Krankenhaus-Umbau Kliniken behandeln Brustkrebs und Herzinfarkt schlechter als möglich

Strahlentherapie zur Behandlung von Brustkrebs Quelle: imago images

Krankenhäuser mit „Gelegenheitsversorgung“ und Notfallambulanzen ohne Herzkatheter: Deutschlands Klinikversorgung ist nicht gut genug. Ein neuer Report zeigt: Die Überlebenschancen könnten ohne höhere Kosten steigen.

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Warum ein Umbau der deutschen Kliniken so drängt, dafür liefert der aktuelle Krankenhaus-Report einprägsame Beispiele: Bei der Behandlung von Brustkrebs oder bei Notfällen wie einem Herzinfarkt könnten etliche Leben gerettet werden, wenn nur Hospitäler die Kranken aufnehmen, die dafür ausgestattet sind. Doch das ist immer wieder nicht der Fall. Viele Kliniken machten „Gelegenheitsversorgung“, für die ihnen die Erfahrung und die Routine fehle oder für die sie nicht die technische Ausrüstung hätten, so lautet das Fazit der bundesweiten Untersuchung des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WidO).

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) sucht seit Monaten Unterstützung für ein Gesetz zum Umbau der Krankenhäuser, um die Qualität der Versorgung zu verbessern. Zusätzlich soll sich die Bezahlung der Krankenhäuser ändern, um etwas gegen doppelte Angebote in Ballungszentren oder schlecht ausgerüstete Stationen zu erreichen. Er tut sich schwer, unter den Ländern Verbündete zu finden. 

Sein Vorgehen findet auch bei den Krankenkassen, in dem Fall bei AOK-Bundesverbandschefin Carola Reimann (früher ebenfalls SPD-Gesundheitspolitikerin), wenig Zustimmung.  Reimann warnt vor einer Umsetzung der aktuellen Pläne. Das Gesetz drohe zur „teuren leeren Hülle ohne positive Effekte für die Versorgung der Patientinnen und Patienten“ zu werden.

Mängel bei den Krankenhäusern

Um die Mängel bei den Krankenhäusern zu beschreiben, haben sich die WidO-Ökonomen das Jahr 2022 angeschaut. Von rund 1700 Akutkrankenhäusern hätten rund 530 Brustkrebs behandelt. 40 Prozent dieser Kliniken hatten demnach keine Zertifizierung als anerkanntes Zentrum für solche Fälle. Etwa 13 Prozent der Mammakarzinom-Patientinnen wurden dort operiert.

„Somit wurden 9000 Frauen mit Brustkrebs in Krankenhäusern behandelt, die dafür nicht optimal aufgestellt sind“, fasst Christian Günster vom WIdO der Allgemeinen Ortskrankenkassen (AOK) zusammen. Die Überlebenschance sei aber um 20 Prozent höher, wenn in solchen Zentren behandelt werde. An 95 der Krankenhäuser mit Brustkrebsversorgung seien zudem weniger als 25 Operationen im Jahr durchgeführt worden. Auch das ein Hinweis auf mangelnde Routine: „Das bedeutet, dass etwa alle zwei Wochen ein solcher Eingriff stattfand.“ Bei solchen Fallzahlen sei nicht anzunehmen, dass die OP-Teams eingespielt seien und Prozesse optimal verliefen.

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von Cordula Tutt

Dabei gibt es regional enorme Unterschiede. In Sachsen-Anhalt fand jede vierte Brustkrebs-OP in einer nicht-zertifizierten Klinik statt, in Berlin mit nur 0,2 Prozent praktisch keine mehr.

Anders als bei Krebsbehandlungen gilt bei der Therapie von Herzinfarkten, dass das Krankenhaus im Notfall schnell erreicht werden sollte. Bei schweren Herzinfarkten solle innerhalb von 90 Minuten eine Behandlung mit dem Herzkatheter stattfinden, heißt es. Nach den WidO-Zahlen wurden allerdings viele Patientinnen und Patienten nicht optimal versorgt, weil sie in Kliniken ohne Herzkatheterlabor eingeliefert wurden.

Dabei gebe es in Deutschland keinen Mangel an solchen Einrichtungen, heißt es. Doch seien in 80 Städten, in denen es mit Kathetern ausgestattete Krankenhäuser gebe, diese Notfallpatienten in Spitälern ohne die Ausstattung behandelt worden. Bei 191.000 Herzinfarkten im Jahr wurden nach den Zahlen rund fünf Prozent oder 9400 Menschen deshalb schlechter als möglich behandelt.

Der Druck steigt

Auch hier zeigen sich regionale Unterschiede. Im Saarland betraf es jeden neunten Infarktpatienten, in Hamburg seien fast alle Betroffenen in ein mit Katheterlabor ausgerüstetes Krankenhaus gebracht worden.

Der wirtschaftliche Druck auf die Häuser steige, heißt es bei der AOK. So würden seit der Corona-Pandemie dauerhaft weniger Fälle behandelt. Die Auslastung sinke. Das gelte vor allem für Erkrankungen, die auch ambulant behandelt werden könnten. Um 14 Prozent seien die Fälle 2023 im Vergleich zu 2019 zurückgegangen. Was an sich eine wünschenswerte Entwicklung ist, bedeutet bei steigenden Kosten zusätzlichen Druck auf die Häuser – und unter Umständen eine größere Bereitschaft, Patienten auch bei schlechter Ausstattung anzuziehen.

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AOK-Vorstandschefin Carola Reimann kritisiert Gesundheitsminister Lauterbach in diesem Zusammenhang deutlich. Es sei richtig, dass spezielle und anspruchsvolle Behandlungen in weniger Krankenhäusern gebündelt würden. Doch wenn diese Pläne zur Verbesserung der Qualität von einer ebenfalls notwendigen neuen Art der Finanzierung losgelöst würden, dann sei weder für die Kranken, noch für die Krankenhäuser etwas gewonnen.  Es sei zu befürchten, dass die (unpopulären) Vorgaben, welche Häuser bestimmte Leistungen noch anbieten dürften, auf später verschoben würden. So lange werde „in bewährter Manier das Geld weiter per Gießkanne auf die Kliniken verteilt“, klagt Reimann. Dann stiegen die Kosten ohne Fortschritte für die Versorgung zu erreichen.

Lesen Sie auch: Wie Karl Lauterbach die Klinikreform verschleppt

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