Kredite haben sich seit dem Ende der Nullzinsphase im Euroraum verteuert. Immobilienkäufer, Hausbauer oder Unternehmen hoffen daher auf eine baldige Senkung der Leitzinsen. Bislang haben die Euro-Währungshüter die Zinszügel trotz deutlich gesunkener Inflation allerdings nicht gelockert. Heute entscheidet der Rat der Europäischen Zentralbank (EZB) über den weiteren geldpolitischen Kurs.
Wie entwickelt sich die Inflation?
Nach Rekordhöhen infolge des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine hat sich die Teuerung im gemeinsamen Währungsraum der 20 Staaten mittlerweile wieder deutlich abgeschwächt. Im März stiegen die Verbraucherpreise im Vergleich zum Vorjahresmonat nach einer ersten Schätzung des Statistikamtes Eurostat um 2,4 Prozent. Im März 2023 lag die Inflationsrate noch bei 6,9 Prozent.
„Einziger Wermutstropfen bleibt die hartnäckig hohe Preisdynamik bei Dienstleistungen“, sagte NordLB-Chefvolkswirt Christian Lips zu den aktuellen Zahlen. „Hier kommt den bevorstehenden Lohnabschlüssen eine hohe Bedeutung zu, weshalb die EZB noch neue Daten zur Lohnentwicklung abwarten will.“
Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer mahnt: „Im Kampf gegen die Inflation ist die letzte Meile die schwierigste.“ Die EZB strebt mittelfristig eine jährliche Inflationsrate von zwei Prozent an. Bei diesem Wert sehen die Währungshüter Preisstabilität gewährleistet. Höhere Teuerungsraten schmälern die Kaufkraft von Verbrauchern. Sie können sich dann für einen Euro weniger leisten.
Warum zögert die EZB bislang mit Zinssenkungen?
Um die zeitweise hohe Inflation in den Griff zu bekommen, hatten die Währungshüter im Juli 2022 die Jahre der Null- und Negativzinsen beendet und die Zinsen zehnmal in Folge erhöht. Die Inflation nähert sich inzwischen dem 2-Prozent-Ziel, doch die Notenbank möchte sichergehen, dass die Gefahr stark steigender Preise tatsächlich gebannt ist. Die jüngste Entwicklung der Teuerungsrate mache die Währungshüter zuversichtlicher, aber „nicht hinreichend zuversichtlich“, hatte EZB-Präsidentin Christine Lagarde nach der Ratssitzung im März gesagt.
Nach Einschätzung von BVR-Chefvolkswirt Andreas Bley spricht vieles für eine im Trend weiter sinkender Inflation, die Unsicherheiten blieben aber hoch. Die Energiepreise stiegen aktuell wieder und die Löhne wüchsen kräftig. Daher sollte die EZB jeden weiteren Zinsschritt von der Datenlage abhängig machen. „Ein Auf und Ab des Leitzinses würde zu einer starken Verunsicherung der Bürgerinnen und Bürger sowie der Finanzmärkte führen.“
Was bedeuten die Entscheidungen der EZB für Sparer?
Seit ihrem Höhepunkt gegen Ende vergangenen Jahres sind die Festgeldzinsen nach Daten des Vergleichsportals Verivox bereits spürbar gesunken. Bundesweit verfügbare Festgeldanlagen mit zwei Jahren Laufzeit bringen demnach im Schnitt zurzeit 2,89 Prozent (Stand: 5. März), Anfang Dezember waren es 3,36 Prozent.
Schneller schlau: Inflation
Wenn die Preise für Dienstleistungen und Waren allgemein steigen – und nicht nur einzelne Produktpreise – so bezeichnet man dies als Inflation. Es bedeutet, dass Verbraucher sich heute für zehn Euro nur noch weniger kaufen können als gestern noch. Kurz gesagt: Der Wert des Geldes sinkt mit der Zeit.
Die Inflationsrate, auch Teuerungsrate genannt, gibt Auskunft darüber, wie hoch oder niedrig die Inflation derzeit ist.
