Während Deutschland noch abstrakt über europäische Atombomben streitet, bekommt die Bundesregierung jetzt echte, konkrete Probleme – sie betreffen die Kosten für die deutsche Teilhabe am amerikanischen Nuklearschirm.
Um diese Teilhabe zu gewährleisten, hat die Ampel nämlich in Eile neue F35-Tarnkappenbomber in den USA bestellt. Probleme macht jetzt die Infrastruktur für die modernen Kampfjets. Die Modernisierung ihres neuen Heimatflughafens – des Fliegerhorsts im rheinland-pfälzischen Büchel – wird mehr als doppelt so teuer wie erwartet. Das zeigt eine Regierungsvorlage an den Haushaltsausschuss, die der WirtschaftsWoche vorliegt. Darin wird im „worst case“ mit einen Kostenanstieg auf bis zu 1,2 Milliarden Euro gerechnet, um die Infrastruktur für den F35 am Nato-Fliegerhorst bis 2027 bereitstellen zu können.
Schuld sei die personelle Überlastung der Bauverwaltung in Rheinland-Pfalz. Man sei vor Ort nicht in der Lage, „die erforderlichen Prozessschritte zeitgerecht vornehmen zu können.“ Deshalb verhandelt das Verteidigungsministerium aktuell stattdessen mit einem Generalunternehmer über den Ausbau von Büchel. „Damit ergibt sich ein Mehrbedarf von bis zu insgesamt 645.812.000 Euro“, heißt es in der Vorlage, die als „VS“ – also nur für den Dienstgebrauch – eingestuft ist.
Eine anderweitige Unterbringung des F35 sei nicht möglich, heißt es weiter. Schuld sei der enge Zeitplan. Als „außerordentlich ambitioniert“, beschreibt ihn die Bundesregierung. Noch im Februar sollen demnach die neuen Verhandlungen für den Ausbau beendet sein. Dann müsse der Zuschlag bis „spätestens 6. März 2024 erteilt werden, wenn keine Wiederholung der Ausschreibung riskiert werden soll“, heißt es.
Im eng getakteten Zeitplan des Projekts seien keine Zeitpuffer vorgesehen und eine Nichtvergabe des Auftrags wäre mit erheblichen Nachteilen verbunden. Eine Verzögerung bedeute eine „Gefährdung der sicherheitspolitischen Interessen der Bundesrepublik Deutschland“, schreibt die Regierung. Es bestehe dann das Risiko, dass die in 2027 zur Auslieferung anstehenden deutschen Luftfahrzeuge F35 „abgenommen und hernach eingelagert und einer Stillstandswartung“ unterzogen werden müssten, was zusätzliche Kosten verursachen würde.
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Auch eine Anlage des Bundesverteidigungsministeriums erläutert diese Punkte. Für die Kostensteigerung verantwortlich sieht das Haus von Minister Boris Pistorius ein „enges, ambitioniertes Zeitkorsett“, „hohe und aufwändige US-Sicherheitsforderungen“, eine „schwierige Topgrafie“ des Flugplatzes Büchel und Ausfallzeiten durch andere Nato-Übungen am Fliegerhorst.
Schneller schlau: Nato
Der Kurzname Nato steht für
North
Atlantic
Treaty
Organization
– auf Deutsch: Organisation des Nordatlantikvertrags
Die Nato ist eine Allianz von europäischen und nordamerikanischen Ländern. Grundsätzlich heißt es bei der Nato, eine Nato-Mitgliedschaft sei offen für „jeden anderen europäischen Staat, der in der Lage ist, die Grundsätze dieses Vertrags zu fördern und zur Sicherheit des nordatlantischen Gebiets beizutragen.“
Um Mitglied zu werden, muss man den sogenannten „Membership Action Plan“ der Nato erfüllen. Zu diesem Plan wird man von der Nato eingeladen.
Mit Schwedens Beitritt im März 2024 und dem Beitritt Finnlands im April 2023 hat die Nato aktuell insgesamt 32 Mitglieder.
Seit 1949 sind Belgien, Dänemark, Frankreich, Großbritannien, Island, Italien, Kanada, Luxemburg, die Niederlande, Norwegen, Portugal und die USA dabei. Sie gelten als Gründungsmitglieder.
