Der Befund des Internationalen Währungsfonds (IWF) ist eindeutig: Die deutsche Wirtschaft tut sich schwer, die Bundesrepublik muss dringend ihre Produktivität steigern. Nur wie? Der IWF hätte da einen Vorschlag: indem die Frauen in Deutschland mehr außer Haus arbeiten, als sie es bislang tun.
Denn es sind hierzulande 2,3 Millionen mehr Männer als Frauen erwerbstätig. Dass Frauen in Teilzeit arbeiten, ist fünf Mal wahrscheinlicher als bei den Männern. So der IWF. Angesichts von gut 1,7 Millionen unbesetzter Stellen auf dem deutschen Arbeitsmarkt und einer lahmenden Konjunktur ist das ein Problem.
Nun ergab fast zeitgleich eine Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), 14 Prozent der beschäftigten Frauen würden gern etwa vier Stunden jede Woche mehr arbeiten. Eine nicht eben gerechte Aufgabenverteilung bei der Kinderbetreuung und im Haushalt sowie Fehlanreize wie Ehegattensplitting und unterschiedliche Lohnsteuerklassen aber hielten sie ab.
Eines vorweg: Natürlich kann das Ehegattensplitting es sehr vernünftig erscheinen lassen, dass bei verheirateten Paaren (meist immer noch) der eine viel arbeitet, während (meist immer noch) die andere nur ein bisschen dazu verdient. Die Politik könnte und sollte das ändern, es sollte sich mehr lohnen, die eigene Arbeitszeit beispielsweise über die Minijob-Grenze hinaus auszuweiten.
Trotzdem wird niemand, genauer: keine dazu gezwungen, sich auf dieses Modell einzulassen. Frauen, die mehr arbeiten wollen, sollten ihren Wunsch durchsetzen. Beide Partner können genauso gut gemeinsam entscheiden, ähnlich viel zu arbeiten und dieselbe Steuerklasse zu wählen.
Gleiches gilt für Kinderbetreuung und Haushalt: Ob es noch Jahrzehnte dauert, bis Männer und Frauen gleich viel Zeit dafür aufwenden, wie die DIW-Wissenschaftlerinnen und -Wissenschaftler erwarten, hängt vor allem davon ab, ob ein Partner es zulässt, dass man als Paar diese Aufgaben untereinander ungleich verteilt. Um das anders zu vereinbaren, dafür muss kein Paar auf andere Elternzeitregelungen für Väter warten.
Dazu gehört, dem anderen Elternteil zuzutrauen, dass es alle Aufgaben mindestens genauso gut wie man selbst erledigen kann. Und sich zu fragen, ob es wirklich eine gute Idee ist, es dem anderen zu überlassen, seine Karriere voranzubringen und Allein- oder Hauptverdiener zu sein. Dabei geht es um den eigenen Lebensunterhalt genauso wie um mögliche Altersarmut: 2022 wurden in Deutschland noch immer mehr als 137.000 Ehen geschieden.
Bleibt das Thema Kinderbetreuung. An vielen Orten reichen die Angebote nicht aus, immer mehr Einrichtungen schränken sie ein, weil ihnen Personal fehlt. Auch hier muss sich dringend etwas ändern. Aber wer sagt eigentlich, dass nur die Mütter diesen Mangel ausgleichen müssen?
Zur Wahrheit gehört außerdem: Ostdeutsche Eltern nutzen Betreuungsangebote deutlich früher als westdeutsche. Die Betreuungsquote für unter Dreijährige lag im Osten der Bundesrepublik mit mehr als 50 Prozent zuletzt knapp 22 Prozentpunkte höher als im Westen. Auch der Anteil der Kinder, die ganztags betreut werden, liegt sowohl bei den unter als auch bei den über Dreijährigen im Osten deutlich höher. Es entscheiden also nicht alle Elternpaare gleich.
In den vergangenen Wochen haben mir übrigens mehrere Frauen, die am Ende ihrer Karriere stehen oder schon in Rente sind, berichtet, wie sie vor Jahrzehnten mit kleinen Kindern und bei nicht vorhandener Ganztagsbetreuung Vollzeit berufstätig sein konnten: Sie steckten eine gewisse Zeit lang quasi ihr gesamtes Einkommen in die Bezahlung von Kinderfrauen. Sie sahen es als Investition in die eigene Karriere, die sich für sie gelohnt hat.
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