Xi Jinping trifft Viktor Orbán Autofabriken für den Autokraten: Wie China Ungarn umgarnt

Der ungarische Ministerpräsident empfängt Chinas Staatspräsident Xi Jinping in Budapest. Quelle: via REUTERS

Europas erste BYD-Fabrik, Milliarden für die Infrastruktur und viel Wohlwollen für einen autoritären Kurs: Xi Jinping hat bei seinem Ungarn-Besuch hübsche Mitbringsel parat – doch für die EU sind das keine guten Nachrichten.

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Fünf Stellen sind auf der Website von BYD bereits ausgeschrieben: für Personalrekrutierung, für HR-Management, für Visafragen – und klar, auch für PR. Zwar will der chinesische Hersteller frühestens ab 2027 in Szeged, der drittgrößten Stadt Ungarns und bekannt für das Szegediner Gulasch, die ersten E-Autos vom Band rollen lassen, aber BYD fängt bereits jetzt mit den Vorbereitungen an. „Build Your Dreams“ – und zwar zackig?

Das dürfte ganz nach Viktor Orbáns Geschmack sein. Wenn der ungarische Ministerpräsident an diesem Donnerstag Chinas Staatspräsident Xi Jinping in Budapest empfängt, darf er auf weitere Milliarden aus der chinesischen Staatskasse zur Verwirklichung vermeintlicher industrie- und infrastrukturpolitischer Träume hoffen. Dass Xi diese Mitbringsel ausgerechnet am 9. Mai auffahren lassen dürfte, ist allerdings bemerkenswert.

Der 9. Mai 1950 gilt als die Geburtsstunde Europas, damals legte der damalige französische Außenminister Robert Schuman mit seiner Rede zur Zusammenarbeit der Nationen den Grundstein für die heutige Europäische Union. Während die EU an diesem Europatag alljährlich die Einheit beschwört, setzt Xi alles daran, die Mitgliedstaaten in der geopolitischen Gretchenfrage nur noch weiter zu spalten: Wie wollen wir es mit China halten? Orbán hat da seine ganz eigenen Interessen – und Xi bedient sie offenbar nur allzu gern. 

Viktor Orban hat Ungarn in einen korruptionsanfälligen Feudalstaat verwandelt. Für ausländische Unternehmen wird es ungemütlich. Ein Ortsbesuch.
von Silke Wettach

Seit fünf Tagen ist Chinas Staatschef bereits in Europa zu Gast. Zuletzt war er 2019 hier, dann kam die Pandemie. Bei seiner ersten Station am Montag in Paris bekam Xi von Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen mal wieder zu hören, dass die EU ihre Abhängigkeiten von China angeblich weiter reduzieren will. Von Orbán wird er an diesem Donnerstag dagegen mit offenen Armen empfangen. De-Risking? Nur immer her mit den Milliarden!

Highspeed mit Chinas Hilfe

Schon 2015 hatte sich Ungarn als erster EU-Staat der Neuen Seidenstraße angeschlossen, Chinas umstrittenen Infrastrukturprojekt, mit dem die Volksrepublik weltweit Handelsrouten erschließen und ausbauen will und zugleich neue Abhängigkeiten schafft. Der Budapester Flughafen und die Bahnstrecke zwischen Ungarn und Serbien sind unter anderem Teil der Initiative. Gerade wird an einer neuen Hochgeschwindigkeitsstrecke zwischen Belgrad und Budapest gebaut, sie gilt als Prestigeprojekt, mit der die Chinesen auch in anderen Ländern für eine Zusammenarbeit werben wollen.

Die enge Kooperation zwischen Ungarn und China spiegelt sich auch in den Investitionen wider. 2023 hat kein anderes Land in Europa so hohe Direktinvestitionen (FDI) aus China kassiert wie Ungarn. Mit 4,34 Milliarden Dollar liegt das Neun-Millionen-Einwohner-Land weit vor Schweden (1,28 Milliarden) und Spanien (910 Millionen), wie eine Analyse des American Enterprise Institute zeigt.

