In Deutschland hat sich der Preisauftrieb auf Herstellerebene deutlich abgeschwächt und Hoffnungen auf einen Rückgang der hohen Inflation geschürt. Im Oktober stiegen die Produzentenpreise im Jahresvergleich um 34,5 Prozent, wie das Statistische Bundesamt am Montag in Wiesbaden mitteilte. Im Vormonat hatte die Rate mit 45,8 Prozent noch wesentlich höher gelegen. Im Monatsvergleich gingen die Erzeugerpreise sogar um 4,2 Prozent zurück. Es war der erste Rückgang seit Mai 2020.
Energie verteuert sich im Jahresvergleich nach wie vor stark, im Monatsvergleich gibt es aber eine spürbare Entlastung. So lagen die Energiepreise im Oktober zwar 85,6 Prozent höher als ein Jahr zuvor, gegenüber dem Vormonat gaben sie aber um 10,4 Prozent nach. Laut Statistikamt waren auf Monatssicht vor allem Strom und Erdgas günstiger, nachdem es in den Monaten zuvor teils starke Preissteigerungen gegeben hatte. Weiterhin deutliche Preisanstiege gibt es auf Jahressicht bei Nahrungsmitteln und Vorleistungsgütern.
Vom Ausmaß der Abschwächung überrascht
Experten hatten zwar eine schwächere Dynamik bei den Erzeugerpreisen gerechnet, wurden aber vom Ausmaß der Abschwächung überrascht. Am Markt war eine deutliche höhere Jahresrate von 42,1 Prozent erwartet worden. Im Monatsvergleich hatten Analysten im Schnitt sogar mit einem weiteren Preisanstieg gerechnet.
„Ein spektakulärer Preisrückgang nach all den Monaten mit deutlichen Preisanstiegen“, kommentierte Ökonom Jens-Oliver Niklasch von der Landesbank Baden-Württemberg. „Vielleicht das erste Signal eines gewissen, konjunkturbedingten Nachlassens des Preisdrucks.“ Allerdings könnten sich die Endverbraucher noch nicht so richtig mitfreuen, da die Energiepreise vor allem für Großverbraucher gesunken seien.
Inflationsproblem noch lange nicht überwunden
Ökonom Ralph Solveen von der Commerzbank sprach von einem Hoffnungszeichen. Allerdings sei der rückläufige Preisauftrieb zum überwiegenden Teil auf die Energiepreise zurückzuführen. Bei anderen Gütern habe sich die Vorjahresrate nur leicht verringert. „Damit machen die heutigen Zahlen Hoffnung, dass auch bei den Verbraucherpreisen bald der Hochpunkt der Inflationsrate erreicht wird.“ Überwunden sei das Inflationsproblem damit aber noch lange nicht.
Die Verbraucherpreise in Deutschland lagen im Oktober 10,4 Prozent über dem Vorjahresmonat - der stärkste Anstieg seit 1951. Auch im deutschen Großhandel hatte sich der starke Preisauftrieb zuletzt deutlich abgeschwächt - die tendenziell zu beobachtende Entspannung könnte auch bei Verbrauchern ankommen.
Schneller schlau: Inflation
Wenn die Preise für Dienstleistungen und Waren allgemein steigen – und nicht nur einzelne Produktpreise – so bezeichnet man dies als Inflation. Es bedeutet, dass Verbraucher sich heute für zehn Euro nur noch weniger kaufen können als gestern noch. Kurz gesagt: Der Wert des Geldes sinkt mit der Zeit.
Die Inflationsrate, auch Teuerungsrate genannt, gibt Auskunft darüber, wie hoch oder niedrig die Inflation derzeit ist.
Um die Inflationsrate zu bestimmen, werden sämtliche Waren und Dienstleistungen herangezogen, die von privaten Haushalten konsumiert bzw. genutzt werden. Die Europäische Zentralbank (EZB) beschreibt das wie folgt: „Zur Berechnung der Inflation wird ein fiktiver Warenkorb zusammengestellt. Dieser Warenkorb enthält alle Waren und Dienstleistungen, die private Haushalte während eines Jahres konsumieren bzw. in Anspruch nehmen. Jedes Produkt in diesem Warenkorb hat einen Preis. Dieser kann sich mit der Zeit ändern. Die jährliche Inflationsrate ist der Preis des gesamten Warenkorbs in einem bestimmten Monat im Vergleich zum Preis des Warenkorbs im selben Monat des Vorjahrs.“
Eine Inflationsrate von unter zwei Prozent gilt vielen Experten als „schlecht“, da sie ein Zeichen für schwaches Wirtschaftswachstum sein kann. Auch für Sparer sind diese niedrigen Zinsen ein Problem. Die EZB strebt mittelfristig eine Inflation von zwei Prozent an.
Deutlich gestiegene Preise belasten Verbraucherinnen und Verbraucher. Sie können sich für ihr Geld weniger leisten. Der Privatkonsum ist jedoch eine wichtige Stütze der Konjunktur. Sinken die Konsumausgaben, schwächelt auch die Konjunkturentwicklung.
Von Disinflation spricht man, wenn die Geschwindigkeit der Preissteigerungen abnimmt – gemeint ist also eine Verminderung der Inflation, nicht aber ein sinkendes Preis-Niveau.
Die Erzeugerpreise erfassen den Preisdruck auf Herstellerebene, indem sie die Verkaufspreise der Produzenten abbilden. Die Entwicklung wirkt sich normalerweise auf die Verbraucherpreise aus, an denen die Europäische Zentralbank (EZB) ihre Geldpolitik ausrichtet. Angesichts der hohen Teuerung hat die EZB ihre Leitzinsen nach einigem Zögern deutlich angehoben. Es werden weitere Zinserhöhungen erwartet.
„Einkaufspreise erst zu 34 Prozent durchgereicht“
Trotz der schwächeren Dynamik bei den Erzeugerpreisen sehen Experten kein schnelles Ende der hohen Teuerung in Deutschland. Eine aktuelle Umfrage des Ifo-Instituts zeigt, dass die Inflationsgefahr nicht gebannt ist. Die deutschen Unternehmen geben ihre gestiegenen Einkaufspreise demnach nur langsam und unvollständig an ihre Kunden weiter. „Die Firmen haben in den vergangenen Monaten ihre Einkaufspreise erst zu 34 Prozent durchgereicht“, wie das Forschungsinstitut am Montag in München mitteilte. Erst in den kommenden Monaten wollen die Firmen die hohen Kosten beispielsweise beim Einkauf von Rohstoffen stärker durchreichen, heißt es.
Eine schwache Nachfrage, Wettbewerbsdruck und langfristige Vertragslaufzeiten hemmen die Firmen bei Preiserhöhungen, wie aus der Ifo-Umfrage unter 6500 Unternehmen hervorgeht. Die verzögerte Weitergabe der Einkaufspreise wird nach Einschätzung des Ifo Einfluss auf die künftige Preisdynamik haben. „Dies führt voraussichtlich zu weiterem Inflationsdruck bei den Verbraucherpreisen in den nächsten Monaten“, sagte Ifo-Forscher Manuel Menkhoff.
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