump-Kampagne bezeichneten den Zeitpunkt „dieses jüngsten koordinierten Angriffs einer voreingenommenen Staatsanwältin in einer überwiegend demokratischen Gerichtsbarkeit“ als „Verrat am Vertrauen des amerikanischen Volkes“.

Karoline Leavitt, Sprecherin der Trump-nahen Organisation Make America Great Again Inc., sagte, der zuständigen Staatsanwältin von Fulton County, Fani Willis, gehe es wie anderen Staatsanwälten allein darum, „Donald Trump zu verhaften und zu verhindern, dass er auf dem Wahlzettel gegen Joe Biden steht“.

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Auf der anderen Seite des politischen Spektrums erklärten die zwei ranghöchsten Demokraten im Kongress – Senatsmehrheitsführer Chuck Schumer und der Fraktionschef der Partei im Repräsentantenhaus, Hakeem Jeffries – hingegen, die vierte Anklage gegen Trump spiegele „wie die drei vorangegangenen ein wiederholtes Muster krimineller Aktivität durch den Ex-Präsidenten wider“. Schumer und Jeffries riefen Trump, dessen Unterstützer und dessen Kritiker zudem auf, das Rechtsverfahren ohne Einmischung von außen seinen Lauf gehen zu lassen.

Hillary Clinton, die die bei der Wahl 2016 Trump unterlegen war, sagte im Sender MSNBC, es sei „ein schrecklicher Moment für unser Land, einen Ex-Präsidenten zu haben, der dieser furchtbar gewichtigen Verbrechen bezichtigt“ werde. Die einzige Genugtuung möge indes darin bestehen, dass „das System funktioniert“, ergänzte die Demokratin, die früher als Außenministerin diente. „Der Gerechtigkeit wird nachgeeifert.“

Anklage in Georgia könnte gefährlich für Trump werden

Die Staatsanwältin Fani Willis aus Fulton Country war kurz nach der Präsidentenwahl ins Amt gekommen. Mehr als zwei Jahre lang ermittelte sie gegen Trump und seine Verbündeten. Seitdem wird Willis von Trump heftig angegriffen und beleidigt. Denn auch wenn eine Anklage gegen Trump auf Bundesstaatenebene im Vergleich zu einem Verfahren im Bund weniger wichtig wirkt, ist die Anklage in Georgia nicht zu unterschätzen.

Fachleuten zufolge könnte es für Trumps Team in Georgia deutlich schwieriger sein, das Verfahren maßgeblich zu verzögern. Selbst wenn er es schaffen sollte, einen Prozess in die Länge zu ziehen, bis er eines Tages möglicherweise selbst wieder im Weißen Haus sitzt, dürfte er die Ermittlungen nicht einfach abschütteln können. Denn auf Ebene eines Bundesstaats kann er nicht einfach beliebig einen neuen Staatsanwalt einsetzen, der die Anklage fallen lässt. Ähnlich sieht es beim Thema Begnadigung aus: Im Bund kann ein Präsident zwar Begnadigungen verfügen, womöglich auch für sich selbst, in einem Bundesstaat aber nicht.

Trumps rechtliche Probleme

Die Anklage in Georgia sticht auch heraus, weil mit Trump noch derart viele weitere Verbündete angeklagt sind. Staatsanwältin Willis sagt, sie wolle allen 19 gemeinsam den Prozess machen. Das dürfte eine logistische Herausforderung werden. Noch dazu könnte, wie in Georgia üblich, auch live im Fernsehen übertragen werden, wenn Trump und die anderen Beschuldigten zur Anklageverlesung erscheinen müssen – ein großes Spektakel, mitten im Wahlkampf.

Trumps Anwälte versuchten in den vergangenen Monaten bereits, die Ermittlungen in Georgia mit juristischen Kniffen auszubremsen. Dabei zogen sie bis vor das oberste Gericht des Bundesstaats – ohne Erfolg. Willis machte weiter. Sollte Trump verurteilt werden, droht ihm wie bei den anderen Anklagen eine mehrjährige Haftstrafe. Und noch eines hat die Anklage in Georgia mit den anderen anstehenden Prozessen gemein: Sie ändert nichts daran, dass Trump sich wie gehabt für die Präsidentschaftskandidatur der Republikaner bewerben kann – und womöglich nach der Wahl 2024 noch einmal ins Weiße Haus einzieht.

Der Feldzug gegen den Wahlausgang

Trump hatte die Präsidentenwahl 2020 gegen den Demokraten Joe Biden verloren. Er weigert sich aber bis heute, seine Niederlage einzugestehen. Der 77-Jährige behauptet stattdessen unbeirrt, er sei durch massiven Wahlbetrug um einen Sieg gebracht worden. Weder Trump noch seine Anwälte haben Beweise für diese Behauptungen vorgelegt. Dutzende Klagen des Trump-Lagers wurden nach der Wahl von Gerichten abgeschmettert, auch vom obersten US-Gericht. Trumps Kampagne gegen den Wahlausgang gipfelte am 6. Januar 2021 in einem Sturm seiner Anhänger auf das Kapitol in Washington. Der Mob versuchte mit dem Gewaltausbruch, die formale Bestätigung von Bidens Wahlsieg im Parlament zu verhindern. Mehrere Menschen kamen damals ums Leben.

Neben der Klage in Georgia wird Trump in der kommenden Zeit – mitten im Wahlkampf – gleich vier Prozesse zu bestreiten haben. In den vergangenen Monaten war bereits in drei anderen Fällen in New York, Miami und Washington Anklage gegen den Republikaner erhoben worden. Der New Yorker Fall steht im Zusammenhang mit Schweigegeldzahlungen an einen Pornostar. Der Fall in Miami dreht sich um die Aufbewahrung von streng geheimen Regierungsunterlagen in Trumps Privatanwesen. In Washington wiederum geht es ebenfalls um die Wahl 2020 – um versuchten Wahlbetrug und den Sturm auf das US-Kapitol. In dem Fall in Washington wird Trump unter anderem Verschwörung gegen die USA zur Last gelegt.

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Aktuell gilt Trump weiter als Favorit seiner Partei, den Republikanern. Seine Anhänger stehen treu zu ihm, wie Umfragen belegen. Doch, um die Wahl selbst im November kommenden Jahres zu gewinnen und dem Demokraten Joe Biden die Wiederwahl zu verwehren, müsste er auch Wähler der Mitte überzeugen. Dabei dürften die Anklagen, Prozesse und womöglich sogar eine Verurteilung eher ein schwerer Ballast sein.

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