E-Autobauer Was Tesla von Northvolt lernen kann

Quelle: dpa

Not in my backyard: Die Einwohner von Grünheide stimmten gegen die Erweiterung des Tesla-Werkes. Dass ein Fabrikbau nicht immer auf Widerstand stößt, zeigt das Beispiel Northvolt.

  • Teilen per:
  • Teilen per:

Vor knapp zwei Jahren eröffnete der E-Autohersteller Tesla in Grünheide eine neue Gigafactory. 12.500 Menschen haben in der neuen Fabrik einen Arbeitsplatz gefunden. Die Ziele von Firmenchef Elon Musk sind ambitioniert. Das derzeitige Etappenziel von 500.000 Autos pro Jahr ist noch nicht gänzlich erreicht und dennoch soll die Produktionskapazität künftig auf eine Million Fahrzeuge jährlich erhöht werden. Notwendig dafür: die Erweiterung des Firmengeländes.

Doch es gibt Probleme: Bei einer Bürgerbefragung in Grünheide lag am Ende ein klares Votum vor. Knapp zwei Drittel der Bürgerinnen und Bürger stimmten mit Nein. Zwar ist das Votum rechtlich nicht bindend, aber das Ergebnis könnte eine Wirkung auf die Entscheidung der Landesregierung haben. Im Vorhinein kündigten bereits einige Mitglieder des Gemeinderats an, ihre Stimme von der Entscheidung der Bürgerbefragung abhängig zu machen.

Dass eine Ansiedlung nicht immer auf Widerstand stößt, zeigt das Beispiel des schwedischen Batterie-Herstellers Northvolt.

Lesen Sie auch: So geht es mit den Plänen des E-Autobauers nach dem Nein der Bürger weiter

Ende Januar hing die deutsche Zukunft von Northvolt noch mal am seidenen Faden: Mit nur vier zu drei Stimmen entschied sich der Gemeinderat der kleinen Kommune Norderwöhrden für den Bau der Batteriefabrik. Die Gigafactory darf kommen. 

Der schwedische Batteriehersteller hat zwar Bundes- und Landesregierung längst auf seiner Seite, aber bemüht sich dennoch um den Kontakt zu den Bewohnern vor Ort. Dazu gehören monatliche Bürgersprechstunden, große Infoveranstaltungen und regelmäßige Treffen mit den Gemeindevertretern. „Anstatt eine Agentur für die Kommunikation zu beauftragen, sind wir mit unseren eigenen Leuten vor Ort“, sagte ein Sprecher des Unternehmens. Dass eine Baustelle vor der Haustür anstrengend für Anwohner sei, stehe außer Frage. Aber bei Northvolt gebe man jedem die eigenen Kontaktdaten weiter, stehe als Ansprechpartner bereit. Gerade in einer Region wie Dithmarschen, die landwirtschaftlich und nicht industriell vorgeprägt ist, müsse man als Unternehmen sensibel vorgehen. Um vor Ort Präsenz zu zeigen, trat CEO Peter Carlsson sogar dem örtlichen Boßel-Verein bei und ging mit seinen Mitarbeitern tonnenweise Rotkohl ernten.

Northvolt-Umfrage: Über 70 Prozent für den Fabrikbau

Ein Vorteil sei sicherlich, so glaubt der Northvolt-Sprecher, dass die geplante Fabrik auf einem alten Ölfeld errichtet wird – kein besonders umkämpfter wertvoller Boden. Anfang Frühjahr soll der Bau der Fabrik beginnen. Schon vorher begab sich Northvolt auf die Suche nach lokalen Gastronomen, die die Arbeiter und Arbeiterinnen mit regionalen Spezialitäten versorgen könne. Man suche „die beste Kohlroulade und das beste Fischbrötchen für die Northvolt-Mittagspause“, sagte ein Sprecher des Unternehmens der dpa.

Um von sich zu überzeugen, lud das Unternehmen sogar eine Delegation des Kreises Dithmarschen nach Schweden ein. Dort konnten sich die Deutschen selbst ein Bild von einer bereits bestehenden Batteriezellenfabrik im nordschwedischen Skellefteå machen. Bis heute ist in Dithmarschen keine einzige Bürgerinitiative bekannt, die sich gegen den Bau gestellt hätte. In einer Umfrage, die von Northvolt selbst in Auftrag gegeben wurde, sprachen sich über 70 Prozent der Schleswig-Holsteiner für den Bau der Fabrik aus.

Wie man das Vertrauen der Menschen vor Ort gewinnen kann, zeigt auch der BMW-Konzern in Niederbayern. Für den Autobauer ist das zwar eine Art Heimspiel, aber auch das gilt es zu gewinnen: Eine haushohe Mehrheit entschied sich für eine neue Batteriefabrik am Rand des Bayerischen Waldes.

