Mitarbeiter-Beteiligungen Wie Start-ups ihre Mitarbeiter reich machen

Läuft es bei einem Start-up gut, verdienen auch die Mitarbeiter daran. In erster Linie über Anteilsoptionen. Quelle: imago images

Beim Verkauf eines Start-ups verdienen nicht nur die Gründer Millionen, im Idealfall auch das Team. Mitarbeiterbeteiligungen sind eine gängige Praxis und wurden per Gesetz reformiert. Allerdings erfolglos.

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Die Gehälter in jungen Start-ups sind für gewöhnlich nicht sehr hoch. Die vorhandenen Mittel werden häufig ins Wachstum gesteckt, in die Produktentwicklung und Expansion. Um dennoch fachkundige Talente anzulocken und vor allem auch zu behalten, bieten viele Start-ups ihren Angestellten eine Mitarbeiterbeteiligung an. Sogenannte ESOP, Employee Stock Option Plans, sind ein gängiges Werkzeug in der Gründerszene und haben schon so manchen Personen zu Boni in fünf- oder gar sechsstelliger Höhe verholfen.

Beim Börsengang von Facebook etwa wurden 23 Milliarden Dollar an die rund 3000 Angestellten verteilt. Viele frühe Mitarbeiter des pinken Essenslieferdiensts Foodora haben nach WirtschaftsWoche-Informationen einige Hunderttausende Euro zusätzlich durch ein solches ESOP-Programm verdient, als das Start-up schließlich von Delivery Hero übernommen wurde und dadurch an die Börse ging. Das gleiche gilt für Zalando-Mitarbeiter der ersten Jahre. Das HR-Tool Personio, das zuletzt mit 8,5 Milliarden Dollar bewertet wurde, macht ebenfalls zahlreiche Leute reich – zumindest auf dem Papier. „Wenn wir heute an die Börse gingen, würden mehr als 100 Mitarbeitende Millionäre werden“, sagte Chef Hanno Renner vorigen Sommer zu „Gründerszene.“

Kurz erklärt: Die Firmen verteilen Anteile an ihre Mitarbeiter, um sie am Unternehmenserfolg teilhaben zu lassen. Wird die Firma irgendwann verkauft oder geht an die Börse, können sich die Mitarbeiter ihre Anteile versilbern lassen. Geht das Unternehmen allerdings pleite oder wird man entlassen, sind die Anteilsoptionen nichts wert. Einige Unternehmen wie Personio oder das Steuerproramm Taxfix haben ihren Angestellten in der Vergangenheit daher angeboten, zwischendurch ihre Prozente zu Geld zu machen. Immer an gewisse Bedingungen geknüpft, allen voran die Beschäftigungszeit.

Was steckt hinter Mitarbeiterbeteiligungen

Eine große Hürde für Gründer und ihre Angestellten war in Deutschland bislang die doppelte Besteuerung von ESOPs. Halten Mitarbeiter also tatsächliche Anteile am Unternehmen und werden Gesellschafter, müssen sie gegebenenfalls zwei Mal Steuern zahlen. Einmal, sobald ihnen die Anteile versprochen werden. Und einmal, wenn diese verkauft und Gewinne ausgeschüttet werden.

Sobald der Arbeitgeber also Anteile ausgibt, auch wenn sie geschenkt sind, stuft das Finanzamt die Vereinbarung als geldwerten Vorteil ein – worauf direkt Lohnsteuer anfallen würde. Zumindest, wenn der Wert der Anteile den jährlichen Freibetrag von einst 1400 Euro übersteigt. Dass es sich nicht um eine Barzahlung handelt, sondern nur um einen theoretischen Anteil, der gar nicht veräußert werden kann, ist egal. Damit die Angestellten also nicht sofort Steuern begleichen müssen, wurde der Zeitpunkt für dafür um mehrere Jahre nach hinten verschoben. Aber unter Auflagen. Das nennt man Dry-Income-Problematik.

Zukunftsfinanzierungsgesetz bringt kaum Unterschiede

Mitarbeiter großer Start-ups waren davon ausgenommen. Sie mussten demnach Abgaben zahlen, ohne jemals Geld erhalten zu haben oder zu wissen, ob es überhaupt welches geben wird. Und dann noch eine Kapitalertragssteuer, sobald sie den Bonus bekommen. Nach unzähligen Diskussionen und mehreren Jahren Lobbyarbeit des Start-up-Verbands hat Finanzminister Christian Lindner im vorigen Sommer schließlich die Regelungen überarbeitet. Das Zukunftsfinanzierungsgesetz wurde im August mit viel Applaus und Lob entgegengenommen. Die Politik und die Start-up-Szene versprachen sich, mit dieser Neuerung vor allem auch mehr Talente aus dem Ausland anzuziehen. Denn in anderen Ländern wurde die ESOP-Besteuerung längst gelockert.