Schneller schlau: Die Seidenstraße

Und nun wird der Autokrat Orbán, der seit 14 Jahren an der Macht ist, das Wahlrecht bereits 25 Mal zu seinem Vorteil ändern lassen hat, Russlands Präsident Wladimir Putin zu seinem angeblichen Wahlsieg gratuliert und sein Land zu einem korruptionsanfälligen Feudalstaat verwandelt, von China mit einer Schlüsselindustrie bedacht, in der die EU zusehends die Rücklichter sieht: bei der Produktion von E-Autos und Batterietechnik.

Ungarn will ein führender E-Auto-Standort werden

Ungarn gehört bereits heute neben Tschechien, der Slowakei und Polen zu einem der führenden Pkw-Hersteller in Mittelosteuropa. Suzuki produziert seit 1992 in Esztergom, Mercedes-Benz seit 2012 in Kecskemét und Audi seit mehr als zwanzig Jahren in Györ. Dazu baut BMW derzeit ein neues Werk in Debrecen, ab 2025 soll dort die Serienfertigung der sogenannten Neuen Klasse beginnen.



Ungarn will in Europa künftig zu einem der führenden Produktionsstandorte für E-Autos, Antriebsbatterien und deren Komponenten werden – und dabei sollen die Chinesen helfen. In Debrecen zieht der chinesische Batteriekonzern CATL eine Batteriefabrik mit 9000 Arbeitsplätzen hoch. Nun kommt die Produktion von E-Autos hinzu.

BYD will in Europa für Europa produzieren

Seit 2016 produziert BYD in Komárom bereits Elektrobusse für den europäischen Markt, 2025 will der weltweit größte Fahrzeughersteller in Szeged nun sein erstes E-Auto-Werk in Europa anlaufen lassen. Die Ziele der Chinesen sind ambitioniert: Sie wollen in Europa zum größten internationalen Fahrzeughersteller werden, in Deutschland soll jedes zehnte Elektroauto ein BYD sein. 2023 hat BYD hierzulande zwar nur rund 4000 Neuwagen zugelassen, was einem Marktanteil von 0,1 Prozent entspricht – aber die Produktion in Europa für Europa soll ein entscheidender Baustein sein, um die Verkaufsziele zu erreichen. Und zugleich einem anderen heiklen Thema zu entkommen: den Strafzöllen. 

Die EU-Kommission wirft der Volksrepublik vor, mit Subventionen für seine Autohersteller den Markt zu verzerren und möglicherweise Handelsrecht zu brechen. Ursula von der Leyen kritisiert, dass China „mit massiv subventionierten Elektroautos unseren Markt schwemmt“, gegen solche Überkapazitäten „müssen wir angehen, wir schützen unsere Industrie“, erklärte die Kommissionspräsidentin nach ihrem Treffen mit Xi in Paris diese Woche in Berlin beim Parteitag der CDU. Es wird erwartet, dass die Strafzölle zeitnah verhängt werden.  

EU-Subventionen für Chinas Autobauer?

Mit einer Produktion in Ungarn könnte BYD dann solche höheren Einfuhrzölle umgehen – und zugleich von EU-Subventionen profitieren. Denn Ungarn will die BYD-Produktion in Szeged angeblich mit 240 Millionen Euro aus dem RePowerEU-Fonds unterstützen, berichtete kürzlich der ungarische Investigativjournalist Szabolcs Panyi. Der Fonds ist eigentlich dazu gedacht, die Resilienz der EU-Mitgliedsstaaten zu erhöhen – ob chinesische Autobauer auf dieses Ziel einzahlen, dürfte jedoch fraglich sein.



Und: Nicht nur BYD will nach Ungarn kommen. Es wird erwartet, dass Xi während seines Ungarn-Besuch den Bau einer weiteren Autofabrik verkünden wird: von Great Wall Motors in Pécs, eine Stadt im Süden Ungarns, die ebenfalls auf der Reiseroute des chinesischen Präsidenten steht.