Seit mehr als zwei Jahren kämpft der Ort Heide in Schleswig-Holstein für eine neue Batteriefabrik von Northvolt. Das Karlsruher Urteil brachte die Pläne fast noch mal ins Wanken. Kann jetzt endlich die Zukunft beginnen?
von Florian Güßgen, Stefan Hajek

Ganz anders läuft das beim großen Infrastrukturprojekt des Fehmarnbelt-Tunnels zwischen der dänischen Insel Lolland und der deutschen Insel Fehmarn. Auf deutscher Seite protestieren Umweltschützer lautstark gegen das Projekt – auf dänischer Seite dagegen begrüßen sie den Bau. Im Gegensatz zu ihren deutschen Kollegen durften die dänischen Umweltverbände an den Planungen in beratender Funktion teilnehmen.

In Grünheide hingegen entfachten immer wieder Diskussionen über die Baustelle der Gigafactory: Wasserknappheit, Rodungsarbeiten, Naturschutz und Arbeitsunfälle. Die Unternehmenskommunikation nach außen gestaltete sich dabei schwierig. Große Stellungsnahmen gab es zu keiner der Problematiken von Seiten des Konzerns. Eine eigene Pressesprecherin oder einen eigenen Pressesprecher besitzt das deutsche Werk nicht. Bereits vor einigen Jahren kritisierte Brandenburgs Wirtschaftsminister Jörg Steinbach die mangelnde Pressearbeit. Im Wirtschaftsausschuss des Landtages ließ er verlauten, dass er es leid sei, die Öffentlichkeitsarbeit für Tesla zu übernehmen. Er sei von Beginn an Ansprechpartner für Journalistinnen und besorgte Bürger gewesen.

Protestaktionen gegen Tesla in Grünheide

Denn bereits vor Baubeginn kippte die anfängliche Euphorie der Anwohnerinnen und Anwohner in Grünheide. Verunsicherung breitete sich aus. Das Resultat: Die Menschen gingen auf die Straße und protestierten. Schilder mit der Aufschrift „Trinkwasser statt Tesla“ oder „Keine Großfabrik im Wald“ waren dabei zu sehen.

Als Reaktion richtete Tesla eine Bürgersprechstunde ein. Zwei Wochen lang konnten sich die Bürgerinnen und Bürger dort Informationen über den Bau abholen. Nur: Niemand von Tesla selbst war vor Ort, sondern Angestellte der Berliner Niederlassung der niederländischen Beratungsgesellschaft Arcadi.

Anfang des laufenden Jahres warb Tesla erneut mit einer wöchentlichen Bürgersprechstunde um die Gunst der Anwohnerinnen und Anwohner. Zudem gab es eine sogenannte Road-Show durch die Ortsteile von Grünheide, auf der die Mitarbeitenden von Tesla Fragen beantworteten. Eine Einladung zu einer Informationsveranstaltung im Werk gab es ebenfalls.

Die Bemühungen beim erneuten Bauvorhaben die Bürgerinnen und Bürger besser einzubinden, scheiterten dennoch. Bei einer Wahlbeteiligung von mehr als 70 Prozent stimmten 3499 Einwohnerinnen und Einwohner gegen die Erweiterung von Teslas Gigafactory.

Welche Auswirkung hat das Bürgerveto?

Für Tesla ist noch nichts verloren. Durch die Abstimmung ist das Planverfahren nicht vom Tisch. Vertreter der Landesregierung befürworten die Ausbaupläne – und die Entscheidung, wie mit dem Ergebnis der Bürgerumfrage umgegangen wird, liegt letztendlich bei den kommunalen Gemeindevertretern. Der Bürgermeister von Grünheide, Arne Christiani (parteilos), wollte im Gespräch mit der WirtschaftsWoche nicht sagen, ob er die Erweiterung grundsätzlich befürwortet oder nicht. Denn angesichts der bevorstehenden Kommunalwahlen im Juni werden die kommunalen Vertreter das Bürgervotum kaum leugnen können. 

Altersvorsorge Drohender Renten-Schock: Die hochriskanten Investments der Versorgungswerke

Berufsständische Versorgungswerke erwirtschaften Renten für Ärzte, Anwälte und Mediziner. Doch sie haben Geld überaus riskant angelegt – mit potenziell dramatischen Folgen.

Frauenförderung à la Siemens Siemens-Managerin klagt an: Nutzt der Konzern Compliance als „Mitarbeiter-Entsorgungstool“?

Der Fall einer Siemens-Managerin, die schwanger wurde und nun um ihren Job kämpfen muss, erschüttert den Dax-Konzern. Nun droht der mit ihr verheiratete Personalchef in Mitleidenschaft gezogen zu werden.

Selbstversuch Der Weg zum eigenen Wald – für kleines Geld

Unser Autor träumt von einem Wald. Er bekommt ihn bei einer Zwangsversteigerung – für 1550 Euro.

 Weitere Plus-Artikel lesen Sie hier

Mit Blick auf die Landtagswahlen Ende September wird auch die Landespolitik die Füße stillhalten. Auf Nachfrage der WirtschaftsWoche heißt es nur aus dem Brandenburger Infrastrukturministerium: „Wir gehen davon aus, dass es Lösungsmöglichkeiten gibt, die sowohl den Interessen der Bürgerinnen und Bürger als auch den Interessen von Tesla für eine bedarfsgerechte Infrastruktur gerecht werden.“

Lesen Sie auch: Verlassen immer mehr Unternehmen Deutschland?

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%