Wachstumschancengesetz Abgespecktes Wachstumspaket im Bundestag beschlossen

Berlin: Christian Lindner (FDP), Bundesminister der Finanzen, spricht bei einer Plenarsitzung im Deutschen Bundestag. Quelle: dpa

Bundesrat und Bundestag liefern sich einen erbitterten Kampf um Hilfen für die bedrängte Wirtschaft. Nun hat der Bundestag das Gesetz beschlossen – trotz Ablehnung von Seiten der Union.

  • Teilen per:
  • Teilen per:

Der Bundestag hat am Freitag das nach Bund-Länder-Beratungen im Finanzvolumen deutlich reduzierte Wachstumschancengesetz beschlossen. Die Ampel-Fraktionen von SPD, Grünen und FDP hatten angekündigt, dass sie dem Ergebnis des Vermittlungsausschusses von Bundestag und Bundesrat vom Mittwochabend zustimmen würden. Dieser hatte eine Einigung erzielt, die aber von der Union nicht mitgetragen wurde. Dabei geht es um Steuererleichterungen im Volumen von etwa 3,2 Milliarden Euro. Es ist weiter ungewiss, ob das veränderte Gesetz am 22. März auch im Bundesrat eine Mehrheit findet. Die Union macht ihre Zustimmung davon abhängig, dass die Bundesregierung die vom Bundestag beschlossene Kürzung der Steuerhilfen für Diesel in der Landwirtschaft zurücknimmt.

In der namentlichen Abstimmung gab es 377 Ja- und 267 Nein-Stimmen bei einer Enthaltung. Die Union hatte ihre Ablehnung angekündigt. Der Parlamentarische Geschäftsführer der Union, Thorsten Frei, begründete dies mit den Kürzungen der Steuerhilfen beim Agrar-Diesel. "Wir sagen Nein zu einer Entscheidung, die vorgibt, die deutsche Wirtschaft zu entlasten, obwohl sie einen anderen Teil der Wirtschaft mit 450 Millionen Euro zusätzlich belasten will", sagte der CDU-Politiker.

Vertreter der Ampel warfen der Union vor, dringend nötige Wachstumsimpulse für die Wirtschaft zu blockieren. "Es braucht jetzt Signale zur steuerlichen Entlastung der deutschen Volkswirtschaft", sagte FDP-Fraktionschef Christian Dürr. Grünen-Vizefraktionschef Andreas Audretsch warf CDU-Chef Friedrich Merz vor, er nehme "Unternehmen in Deutschland in Geiselhaft für Ihre eigene Profilierung". Auch SPD-Politiker Michael Schrodi warf Merz vor, er wolle mit der Ablehnung der Regierung schaden, er treffe aber die Wirtschaft.

Worum es in dem Gesetz überhaupt geht

Ursprünglich sollte es ein milliardenschwerer Rundumschlag für alle Branchen sein, der Firmen in der Konjunkturflaute entlastet und Investitionen in den Klimaschutz anreizt. Lindner hatte fast 50 steuerpolitische Maßnahmen vorgeschlagen. Im Kern: eine Prämie für Klimaschutz-Investitionen, dazu steuerliche Forschungsförderung, eine bessere Verlustverrechnung und der Abbau bürokratischer Hürden.

Was die Länder dagegen hatten

Der Bundesrat blockierte das vom Bundestag beschlossene Paket mit dem Argument, Länder und Kommunen müssten einen Großteil der Kosten und Steuerausfälle schultern. Die Länderkammer rief deshalb den Vermittlungsausschuss an. In ersten Gesprächen strichen die Verhandlungspartner das Volumen der Entlastungen daraufhin bereits von einst geplanten sieben Milliarden Euro jährlich auf 3,2 Milliarden Euro zusammen. Übrig blieb im Grunde nur eine Light-Variante - vor allem steuerliche Entlastungen und Anreize, um die Bauwirtschaft anzukurbeln. Die Klimaschutz-Investitionsprämie, ursprünglich Kern des Gesetzes, wurde gekippt.

Was das Ganze mit dem Agrardiesel zu tun hat

SPD-geführte Länder zeigten sich mit der abgespeckten Lösung zufrieden, die Union jedoch machte für ihre Zustimmung eine zusätzliche Bedingung: SPD, Grüne und FDP müssten auf die vom Bundestag bereits beschlossene Streichung der Steuervergünstigung beim Agrardiesel für Landwirte verzichten. Daran hielten die Unionsvertreter auch im Vermittlungsausschuss fest.