„Die Strafzölle sind ein süßes Gift“

Die Strategie der Chinesen könnte nicht nur mit Blick auf die mögliche Umgehung der Strafzölle aufgehen: „Die Produktion in Europa soll chinesischen Autobauern wie BYD auch bei der Markenbildung helfen“, sagt Felix Kuhnert, Automobilexperte bei der Beratungsfirma PWC: „Wenn die Autos hier in Europa für Europa produziert werden, werden sie auch als europäischer wahrgenommen, das dürfte sich auch positiv auf das Kaufverhalten auswirken.“

Doch ob zugleich die europäischen Autobauer profitieren, wenn die Chinesen durch Strafzölle ausgebremst werden, ist fraglich. „Die Strafzölle sind ein süßes Gift für die europäische Autoindustrie“, meint Kuhnert: „Man verschafft ihr Zeit, um wettbewerbsfähiger zu werden, gleichzeitig sinkt aber dadurch der Transformationsdruck“, während die chinesischen Autobauer weiter ihren Fortschritt ausbauten. „Am Ende könnten die Strafzölle die bestehenden Wettbewerbsnachteile der europäischen Autobauer deshalb eher untermauern als minimieren“, warnt Kuhnert.

Die deutschen Autohersteller sind gegen die Strafzölle, vor allem, weil sie auf ihrem wichtigen ausländischen Absatzmarkt China Gegenreaktionen fürchten. Zudem hatte kürzlich eine Studie der Analysefirma Rhodium gezeigt, dass Zölle in Höhe von 50 Prozent notwendig wären, um den europäischen Markt unattraktiv für Autoexporte aus China zu machen, so groß ist der Kostenvorteil. Es werde aber erwartet, dass die Kommission Tarife in Höhe von 15 bis 30 Prozent verhänge, heißt es in der Studie. Hinzu kommt: die Zölle würden nicht allein die Chinesen treffen, sondern auch deutsche Hersteller wie BMW, die einige ihrer Modelle komplett in China produzieren und dann nach Deutschland exportieren.

Investiert China auch in ungarische Atomkraft?

Viktor Orbán dürfte an diesem Donnerstag aber nicht nur darauf hoffen, dass China weiter in den Automobilstandort Ungarn investiert, sondern auch neue Infrastrukturprojekte dürften vereinbart werden. Grzegorz Stec, der der Brüssel-Büros des Thinktanks Mercis leitet, warnt jedoch vor möglichen Kooperationen im Bereich der Kernenergie: „Wenn China in den Bau von Atomkraftwerken in Ungarn investiert, würde es der Logik der Risikominderung zuwiderlaufen, wonach kritische Infrastrukturen vor risikoreichen Akteuren wie China geschützt werden sollten“, sagte er, denn China greife „bei der Durchführung seiner Außenpolitik gerne auf Zwangsmittel zurück“. 

Während Xi bei seinem Stopp in Serbien am Mittwoch mit Präsident Aleksandar Vucic die „eiserne Freundschaft“ beschwor und an diesem Donnerstag mit Orbán die chinesisch-ungarischen Beziehungen feiert, habe es am Montag in Paris „bei den zwei wichtigsten Themen keinen entscheidenden Fortschritt gegeben“, kritisiert Stec: „beim Thema der Überkapazitäten und Chinas Unterstützung für Russland Angriffskrieg in der Ukraine.“

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Xi hingegen dürfte die Reise als Erfolg verbuchen, wenn er wieder ins Flugzeug Richtung Peking steigt. „Xi wollte mit der Reise nach Rissen in der EU suchen und ein Bild der Uneinigkeit innerhalb der EU vermitteln“, sagt Stec. Das ist ihm offensichtlich gelungen. Mission accomplished – zumindest für dieses Mal.

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