Rekordsubvention für US-Chiphersteller Darum ist der Intel-Deal eine Milchmädchen-Rechnung

Jörg Kukies (1. Reihe r.), Staatssekretär im Bundeskanzleramt, und Keyvan Esfarjani (1. Reihe l.), Intel-Vorstandsmitglied, sowie Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und Pat Gelsinger (2. Reihe l.), CEO von Intel, bei der Unterzeichnung einer Vereinbarung zwischen der Bundesregierung und Intel Quelle: dpa

Mit 9,9 Milliarden Euro fließt eine Rekordsubvention in Intels Magdeburger Chipfabrik. Dem US-Unternehmen ist der Poker nicht zu verübeln – der Bundesregierung dagegen umso mehr. Ein Kommentar.

  • Teilen per:
  • Teilen per:

Für Pat Gelsinger ist es offensichtlich ein Spaziergang gewesen. Der Intel-Chef schaute heute kurz im Kanzleramt vorbei, um einen Vertrag zu besiegeln, der längst beschlossene Sache war. 9,9 Milliarden Euro bekommt der US-Konzern, um in Magdeburg seine Chipfabrik hochzuziehen, 3000 Stellen sollen dort entstehen – macht 3,3 Millionen Euro pro Arbeitsplatz. Eine irre Summe!

Noch irrer: Die Bundesregierung hat die Rekordsubvention offenbar bereitwillig hingeblättert. Sie will das US-Unternehmen unbedingt in Sachsen-Anhalt sehen, koste es die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler, was es wolle. Das Prestigeprojekt soll beweisen, wie attraktiv der Standort für Investoren ist – trotz maroder Infrastruktur, mangelnder Digitalisierung, fehlender Fachkräfte und hoher Energiepreise. Willkommen im Phantasialand.

Die Zukunft lässt sich nicht herbeisubventionieren 

Denn die Zukunft lässt sich nicht herbeisubventionieren. Im Gegenteil. Die Bundesregierung droht dem Standort mit einer solchen Industriepolitik sogar zu schaden. Andere Unternehmen werden sich den Intel-Poker in den vergangenen Monaten nämlich sehr genau angeschaut haben.

Die Amerikaner hatten ihre Forderung von ursprünglich 6,8 Milliarden Euro auf jetzt fast zehn Milliarden Euro hochgeschraubt. Warum? Weil sie es konnten. Finanzminister Christian Lindner und Forschungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) hatten deutlich vor einer ausufernden Subvention an den Konzern gewarnt, der 2022 immerhin noch acht Milliarden Dollar Gewinn machte. 

Glaubt Scholz nicht an den Standort Deutschland?

Dagegen öffneten Robert Habeck (Grüne) und Olaf Scholz (SPD) nun ohne lautes Aufmurren die Staatskasse, offensichtlich in Sorge, dass Intel seine Fabriken sonst anderswo hochzieht. Damit haben sich der Kanzler und sein Wirtschaftsminister nicht nur erpressen lassen, sondern sie sind von der Attraktivität des Standorts selbst offenbar nicht ausreichend überzeugt und haben deshalb zu teuren Lockmitteln gegriffen. 

Die Ampel rechtfertigt diese bemerkenswerte Ansiedlungspolitik damit, dass die Chipversorgung für die Industrie gesichert und Arbeitsplätze im strukturschwachen Osten entstehen sollen – das aber dürfte Wunschdenken sein. 




Keine Liefergarantie für Chips

So will Intel in Magdeburg bisher gar nicht die High-End-Chips bauen, die von der Industrie so dringend gebraucht werden. Und selbst wenn doch, „werden die Chips ja dahin verkauft, wo die höchsten Preise dafür erzielt werden können – und nicht dahin, wo die höchsten Subventionen geflossen sind“, warnt der Ökonom Stefan Kooths, Top-Ökonom am Kieler Institut für Weltwirtschaft, im Interview mit der Wirtschaftswoche

Auch Arbeitsplätze würden angesichts des Fachkräftemangels nicht neu geschaffen, sondern nur zu einem Unternehmen verschoben – und das wohl zu Lasten des Mittelstands, der eben keine rekordsubventionierten Gehälter bieten kann. Die Förderung für Intel könnte sich am Ende deshalb als Milchmädchen-Rechnung entpuppen. Andere Konzerne werden nun versuchen, den Subventionspoker von Intel nachzuahmen, so entsteht ein fataler Subventionswettlauf.     

Zumal nicht ausgeschlossen werden kann, dass nicht auch Intel selbst auf halber Baustrecke noch einmal weitere Subventionen nachfordert. Der Konzern hat zuletzt Verluste gemacht, einstürzende Neubauten dürfte die Regierung in Magdeburg erst recht nicht sehen wollen.  

Dass Intel auch ohne Rekordsubventionen bereit ist zu investieren, hat das Unternehmen gerade in Israel gezeigt: 25 Milliarden Dollar will der Konzern dort in neue Chipfabriken stecken – vom Staat kommen als Unterstützung aber nur 3,2 Milliarden Dollar. Dafür aber gilt Israel als digitaler Vorreiter, es bietet ein ausgezeichnetes Start-up-Ökosystem und zieht IT-Fachkräfte aus aller Welt an.       

Entgeltumwandlung Lohnt sich betriebliche Altersvorsorge?

Einen Teil des Gehalts für betrieblich Altersvorsorge einsetzen: Rechnet sich das? Und: Geht es auch mit Aktien? Eine Fallanalyse.

Rezept zum Reichwerden? Das steckt hinter dem System von Deven Schuller

Ein selbsternannter Finanzexperte will seinen Kunden laut eigener Aussage dabei helfen, finanzielle Freiheit zu erreichen, und pflastert das Internet mit Werbung. Was steckt dahinter? Ein Selbstversuch.

Freiberufler-Report So viel verdienen Selbstständige in Deutschland

Zwei Euro mehr pro Stunde – und kaum noch ein Gender Pay Gap: Selbstständigen geht es auch in der aktuell schwierigen Lage recht gut. In welchen Bereichen sie am meisten verdienen.

 Weitere Plus-Artikel lesen Sie hier

Statt ein einzelnes Unternehmen mit einer so gigantischen Summe zu bezirzen, sollte die Bundesregierung den Standort Deutschland für alle Unternehmen attraktiv machen. Sie sollte in Bildung, Digitalisierung, Infrastruktur investieren, dazu Wachstum steuerlich entfesseln – statt industriepolitische Wunschträume auf Kosten der Steuerzahler zu verwirklichen.

Dieser Beitrag entstammt dem WiWo-Newsletter Daily Punch. Der Newsletter liefert Ihnen den täglichen Kommentar aus der WiWo-Redaktion ins Postfach. Immer auf den Punkt, immer mit Punch. Außerdem im Punch: der Überblick über die fünf wichtigsten Themen des Tages. Hier können Sie den Newsletter abonnieren

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%