Gas- und Strompreise Ist die Energiekrise wirklich vorbei?

Quelle: imago images

Der Krieg in der Ukraine tobt bereits seit zwei Jahren. Augenscheinlich hat der hierdurch ausgelöste Preisschock an den Energiemärkten nachgelassen. Doch das ist nur die halbe Wahrheit.

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Die Energiepreise sind zwei Jahre nach dem Schock des russischen Großangriffs auf die Ukraine inzwischen wieder gefallen. Aber ist nun wirklich alles wieder so wie vor der Energiekrise? Die Wahrheit steckt im Detail.

Wer sich nicht im Dschungel aus Preisen, Steuern und Abgaben verirren will, sollte dort ansetzen, wo die Preise am ehesten überprüft werden können: beim Verbraucher. Der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) bietet hier einen guten Überblick für Strom und Gas.

Die Daten sprechen für sich. Im Jahr 2022 war es mit der eher moderaten Preisentwicklung vorbei, die Kosten für Beschaffung und Vertrieb explodierten.

Ursache war – so lässt sich rückblickend sagen – nie ein tatsächlicher Mangel an Energie, sondern die Angst davor.

Die Abnehmer deckten sich mit allen Mitteln am Markt ein, um für einen tatsächlichen Mangel gewappnet zu sein. Zu fast jedem Preis.





Wettbewerbsfähigkeit der Industrie

Abseits der Debatte um die Stromkosten der privaten Haushalte beklagt die Industrie seit langem die aus ihrer Sicht im internationalen Vergleich zu hohen Stromkosten. Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) setzt sich daher für einen sogenannten Industrie- oder Brückenstrompreis ein, der die Kosten bis 2030 deckeln soll. Der Dachverband hat dabei explizit die energieintensiven Industrien wie Beton, Papier, Chemie und Stahl im Blick. Diese, so die Argumentation, stünden am Anfang vieler Wertschöpfungsketten und seien daher für die gesamte Industrie von großer Bedeutung.



Durch politische Entscheidungen – wie etwa die Senkung der Stromsteuer – liegt die Gesamtbelastung der Unternehmen der Statistik nach inzwischen wieder auf Vorkrisenniveau. Das reiche aber nicht aus, mahnt Jörg Rothermel, Geschäftsführer des Verbandes „Die Energieintensiven Industrien“: „Die Energiepreise liegen für energieintensive Unternehmen noch immer deutlich über dem Niveau vor dem russischen Einmarsch in die Ukraine und vor allem deutlich höher als in wichtigen Wettbewerbsmärkten wie den USA.“ Es gebe nach wie vor große Probleme im internationalen Wettbewerb.

Warum die Preise wirklich sinken

Jenseits dieser Diskussion scheint sich die Lage zumindest für die privaten Haushalte wieder weitgehend normalisiert zu haben. Aber ist die Krise wirklich vorbei?

Bei genauerem Hinsehen zeigt sich, warum die Endpreise tatsächlich gesunken sind: Der Wasserkopf aus Abgaben und Umlagen ist kleiner geworden, aber der Markt hat sich noch nicht beruhigt. Die Steuern, die prozentual mit den Beschaffungs- und Vertriebskosten steigen, vervielfachen diesen Effekt nominal noch.





Aus Sicht von Mathias Mier, Energieexperte des Ifo-Instituts, hätte der Staat diese Senkung beim Haushaltsstrom gar nicht unbedingt vornehmen müssen. „Strom ist, dafür was er kann, immer noch sehr billig“, sagt er und zieht einen Vergleich. Während die Stromkosten für den Fernseher bei rund 30 Euro im Jahr lägen, koste ein Netflix-Abo mittlerweile über 100 Euro. Wegen höherer Stromkosten würde also niemand auf den Fernseher verzichten. Theoretisch könnte der Staat also noch höhere Steuern und Abgaben verlangen: „Damit gewinnt man allerdings keine Wahlen und das ist wiederum die Wurzel dieser Preisdiskussion“, kommentiert Mier.

Großhandelspreise bleiben hoch

Das Bundeswirtschaftsministerium BMWK verweist auf Anfrage auf den Jahreswirtschaftsbericht 2024, in dem es heißt: „Die Lage auf den Energiemärkten hat sich in Deutschland seit Herbst 2022 deutlich entspannt. Die Energiekosten sind sowohl in Bezug auf Strom als auch in Bezug auf Gas wieder auf ein deutlich geringeres Niveau zurückgefallen als zu Spitzenzeiten“.

Allerdings lägen die Großhandelspreise immer noch über dem langjährigen Niveau, und die an den Börsen auf Basis sogenannter Futures gehandelten Zukunftspreise würden zudem zeigen, dass dies auch in den nächsten zwei Jahren so bleiben könnte.

Wie viel Politik und wie viel Markt in den Strom- und Gaspreisen steckt, zeigt sich beim Blick hinter den Wust an Abkürzungen und Fachbegriffen.

Die Netzentgelte – die Nutzungsgebühr für die Energienetze – vergleicht die Bundesnetzagentur mit der Briefmarke beim Postversand. Während die Kosten für die großen Strom- und Gasautobahnen – die Übertragungsnetze – bundesweit einheitlich sind, variieren sie in den Verteilnetzen – den regionalen Anschlussnetzen zu Erzeugern und Verbrauchern – je nach Region oder Netzbetreiber. Der Ausbau der erneuerbaren Energien treibt diese Kosten im Stromnetz vorübergehend in die Höhe, soll aber langfristig zu sinkenden Erzeugungskosten führen.

Bis auf Weiteres ist jedoch keine Entlastung in Sicht. Im Gasnetz treibt laut Netzagentur nicht nur der Umstieg von Erdgas auf klimaneutrale Alternativen wie Wasserstoff die Kosten, sondern auch der verstärkte Einsatz von Flüssigerdgas LNG, auf das im Zuge der Energiekrise aus Gründen der Versorgungssicherheit zurückgegriffen wurde.

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