Tauchsieder

Olaf, der Stolze

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Aus welcher Quelle bezieht Olaf Scholz seine Selbstzufriedenheit?

Noch einmal also: Aus welcher Quelle bezieht Olaf Scholz seine Selbstzufriedenheit? Er hat Putin seine Weltkriegsangst kommuniziert, stellt völlig abwegige historische Vergleiche aus der kriegslüsternen Schlafwandler-Zeit vor dem Ersten Weltkrieg an („Ich bin nicht Kaiser Wilhelm“) und fragt sich auf Twitter, ob „Gewalt mit Gewalt bekämpft werden“ darf. Er ruft bei Putin durch, um sich für den Fall der Lieferung schwerer Waffen vom Kremlchef bedrohen zu lassen - und knallt dem Bundestag eine Woche später eine detaillierte Lieferliste auf den Tisch, nur weil er das „dahergeredete Zeug“ des Oppositionsführers Friedrich Merz nicht mehr ertragen kann: „Das ist eine hochwirksame, eine hochschwere Waffe… zwölf der modernsten Panzerhaubitzen… das Abschießen von Flugzeugen…, das modernste Flugabwehrsystem.“ Also was jetzt? Gestern noch: Vorsicht, Atomkrieg? Und heute: Who the fuck is Putin? Nicht ihr Ernst, Herr Bundeskanzler!

Scholz preist sich auch permanent seiner ausgezeichneten Kontakte zu US-Präsident Joe Biden. Er stellt gern die Kongruenz zwischen Washington und Berlin ins politische Schaufenster, lobt hymnisch den „sehr lesenswerten und wohldurchdachten“ Aufsatz Bidens in der „New York Times“ - bringt aber selbst seit Monaten kein klares Wort über die Lippen.

Biden hat Putin mal einen „Schlächter“ genannt - während Scholz Moskau seit drei Monaten damit kalmiert, der Ukraine bloß nicht versehentlich einen „Sieg“ im Sinne der erfolgreichen Landesverteidigung zu wünschen. Biden sagt: „Jede Verhandlung findet auf der Basis militärischer Fakten statt… Wir haben schnell gehandelt und der Ukraine eine Menge an Waffen und Munition geliefert, damit sie auf dem Schlachtfeld kämpfen und am Verhandlungstisch eine möglichst starke Position einnehmen kann.“ Scholz hat definitiv nicht schnell gehandelt - und es fällt auch nicht schwer, sich vorzustellen, dass er Verhandlungen protegiert, sobald Putin den Donbass eingenommen hat und dem Westen signalisiert: Nun ist’s genug fürs Erste. 



Angesichts dessen ist die mit schneidender Arroganz gepaarte Dünnhäutigkeit des Kanzlers nicht nur befremdlich, sondern fast schon wieder beruhigend: Olaf, der Stolze scheint empfindlich für Kritik, weil er weiß, dass sie zutrifft. Er muss spüren, dass die gute Meinung von sich selbst die gute Meinung aller anderen verlässlich übertrifft – und dass es auf Dauer wenig erfolgversprechend ist, allein den eigenen Idealansprüchen zu genügen.

So gesehen, wäre die, nun ja: wilhelminische Art, mit der Scholz Widerspruch als Majestätsbeleidigung abkanzelt und ein Herrschaftswissen markiert, das außerhalb der Reichweite legitimer Kritik liegt, nur ein aggressiver Ausdruck seiner Fähigkeit zur Selbstkorrektur? 

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Wollen wir’s hoffen. Scholz hat sich bereits böse angewöhnt, in seinen Reden das eigene Handeln zu rezensieren und dabei selbstverständlich alles „richtig“ zu finden. Auch die Hoffart, mit der er sich über die „mathematischen Modelle“ der Ökonomen erhebt; die Herablassung, mit der er „Jungs und Mädels“ in den Reihen des Bundestags unterstellt, sie würden sich, unbeschwert von der atlasartigen Last der Verantwortung, die er selbst zu schultern habe, mit Blick auf den Krieg in der Ukraine von ihren Emotionen hinreißen lassen; der Dünkel, mit dem er sich „naseweise“ Kommentare und „Krams“ in Talk-Shows verbittet („Wo leben wir eigentlich?“); erst recht die moralische Scharfrichtergeste, mit der er politisierte Jugendliche in die Nähe nazistischer Rollkommandos rückt - das alles stünde selbst einem Regierungschef schlecht zu Gesicht, der die „Zeitenwende“ schon politisch nachvollzogen hätte.

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