„Wir schaffen mit neuen Regelungen für die Mitarbeiterkapitalbeteiligung einen wichtigen steuerpolitischen Anreiz, von dem nicht nur junge Start-ups, sondern auch bereits etablierte, kleine und mittelständische Unternehmen profitieren werden“, ließ sich Lindner im August zitieren. Zum 1. Januar trat das Gesetz in Kraft. Der erwartete Umbruch blieb jedoch aus. Denn in der Praxis machen die neu eingeführten Regelungen kaum einen Unterschied.

Der jährliche Freibetrag wurde auf 2000 Euro angehoben. Die nachträgliche Besteuerung des geldwerten Vorteils von 12 auf 20 Jahre verlängert – falls das Unternehmen bis dahin nicht verkauft wurde. Und die Bedingungen für die betroffenen Unternehmen geändert. Vor der Gesetzänderung galten die eben genannten Regeln nur für Start-ups mit maximal 250 Angestellten und einem Jahresumsatz von 50 Millionen Euro. Jetzt greift die Neuerung auch bei Firmen mit maximal 500 Mitarbeitern und 100 Millionen Euro Umsatz.

In der Theorie war die Start-up-Reform ein Erfolg. In der Praxis sei das Thema Mitarbeiterbeteiligung immer noch viel zu kompliziert, heißt es aus der Gründerszene. Hört man sich bei Investoren um, ist ihnen kein Portfoliounternehmen bekannt, das sein ESOP-Programm seit Januar modernisiert hat. Auch der Deutsche Start-up-Verband kennt keine Fälle, heißt es auf Nachfrage.

Kritik ebbt nicht ab

„In der Praxis ist die derzeitige Einschränkung ein Anwendungshindernis. Auch wenn die Dry-Income-Besteuerung vermieden wird, fallen zum Zeitpunkt der Anteilsvergabe Sozialversicherungsbeiträge an. Das schränkt die Attraktivität ein und belastet gerade Mitarbeitende mit geringeren Einkommen übermäßig stark. Hier wären weitergehende Maßnahmen hilfreich“, so Christoph Stresing, Geschäftsführer des Start-up-Verbands.

Ihre Mitarbeiter müssten Start-ups in einer Kommanditgesellschaft versammeln, die wiederum am Unternehmen beteiligt ist. Die einzig sinnvolle Möglichkeit, sonst würde der Gesellschafterkreis aus Tausenden Parteien bestehen – allesamt mit Stimmrechten. Das ist ein komplexes Konstrukt, wofür große Tech-Firmen Know-how und Kapazitäten haben. Für junge, gerade gestartete Unternehmen steht eine Kommanditgesellschaft häufig außer Frage. Denn gerade in den ersten Monaten und Jahren gibt es wichtigere Themen, mit denen sich die Gründer befassen.

Das Milliarden-Start-up Personio ist von Lindners Neuerungen beispielsweise ausgeschlossen. Zu groß das Team, zu hoch der Umsatz. Vor allem: Personio hat seinen Betrieb auf diverse Gesellschaften verteilt. Eigentlich sollten solche Fälle mit Holding-Struktur über eine sogenannte Konzernklausel geregelt werden, die wurde kurzerhand aber aus dem Gesetz gestrichen. Das heißt: Bekommt jemand neue Anteile, zahlt diese Person eigentlich direkt Steuern auf den Wert der Papiere. „Um die Nachteile, die durch die Dry-Income-Problematik aktuell für unsere Mitarbeitenden entstehen würden, zu verhindern, geben wir virtuelle Aktienoptionen an unsere Mitarbeitenden aus“, so Personio-Chef Hanno Renner.

Der Großteil der Start-ups wähle diese Alternative, sogenannte VSOP, sagt auch Start-up-Lobbyist Stresing. Virtuelle Anteile werden vertraglich geregelt, die Angestellten haben keine Gesellschafterrechte. Die Gewinnausschüttungen funktionieren wie Boni und werden auf Seiten der Firma als Betriebsausgabe, beim Mitarbeiter als Einkommen verrechnet – und zwar nur, sobald die Summen ausgezahlt werden. Ein beliebtes Tool.

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VSOP-Programme sind von Lindners Zukunftsfinanzierungsgesetz allerdings ausgeschlossen. Sie haben nicht den Nachteil einer Dry-Income-Problematik, keine Notargänge, stattdessen flexible Regeln für die Teammitglieder. Die Politik arbeitet an der Realität der Start-up-Szene vorbei. „Das Zukunftsfinanzierungsgesetz hat für Mitarbeiterbeteiligungen wesentliche Verbesserungen mit sich gebracht“, so Stresing. Aber: Wenn gewisse Regelungen wie die Konzernklausel nicht angepasst werden, laufe das „Zukunftsfinanzierungsgesetz in der Praxis ins Leere.“

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