Um die Inflationsrate zu bestimmen, werden sämtliche Waren und Dienstleistungen herangezogen, die von privaten Haushalten konsumiert bzw. genutzt werden. Die Europäische Zentralbank (EZB) beschreibt das wie folgt: „Zur Berechnung der Inflation wird ein fiktiver Warenkorb zusammengestellt. Dieser Warenkorb enthält alle Waren und Dienstleistungen, die private Haushalte während eines Jahres konsumieren bzw. in Anspruch nehmen. Jedes Produkt in diesem Warenkorb hat einen Preis. Dieser kann sich mit der Zeit ändern. Die jährliche Inflationsrate ist der Preis des gesamten Warenkorbs in einem bestimmten Monat im Vergleich zum Preis des Warenkorbs im selben Monat des Vorjahrs.“
Eine Inflationsrate von unter zwei Prozent gilt vielen Experten als „schlecht“, da sie ein Zeichen für schwaches Wirtschaftswachstum sein kann. Auch für Sparer sind diese niedrigen Zinsen ein Problem. Die EZB strebt mittelfristig eine Inflation von zwei Prozent an.
Deutlich gestiegene Preise belasten Verbraucherinnen und Verbraucher. Sie können sich für ihr Geld weniger leisten. Der Privatkonsum ist jedoch eine wichtige Stütze der Konjunktur. Sinken die Konsumausgaben, schwächelt auch die Konjunkturentwicklung.
Von Disinflation spricht man, wenn die Geschwindigkeit der Preissteigerungen abnimmt – gemeint ist also eine Verminderung der Inflation, nicht aber ein sinkendes Preis-Niveau.
Eine Leitzinssenkung im Sommer sei in den aktuellen Festgeldkonditionen schon weitgehend eingepreist, erläuterte Verivox-Experte Oliver Müller. „Sollten die Währungshüter angesichts der gesunkenen Inflation im Euroraum nicht nur eine, sondern sogar zwei Leitzinssenkungen in Aussicht stellen, könnten die Festgeldzinsen noch tiefer in den Keller gehen.“
Auf einem Festgeldkonto wird Erspartes für einen bestimmten Zeitraum angelegt. Sparer können in dieser Zeit nicht über das Geld verfügen und Geldhäuser ihre Konditionen nicht anpassen. Die Finanzinstitute versuchen daher, die erwartete Zinsentwicklung im Voraus zu berücksichtigen.
Beim Tagesgeld stagnieren die Zinsen bundesweit verfügbarer Angebote den Verivox-Daten zufolge bei durchschnittlich 1,75 Prozent. „Perspektivisch rechnen wir auch beim Tagesgeld mit sinkenden Zinsen“, sagte Maier. Die Zinsen für täglich verfügbare Einlagen können die Kreditinstitute jederzeit ändern und an die aktuelle Marktlage anpassen.
Was bedeuten sinkende Zinsen für Kreditnehmer?
Ende Oktober waren es noch über vier Prozent.
Wie hängen Zinsen und Konjunktur zusammen?
Höhere Zinsen verteuern Kredite, was die Nachfrage bremsen kann. Das hilft, die Inflationsrate zu senken. Zugleich sind teurere Kredite eine Last für die Wirtschaft, weil sich kreditfinanzierte Investitionen verteuern. Manche Unternehmen überdenken daher ihre Investitionen. Private Hausbauer ebenso wie große Investoren halten sich mit Bauprojekten zurück. Das kann neben anderen Faktoren wie beispielsweise einem schwächeren Welthandel die Wirtschaftsentwicklung im Euroraum dämpfen.
Die Konjunkturaussichten für den gemeinsamen Währungsraum hatten sich zuletzt eingetrübt. Die EZB sagte in ihrer jüngsten Prognose im März 0,6 Prozent Wachstum für dieses Jahr voraus, im Dezember waren noch 0,8 Prozent erwartet worden. Wegen der Konjunkturschwäche waren Forderungen nach baldigen Zinssenkungen laut geworden.
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