Gipfeltreffen der Weltmarktführer Lindner: „Ich bin davon überzeugt, dass Deutschland eine sehr starke Substanz hat“

Bundesfinanzminister Christian Lindner. Quelle: Foto Vogt GmbH

Deutschland, der kranke Mann Europas? Dieser Satz prägte zuletzt die Debatte um den Standort. Denn Bürokratie und hohe Energiekosten treiben Unternehmen zunehmend ins Ausland – und die Ampel wirkt machtlos. Finanzminister Lindner erklärt auf dem Gipfeltreffen der Weltmarktführer in Schwäbisch Hall, was Deutschland jetzt braucht, um gesund zu werden.

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Deutschland sei nicht krank, sondern nur müde, kommentierte Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) beim Gipfeltreffen der Weltmarktführer, wie auch vor wenigen Wochen schon beim Weltwirtschaftsforum in Davos. „Wir sind ermüdet aufgrund der gestiegenen Zinsen, aufgrund der gestiegenen Energiepreise, Importpreise und Inflation“, sagte Lindner vor mehreren hundert Teilnehmern beim Gipfeltreffen der Weltmarktführer in Schwäbisch Hall.

Deutschland brauche strukturelle Reformen, dann würde es wieder aufwärtsgehen. Beim Gipfeltreffen der Weltmarktführer stellte Lindner seine Ideen für den wirtschaftlichen Aufschwung vor. Im anschließenden Interview mit WirtschaftsWoche-Chefredakteur Horst von Buttlar erklärte Lindner, was Deutschland jetzt brauche.

Denn die Stimmung ist schlecht: Umfragen zeigen, wie die Unterstützung für die Ampel-Politik in der deutschen Bevölkerung schwindet. Wie das Meinungsforschungsinstitut Ipsos mitteilte, sind die Ampel-Politiker, was ihre Beliebtheit angeht, zuletzt deutlich abgestürzt. Vor allem die Spitze um Finanzminister Lindner, Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) verliert massiv an Rückhalt. Auch der deutsche Mittelstand zeigt sich zunehmend enttäuscht von der Regierung. Das Wachstumschancengesetz, das Steuererleichterungen für Unternehmen vorsah, wurde in jüngsten Beschlüssen von geplanten sieben Milliarden Euro auf drei Milliarden Euro gekürzt. Derzeit hängt das Gesetz im Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat fest.

„Ich bin offen, über größere Summen zu sprechen. Leider habe ich das nicht allein in der Hand“, räumte Lindner mit Blick auf die Kürzungen ein. Er warnte aber davor, das Gesetz kleinzureden. Es könne mehrere Milliarden Euro weniger für die Unternehmen bedeuten und solle dazu beitragen, dass sich die Unternehmer wieder auf das Wesentliche konzentrieren könnten.

Das Wachstumschancengesetz ist ein Kernprojekt der Ampel. Es sieht verschiedene Steuererleichterungen für Unternehmen vor, darunter eine „Investitionsprämie“ für die klimafreundliche Transformation der Wirtschaft, einen Ausbau der Forschungsförderung und eine befristete Wiedereinführung großzügiger Abschreibungsregeln. Die Länder hatten das Gesetz im Bundesrat gestoppt, weil es aus ihrer Sicht zu große Löcher in die Haushalte von Ländern und Kommunen reißen würde. Die Bundesregierung wirft den CDU-geführten Ländern aber auch „taktische Spielchen“ vor, um der Ampel zu schaden.

In dieses Horn stößt auch Lindner: „Um es vorsichtig zu sagen, dort [Anm. d. Red.: in der CDU] ist die Begeisterung nicht groß, jetzt auf sehr viele Steuereinnahmen zu verzichten“. Um die Unternehmen zu entlasten und die deutsche Wirtschaft wieder auf Kurs zu bringen, seien fünf wesentliche Strukturreformen notwendig: Steuerliche Anreize für Investitionen, Bürokratieabbau, Flexibilisierung des Arbeitsmarktes, Rekordinvestitionen in Schiene und Straße sowie marktwirtschaftlicher Klimaschutz. „Ich bin davon überzeugt, dass Deutschland eine sehr starke Substanz hat. Wir haben viele mittelständische Unternehmen, die erfolgreich sind, Familienbetriebe, die Weltmarktführer sind“, sagte der FPD-Politiker, der wegen der Haushaltswoche aus Berlin nach Schwäbisch-Hall zugeschaltet war.

Die Aufstellung des Haushalts 2025 dürfte die Ampelkoalition vor neue große Herausforderungen stellen. Denn schon jetzt tun sich Lücken auf: Im Juli sprach das Finanzministerium in seiner Planung von fünf Milliarden Euro Handlungsbedarf. Hinzu kommen sechs Milliarden Euro, weil eine entsprechende Rücklage bereits in diesem Jahr aufgebraucht werden soll. Insgesamt fehlen derzeit rund 15 Milliarden Euro. Mit Blick auf die Haushaltsdebatte sagte Lindner auf dem Gipfel: „Wir haben im Bundeshaushalt nicht gespart, sondern wir schichten um.“ Mit dieser Umschichtung sollen Mittel für Steuerentlastungen, Investitionen und Bildungsausgaben gewonnen werden.

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Auf die schlechte Stimmung in der Bevölkerung und bei den Unternehmern im Land angesprochen, hatte Christian Lindner eine klare Antwort – und warnte vor zwei Dingen: Zum einen dürften die seit Jahren bestehenden Strukturprobleme nicht „weggelächelt“ werden. Die Arbeitszeit vieler Beschäftigter in Deutschland sei geringer, als es die Produktivität zuließe: „Vor einer Vier-Tage-Woche bei vollem Lohnausgleich kann ich nur warnen.“

Auf der anderen Seite dürfe man aber auch nicht zu schwarz malen. Deutschland habe viele starke Unternehmen und starke Persönlichkeiten. Beide Seiten seien gleichermaßen gefährlich. Nüchterner Realismus sei jetzt angebracht, um die Probleme anzugehen.

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