Bundesratspräsidentin Manuela Schwesig (SPD) erklärte, die Ampel-Regierung habe deutlich gemacht, dass sie mit den Landwirten im Gespräch sei, um gemeinsame Lösungen zu finden. Die Länder erwarteten bis zur Bundesratssitzung am 22. März Vorschläge. Dobrindt sagte allerdings, er habe kein Vertrauen, dass die Ampel bis dahin ein substanzielles Ergebnis mit den Bauern vorlegen werde.

Was das Ergebnis des Vermittlungsausschusses genau bedeutet

Der Ausschuss hat 32 Mitglieder - jeweils 16 vom Bundesrat, vor allem Ministerpräsidenten, und 16 vom Bundestag. Die Ländervertreter sind hier im Unterschied zu Abstimmungen im Bundesrat nicht weisungsgebunden. Das heißt: Wenn sich eine Koalitionsregierung in einem Land nicht auf eine Position einigen kann, muss sich das Land, anders als im Bundesrat, nicht enthalten.

Die Union wollte dem Vernehmen nach eine Vertagung des Vermittlungsausschusses - das aber lehnte die Ampel-Seite ab. SPD, Grüne und FDP wollten auch nicht auf die Forderung der Union eingehen und die Agrardiesel-Streichung zurücknehmen. Die Union habe keinerlei Interesse gezeigt, über das Wachstumschancengesetz selbst zu sprechen, kritisierte Grünen-Fraktionschefin Britta Haßelmann. Es sei CDU und CSU einzig und allein um die politische Verknüpfung mit dem Agrardiesel gegangen.

So kam es zu einem sogenannten unechten Ergebnis: Mit der Mehrheit der Ampel und ohne Zustimmung der Union nahm der Vermittlungsausschuss das Verhandlungsergebnis zum abgespeckten Wachstumspaket an. Die Ampel spielte damit den Ball aufs Spielfeld der Union, die nun unter Druck geraten könnte. Denn viele Wirtschaftsverbände wollen das Wachstumspaket unbedingt.

Showdown im Bundesrat

Im Bundesrat kommt es am 22. März nun zu einer neuen Abstimmung - quasi zum Showdown. Hier wird erneut abgestimmt. Die Länder müssen dem Gesetz zustimmen, damit es in Kraft treten kann. Die Ampel-Partner forderten die Union auf, sich ihr Votum noch einmal gut zu überlegen. Das Kalkül von SPD, Grünen und FDP lautet: Der Druck aus der Wirtschaft auf die Union wird immens sein, doch zuzustimmen. Direkt am Mittwochabend meldete sich der Verband der Chemischen Industrie: „Mit dem Wachstumschancengesetz hätten Bund und Länder nach 15 Jahren steuerpolitischer Rückschritte endlich einen ersten richtigen Schritt nach vorne gemacht, um den Reformstau in Deutschland zu lösen. Diese Chance wurde vertan.“

Altersvorsorge Drohender Renten-Schock: Die hochriskanten Investments der Versorgungswerke

Berufsständische Versorgungswerke erwirtschaften Renten für Ärzte, Anwälte und Mediziner. Doch sie haben Geld überaus riskant angelegt – mit potenziell dramatischen Folgen.

Frauenförderung à la Siemens Siemens-Managerin klagt an: Nutzt der Konzern Compliance als Mitarbeiter-Entsorgungstool?

Der Fall einer Siemens-Managerin, die schwanger wurde und nun um ihren Job kämpfen muss, erschüttert den Dax-Konzern. Nun droht der mit ihr verheiratete Personalchef in Mitleidenschaft gezogen zu werden.

Selbstversuch Der Weg zum eigenen Wald – für kleines Geld

Unser Autor träumt von einem Wald. Er bekommt ihn für wenig Geld bei einer Zwangsversteigerung.

 Weitere Plus-Artikel lesen Sie hier

Die Ampel geht aber mit ihrem Vorgehen im Vermittlungsverfahren auch ein Risiko ein: Bleibt die Union hart und halten alle unionsgeführten Länder zusammen und es scheren nicht einige von der Linie aus, könnten die Entlastungspläne scheitern - angesichts der Konjunkturflaute könnte dies ein fatales Signal an die Wirtschaft sein, dass man sich auf die Politik nicht mehr verlassen kann.

Lesen Sie auch: Zerbricht die Ampel in diesem Jahr?

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%