Editorial
Noch mehr Wende für Deutschland? Quelle: imago images

Bitte nicht noch eine Wende!

Quelle: Jann Höfer für WirtschaftsWoche
Horst von Buttlar Chefredakteur WirtschaftsWoche

Energiewende, Mobilitätswende, Ernährungswende, Wärmewende – die ewig gewendeten Deutschen haben die Nase voll. Und nun ruft die FDP auch noch eine „Wirtschaftswende“ aus? Eine Kolumne.

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Das Wort „Wende“ hat als Suffix eine zwiespältige, teils zweifelhafte Bedeutung und Konnotation bekommen. Meist werden in Deutschland damit große Vorhaben umrissen, bei denen wenig vorangeht oder die sogar scheitern. Transformationsprojekte, die das Leben erschweren, aber die Welt verbessern sollen; bei denen wir uns als Vorbild fühlen, aber Schlusslicht sind; deren Ziele wir zuverlässig reißen – um uns darauf noch ehrgeizigere Ziele zu setzen.

Wir schwanken seit Jahren zwischen Sonderweg und Irrweg: Energiewende, Mobilitätswende, Ernährungswende, Wärmewende – das Land ist vollgestopft mit Manövern und Change-Programmen, was dazu geführt hat, dass das ewig gewendete Volk inzwischen die Nase voll von Veränderung und Transformation hat. Die Zeitenwende ist ein Sonderfall, weil sie uns durch einen Krieg von außen aufgezwungen wurde.

Insofern ist Skepsis angebracht, wenn die FDP eine „Sozialstaatswende“ und noch dazu eine „Wirtschaftswende“ ausruft – auch wenn die Stoßrichtung eine andere ist. Letztere wird diskret als historisches Theater inszeniert, mit Papieren, die in Ministerien und für Leitanträge für den Parteitag erarbeitet und parallel ans Kanzleramt geschickt werden. Ein Hauch von 1982 soll wehen, als es noch wirklich eine „geistig-moralische Wende“ gab – und ein Konzept des damaligen Wirtschaftsministers Otto Graf Lambsdorff eine Koalition beendete. Große Vergangenheit! Und heute?

Bisher versammelt die Idee der „Wirtschaftswende“ nur Schlagwörter, die sich Politik und Wirtschaft seit Monaten um die Ohren hauen: Bürokratieabbau, Fachkräftemangel, Steuerentlastung. Die Liberalen machen Lärm, um zu überleben; die Grünen fordern zuverlässig das Gegenteil – während man im Kanzleramt abwinkt, dass doch das Wichtigste beschlossen sei und es jetzt vor allem um die Umsetzung gehe. Das wirke und werde schon! „Trickle down“ à la Olaf Scholz: Der große Wurf ist etwas für die Talkshows, nicht die Mühlen der Politik.

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Die Liberalen sollten zügig klären (und zeigen), ob sie nur Schattenboxen veranstalten, oder wirklich liefern können. Bei der Rente haben sie sich schon über den Tisch ziehen lassen, bei der Kindergrundsicherung kämpfen sie auf Symbolschauplätzen gegen 5000 Stellen. Wir brauchen keine neuen Illusionen eines großen Wurfs.

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