Später traten Griechenland und die Türkei (1952), Deutschland (1955), Spanien (1982), Polen, die tschechische Republik und Ungarn (1999), Bulgarien, Estland, Lettland, Litauen, Rumänien, Slowakei, Slowenien (2004), Albanien und Kroatien (2009), Montenegro (2017) und Nordmazedonien (2020) bei.
Stand: 11. März 2024
Die Nato und all ihre Mitglieder haben sich dazu verpflichtet, dass ein Angriff gegen eines oder mehrere ihrer Mitglieder einen Angriff gegen alle darstellt. Dies ist das sogenannte Prinzip der kollektiven Selbstverteidigung. Es ist in Artikel 5 des Washingtoner Vertrags festgeschrieben und fand in der Geschichte der Nato erst einmal Anwendung: als Antwort auf die Terroranschläge des 11. Septembers 2001 in den USA.
Laut Angaben der Nato beraten sich die Mitglieder täglich zu Sicherheitsfragen. Demnach kommen hunderte Beamte sowie zivile und militärische Experten jeden Tag zusammen.
Ein Nato-Beschluss ist „der Ausdruck des kollektiven Willens aller Mitgliedsstaaten“, schreibt die Nato fest. Alle Entscheidungen werden konsensbasiert getroffen, also nach Diskussion und Konsultation zwischen den Mitgliedsländern. Bei der Nato gibt es keine Abstimmungen. Ein Beschluss ist immer das Ergebnis von Beratungen, bis eine für alle akzeptable Entscheidung getroffen ist.
Der Nato-Generalsekretär ist der höchste internationale Beamte im Bündnis. Er ist das öffentliche Gesicht der Nato, leitet den Internationalen Stab der Organisation und verantwortet die Steuerung der Beratungen und die Entscheidungsfindung in der Allianz.
Die Nato hat sich dazu verpflichtet, nach friedlichen Lösungen von Konflikten zu suchen. „Doch wenn diplomatische Anstrengungen scheitern, hat sie die militärische Macht, Operationen des Krisenmanagements durchzuführen“, heißt es bei der Nato. Diese müssen den eigenen Auflagen zufolge „im Rahmen der Beistandsklausel im Gründungsvertrag der Nato – Artikel 5 des Washingtoner Vertrags – oder mit einem Mandat der Vereinten Nationen erfolgen, entweder allein oder in Zusammenarbeit mit anderen Ländern und internationalen Organisationen.“
Neu sind diese Gründe freilich nicht. Bereits im November 2022 hatte die WirtschaftsWoche über massive Bedenken bezüglich des Zeitplans für den F35-Bomber berichtet. Als kaum zu schaffen hatten Beteiligte die Pläne des Ministeriums beschrieben. Auch Mitarbeiter des zivilen Bauamts Rheinland-Pfalz hatten vor personeller wie finanzieller Überlastung angesichts des Projekts gewarnt. „Die Deutschen müssen beim Ausbau zu ihren eigenen Regeln auch noch die strengeren US-Vorschriften einhalten“, erklärte Michael Santo. Er ist Chef der Münchner Beratung H & Z und war zuvor viele Jahre bei der Bundeswehr tätig. Das mache die Einhaltung der ehrgeizigen Startpläne erheblich schwieriger.
Ein Ministeriumssprecher versicherte damals gegenüber der WirtschaftsWoche, dass der enge Zeitplan sowohl zeitlich als auch finanziell kein Problem sei. Die Aussage muss Verteidigungsminister Pistorius jetzt wohl revidieren. Hinzu kommt Beteiligten zufolge ein heftiger Streit zwischen Bundesfinanz- und Verteidigungsministerium über die Begleichung der neuen Kosten, die aus dem Sondervermögen bezahlt werden müssen. Das Bundesfinanzministerium fordert dem Vernehmen nach, die Mittel woanders zu streichen. Das Bundesverteidigungsministerium weigert sich. Es bleibt also offen, wie der teurere Flugplatz am Ende überhaupt refinanziert werden soll.
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