Tracking der Energiewende #5 Brutto ein Vulkan, netto ein Wasserkocher

Energiewende in Deutschland: Der Rückstand wächst. Quelle: imago images

Während kaum Windkraftanlagen gebaut werden, verzeichnet die Fotovoltaik Rekorde. Doch die Lücken in der Gesamtrechnung kann das nicht ansatzweise schließen.

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Die Hoffnung der deutschen Energiewende heißt derzeit Fotovoltaik. Während der Ausbau der Windkraft kaum vom Fleck kommt, steigt die Zahl neuer Solaranlagen derzeit Woche für Woche deutlich an. So ist es wohl auch zu erklären, dass das Klimaschutzministerium von Robert Habeck (Grüne) nun zunehmend dieses Feld in den Blick nimmt. Bis aus gesetzlichen Erleichterungen zum Ausbau der Windkraft konkrete Projekte werden, dürften Monate oder gar Jahre vergehen. Von der Idee für eine neue Fotovoltaikanlage bis zum Netzanschluss vergehen hingegen oft nur ein paar Wochen.

Um den Ausbau der grünen Energie in Schwung zu bringen, schlägt Habecks Ministerium deshalb nun vor, den Bau von Solaranlagen auf landwirtschaftlichen Flächen zu erleichtern. Bisher sind die von der EEG-Förderung ausgeschlossen. Nun sollen Sie doch bezuschusst werden, wenn durch den Bau der Ertrag einer Fläche um höchstens 15 Prozent sinkt.

Das könnte entweder erreicht werden, indem die Anlagen auf Masten gesetzt werden und so weiterhin Landwirtschaft darunter möglich ist. Noch einfacher aber dürfte es sein, jeweils nur einen kleinen Teil einer Fläche für die Stromproduktion zu nutzen und auf dem Rest weiterhin Weizen oder Zuckerrüben anzubauen.

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Es kommt auf die Windkraft an

Noch ist nicht abzusehen, ob aus der Idee am Ende tatsächlich ein Gesetz wird. Klar hingegen ist schon jetzt: An der Versorgungslücke mit Grünstrom wird der Ausbau der Solarenergie nur wenig ändern. Um sich dauerhaft in relevantem Maße mit grünem Strom versorgen zu können, ist nicht Sonne, sondern nur Wind der relevante Treiber. Der Grund dafür liegt in der Energieausbeute.

Dass weder Wind noch Sonne so wie Atomkraft rund um die Uhr an allen Tagen des Jahres Energie liefern können, ist bekannt. Oft übersehen werden jedoch die Unterschiede zwischen den verschiedenen Energieträgern. Gerade erst hat sich Harry Wirth vom Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme damit in einer Studie beschäftigt. Er fasst das Problem so zusammen: „Aufgrund der Einstrahlungsbedingungen arbeiten PV-Anlagen nur etwas weniger als die Hälfte der insgesamt 8760 Jahresstunden, und dann auch meistens in Teillast.“

Das gilt zwar auch für die Windkraft, aber in weit geringerem Maße: Während die Windkraftanlagen an Land nach Fraunhofer-Berechnungen durchschnittlich 1960 Stunden im Jahr voll benutzt werden können, sind es bei Solaranlagen nur 910 Stunden. Stehen die Anlagen nicht auf Dächern, sondern auf dem freien Feld, liefern sie durchschnittlich 980 Stunden Energie. Mit Abstand am zuverlässigsten arbeiten derweil die Windkraftanlagen auf hoher See, die durchschnittlich 3820 Stunden im Jahr Energie produzieren.



In relativen Zahlen ausgedrückt liefern Solaranlagen auf Dächern derzeit nur 10,6 Prozent ihrer Kapazität, Windräder an Land immerhin 22,6 Prozent. Und dieses Verhältnis dürfte in Zukunft noch weiter zu Ungunsten der Solarenergie kippen. Bei Fotovoltaikanlagen lässt sich die Ausbeute nach Fraunhofer-Angaben auf maximal 1060 Volllaststunden steigern, das wären 12,1 Prozent der Kapazität. Innovationen in der Zusammensetzung der Solarzellen könnten die Quote zwar noch ein wenig steigern, bis diese am Markt eine wesentliche Rolle spielen, dürfte es aber noch dauern. Ganz anders bei der Windkraft an Land. Schon die Ausbeute der Windräder der aktuellen Generation liegt mit 2000 bis 2500 Stunden deutlich über dem Mittelwert, laut einer Branchenstudie sind an guten Standorten etwa in Schleswig-Holstein sogar bis zu 3500 Stunden möglich. Die Ausbeute läge damit mehr als dreimal so hoch wie bei einer Solaranlage, schon heute liegt der Faktor bei mindestens 2,5.

Diese Einschränkungen sind auch bei der Deutung der aktuellen Ausbauzahlen zu beachten. In der vergangenen Woche kam hier deutlich mehr neue Leistung aus Sonnenenergie als aus Windkraft hinzu.



Angegeben sind die Erträge in der Statistik jeweils in Megawatt Peak, was die maximal mögliche Stromausbeute darstellt. Der tatsächliche Ertrag aber liegt deutlich niedriger. Auf das Verhältnis von Wind und Sonne umgerechnet bedeutet das: Für jedes Megawatt Windenergie, das fehlt, müssten ungefähr 2,5 Megawatt Sonnenkraft hinzukommen, um die Lücke auszugleichen.

Entsprechend bemerkenswert ist es, dass in der vergangenen Woche erstmals in diesem Jahr relevante Mengen an Windstrom neu dazugekommen sind. Immerhin sechs Windräder wurden ans Netz angeschlossen, sie liefern – auf dem Papier – 25 Megawatt Energie. Da auch die Leistung der neu installierten Solaranlagen deutlich über dem Wert der Vorwoche lag, war es insgesamt der größte Zubauwert des Jahres.



Auch wenn die Richtung stimmen mag, bis zu den Jahreszielen ist es noch ein weiter Weg.

Auch in der vergangenen Rekordwoche wurde der dafür notwendige Durchschnittswert nicht erreicht, zudem muss der bereits entstandene Rückstand aufgeholt werden.



Besonders auffällig an den Entwicklungen in der vergangenen Woche ist der Zubau im Baden-Württemberg. Im Südwesten ist zum einen das erste Windrad des Jahres an den Start gegangen, ein Ereignis auf das noch vier Flächenländer (Bayern, Sachsen, Saarland, Rheinland-Pfalz) warten.

Auch beim Ausbau der Solarenergie lag Baden-Württemberg mit mehr als 23 Megawatt Zubau vorne.



Beim Ausbau der Windkraft macht die vergangene Woche erneut die Bedeutung einzelner besonders intensiv genutzter Regionen für den Gesamtausbau deutlich. So wurde auch diesmal besonders viel Leistung in Brandenburg (16 Megawatt) ans Netz angeschlossen, in immerhin vier der vergangenen sechs Wochen gingen hier neue Anlagen ans Netz. Mit Insgesamt 28 Megawatt Leistung kam fast ein Drittel der gesamten neu installierten Windleistung an Land aus Brandenburg.

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