Das Satellitennetzwerk Starlink ist auf dem Schlachtfeld in der Ukraine überlebenswichtig. Der Verbund von Kleinsatelliten des US-Milliardärs Elon Musik kann auch entlegene Gebiete mit Internet versorgen. Um sicherheitspolitisch unabhängig zu sein, will die Europäische Union eine eigene Alternative – Iris 2 – aufbauen, die sowohl Staaten als auch Unternehmen zur Verfügung stehen soll. Doch wer die Umsetzung übernimmt, darüber gab es zuletzt Meinungsverschiedenheiten.
Nach Recherchen des „Handelsblatts“ sind sich der zuständige französische EU-Kommissar Thierry Breton und Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck bei der Umsetzung nicht einig, insbesondere die Ausschreibungsregeln stoßen in Berlin offenbar auf Unverständnis. Der Grund: Bleibt alles wie bisher geplant, wird das Projekt mit 12 Milliarden Euro nicht nur 40 Prozent teurer als geplant, sondern vor allem von französischen Unternehmen dominiert. Es stellt sich also die Frage, ob Breton hier sein eigenes Land bevorzugt oder ob Deutschland schlicht das Know-how fehlt.
Aus Sicht des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt liegt das Manko der bisherigen Planungen im fehlenden Wettbewerb. Deutschland verfüge „über wettbewerbsfähige industrielle Lösungen einer breiten Industrielandschaft, die sowohl große Systemhäuser, Unternehmen mittlerer Größe als auch KMU und Start-ups umfasst“. Das DLR erwartet daher Nachbesserungen insbesondere bei der Einbeziehung von KMU und Start-ups. So sieht es auch das Wirtschaftsministerium in Berlin: Eine faire Beteiligung zu Beginn als auch während der langen Betriebsphase müsse gewährleistet sein, „damit sich ein europäisches industrielles Ökosystem weiterentwickeln kann“, heißt es.
Verpasste Chancen
Die deutschen Raumfahrtexperten sehen vor allem in den Bereichen Cybersicherheit, Laserkommunikation und Betriebsüberwachung im Weltraum die Felder, auf denen ein entscheidender Beitrag zum europäischen Projekt geleistet werden kann. Während bei der Auswahl der Bodenstationen nur noch der Standort des Metabetreibers für die sichere Regierungskommunikation offen ist, wirbt das DLR besonders für die Einbeziehung beim Thema der „quasi abhörsicheren“ Laserkommunikation. Hier greife „sogar die amerikanische Space Development Agency (SDA) auf deutsche Technologie zurück“. Nach Angaben der Europäischen Weltraumorganisation ESA ist diese „in der Lage, zuverlässiger und über größere Entfernungen Verbindungen herzustellen und größere Datenmengen zu übertragen“.
Aber auch bei Solarzellen, Solargeneratoren für Satelliten, Hochfrequenzausrüstung der Kommunikationsnutzlast, elektrischen Antrieben und Lageregelung seien deutsche Unternehmen führend. In diesem Zusammenhang verweisen die Experten erneut auf die Leistungsfähigkeit kleiner und mittlerer Unternehmen, die sich „auch in der Raumfahrt als besondere Ideenschmieden“ erwiesen hätten.
Künftig könne Deutschland auch im Bereich der Quantenkommunikation zu Iris 2 beitragen. Die Idee dahinter: Quantenzustände sollen zur abhörsicheren Kommunikation genutzt werden – ähnlich den Nullen und Einsen in der binären digitalen Welt. Die entsprechenden Schlüsseltechnologien müssten dafür aber erst entwickelt und im Weltraum erprobt werden, so das DLR.
Grundsätzlich steht das BMWK fest hinter dem europäischen Projekt: „Raumfahrt muss heute als kritische Infrastruktur eingestuft werden. Der Krieg in der Ukraine hat das nochmal deutlich gemacht.“ Die Verfügbarkeit von Raumfahrttechnologien und weltraumgestützten Systemen und Fähigkeiten sei in vielen Fällen ein Schlüsselinstrument für staatliche Handlungsfähigkeit. Die Bundesregierung wolle aber die Bereitstellung von Dienstleistungen und Services stärker in den Vordergrund rücken, auch um private Mittel zu aktivieren. „Perspektivisch ist es unser Ziel die Raumfahrtindustrie dazu befähigen, wettbewerbsfähig und privatwirtschaftlich kommerzielle Raumfahrtmärkte zu bedienen und aufzubauen.“
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