USA und Deutschland Was das Weiße Haus wirklich über Scholz denkt

Haben an sich ein gutes Verhältnis: Bundeskanzler Olaf Scholz (l.) spricht mit US-Präsident Joe Biden bei einem Treffen im Oval Office im Weißen Haus. Quelle: dpa

Das Buch eines US-Journalisten über Bidens Außenpolitik beleuchtet auch die Rolle der Deutschen im Ukraine-Krieg. Die Bundesregierung kommt nicht immer gut weg – vor allem wegen einer Fehleinschätzung über Putin.

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Am Rande des G20-Treffens in Rom im Oktober 2021 luden US-Präsident Joe Biden, Außenminister Antony Blinken und Jake Sullivan, der Nationale Sicherheitsberater, vier europäische Politiker in einen kleinen Raum. Der britische Premierminister Boris Johnson war gekommen, Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, und die scheidende Bundeskanzlerin Angela Merkel, begleitet von ihrem designierten Nachfolger Olaf Scholz. Das Thema der ungewöhnlichen Unterredung: Russlands Pläne, die Ukraine zu überfallen.

Die Warnung der Amerikaner fiel eindringlich aus. Bald, vielleicht schon im Januar, würde Präsident Wladimir Putin eine Invasion befehlen. Sie legten Geheimdiensterkenntnisse vor, um ihre Schlüsse zu untermauern. Die Reaktion der Europäer fiel uneinheitlich aus. Während Macron fragte, ob es noch Wege gebe, Putin von seinen Plänen abzubringen, zweifelten die Deutschen die Prämisse der Präsentation an. „Merkel und Scholz waren skeptisch, ob Russland es wirklich tun würde. „Vor allem Merkel“, schreibt der Journalist Alex Ward in seinem jüngst erschienenen Buch „The Internationalists“ über die Außenpolitik von Joe Biden. Demnach wiegelte die Kanzlerin ab. Putin drohe nur, um zu sehen, ob er etwas bekommen könne. Russlands Präsident sei „nicht verrückt“. Scholz, so schreibt Ward, schloss sich Merkels Worten an. Am 24. Februar 2022 rollten die Panzer.

Die deutsch-amerikanischen Beziehungen sind derzeit so gut wie lange nicht mehr. Biden und Scholz können offensichtlich gut miteinander, zelebrieren bei jeder sich bietenden Gelegenheit ihre Gemeinsamkeiten und Verbundenheit. Der US-Präsident ist bemüht, das Verhältnis nach den strapaziösen Trump-Jahren so gut es geht zu pflegen. Doch das heißt nicht, dass es zwischen Washington und Berlin nicht gelegentlich noch knirscht. Gerade mit Blick auf den Ukraine-Krieg knirschte er immer wieder zwischen den Partnern. Während Biden und Scholz ihre politische Freundschaft zelebrierten, wuchs laut Ward zeitweise der Frust im Weißen Haus über die vermeintlich zu zögerlichen deutschen Partner. Die Fehleinschätzung von Rom war da nur der Auftakt.



Wenige Monate nach dem Treffen in Italiens Hauptstadt stand schließlich Scholz‘ offizieller Antrittsbesuch im Weißen Haus an – und das, während die Kriegsvorbereitungen in Russland immer weiter voranschritten. Vor diesem Hintergrund drängte die Biden-Administration darauf, die russische Gaspipeline Nord Stream 2 zu stoppen. Doch die Bundesregierung weigerte sich, eine entsprechende Ankündigung öffentlich zu machen. Dies sei unmöglich, teilte Berlin dem amerikanischen Nationalen Sicherheitsberater Sullivan Ward zufolge mit, denn „dies würde die ohnehin schon angespannten Beziehungen des neuen Bundeskanzlers zu den deutschen Unternehmen, die die Energietrasse bauen, weiter erschweren und seine schwache politische Position gefährden“.

Dass Scholz sich standhaft weigerte, Nord Stream 2 öffentlich abzuschwören, habe das Weiße Haus „zur Verzweiflung“ getrieben. Schließlich teilte Washington Berlin mit, dass Biden das Ende der Pipeline verkünden würde, sollte Scholz es nicht tun. Bei der gemeinsamen Pressekonferenz des Präsidenten und des Kanzlers im East Room am 7. Februar 2022 tat Biden genau das. Sollten russische Panzer oder Truppen die ukrainische Grenze überschreiten, „dann wird es kein Nord Stream 2 mehr geben“. Selbst nach dieser Klarstellung vermied es Scholz, das Ende der Pipeline ebenfalls öffentlich anzukündigen. Intern gab die Bundesregierung gleichwohl zu verstehen, dass es „kein Tageslicht“ zwischen der deutschen und er amerikanischen Position gebe. Nach der russischen Invasion erklärte Scholz Nord Stream 2 für tot.

Verstimmung bei Lieferung von Leopard-2-Panzer

Gut ein Jahr später dann der nächste Anlass für Verstimmung: Im Januar 2023 drängte die Ukraine auf die Lieferung deutscher Leopard-2-Panzer – einen Wunsch, den man in Washington durchaus unterstützte. Doch die Deutschen wollten nicht liefern. Zu provokativ sei ein solcher Schritt, teilte Berlin den Amerikanern mit – und gefährlich für das politische Überleben des Kanzlers. „Der pazifistische Flügel seiner Partei, der Sozialdemokraten, würde fast sicher gegen ihn (Scholz) aufbegehren“, teilten die Deutschen laut Ward dem Weißen Haus mit. Deshalb entwickelte das Kanzleramt die Idee, die Leopard-2-Panzer nur zu liefern, wenn auch amerikanische Abrams nach Kyiv geschickt würden. Den entsprechenden Plan stellte Scholz amerikanischen Abgeordneten am Rande des World Economic Forum in Davos vor.

Auf Gegenliebe stieß der Vorstoß nicht. Sogar Senator Chris Coons, ein enger Biden-Verbündeter und rein optisch nahezu ein Doppelgänger von Scholz, widersprach. Doch der Kanzler ließ sich von seinem Plan nicht abbringen. „Es waren Abrams-Panzer für Leoparden. Es gab keinen Spielraum“, schreibt Ward. Erst als Außenminister Blinken kurz darauf die Idee entwickelte, Abrams-Lieferungen in Zukunft in Aussicht zu stellen, bewegte sich Berlin und sagte die Lieferung der Leoparden zu.

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Biden war erleichtert, dass die Lösung zu Stande kam – auch wenn es im Verteidigungsministerium weiter Vorbehalte gegen Abrams-Lieferungen gab, vor allem aus logistischen Gründen. „Obwohl er die Einwände des Pentagons verstand, war es für ihn wichtiger, die transatlantische Einheit in einer Zeit aufrechtzuerhalten, in der sie auf eine harte Probe gestellt wurde“, heißt es im Buch. „Die militärische Logistik war für den Präsidenten ein zweitrangiges Problem im Vergleich zur Aufrechterhaltung enger Beziehungen zu wichtigen Verbündeten.“ Ob allerdings auch der nächste US-Präsident so pfleglich mit Berlin umgehen wird, ist eine andere Frage.

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