Windows 11, die derzeit neueste Version des Betriebssystemklassikers, ist im Oktober 2021 erschienen. Seitdem hat sich die IT-Welt so stark weiterentwickelt wie selten zuvor: Die Veröffentlichung der auf Sprachverarbeitung spezialisierten künstlichen Intelligenz (KI) ChatGPT vor einem Jahr hat ein regelrechtes Branchenbeben verursacht. Insbesondere Microsoft, der größte Anteilseigner der ChatGPT-Mutter OpenAI, hat Funktionen für generative KI, etwa einen KI-Copiloten, in kürzester Zeit in viele seiner Office-Produkte eingebaut – ein Schritt, der sich bereits heute für den US-Konzern aus Redmond auszahlt.
Nun mehren sich die Indizien, dass Microsoft schon jetzt kräftig am Betriebssystemnachfolger Windows 12 arbeitet: Mehrere IT-Manager gehen davon aus, dass der Neuaufguss ebenfalls diverse KI-Funktionen enthalten dürfte – und bereits im Jahr 2024 auf den Markt kommen könnte. Manche Computerhersteller erwarten sich davon einen regelrechten Boom spezieller KI-PCs.
Laut einem Bericht der taiwanische Zeitschrift „Commercial-Times“ etwa haben kürzlich Lin Baili, Chef des weltweit größten PC-Auftragsfertigers Quanta, sowie Chen Jungsheng, Chef des fünfgrößten PC-Herstellers Acer, in einem Gespräch angedeutet, dass Windows 12 entgegen den bisherigen Erwartungen bereits Mitte 2024 auf den Markt kommen könnte. Die Manager sollen zudem damit rechnen, dass in großer Zahl Computer auf den Markt, deren Hardware besonders ausgerüstet ist, um KI-Funktionen schneller auszuführen.
Auch der Intel-CFO erwartet eine steigende PC-Nachfrage
Zuvor hatte sich bereits Intel-CFO David Zinsner auf einer Konferenz der Investmentbank Citi ähnlich geäußert: In einem Analystengespräch sprach der Finanzchef des Prozessorherstellers Ende September von einem Windows-Refresh: „Wir sind der Meinung, dass 2024 ein ziemlich gutes Jahr für den PC (im Original: „Client“, also Endgerät) sein wird, vor allem wegen der Windows-Aktualisierung“, so Zinsner. „Wir glauben immer noch, dass die Installationsbasis ziemlich alt ist und eine Auffrischung benötigt.“ Im nächsten Jahr könne eine solche Auffrischung beginnen.
Tatsächlich gab es im Zuge der Coronapandemie vom Jahr 2020 an einen regelrechten Boom im PC-Markt, der dann in einen fast dramatischen Absturz des Computerverkaufs mündete. Laut Prognose des US-Marktforschers Canalys soll es 2024 wieder aufwärts gehen: Die Analysten erwarten immerhin ein Wachstum von rund acht Prozent auf 267,3 Millionen PCs im kommenden Jahr – das ist in etwa das Niveau des Jahres 2019.
Schneller schlau: So lernen Maschinen das Denken
Mit Kameras, Mikrofonen und Sensoren erkunden die Maschinen ihre Umwelt. Sie speichern Bilder, Töne, Sprache, Lichtverhältnisse, Wetterbedingungen, erkennen Menschen und hören Anweisungen. Alles Voraussetzungen, um etwa ein Auto autonom zu steuern.
Neuronale Netze, eine Art Nachbau des menschlichen Gehirns, analysieren und bewerten die Informationen. Sie greifen dabei auf einen internen Wissensspeicher zurück, der Milliarden Daten enthält, etwa über Personen, Orte, Produkte, und der immer weiter aufgefüllt wird. Die Software ist darauf trainiert, selbstständig Muster und Zusammenhänge bis hin zu subtilsten Merkmalen zu erkennen und so der Welt um sie herum einen Sinn zuzuordnen. Der Autopilot eines selbstfahrenden Autos würde aus dem Auftauchen lauter gelber Streifen und orangefarbener Hütchen zum Beispiel schließen, dass der Wagen sich einer Baustelle nähert.
Ist das System zu einer abschließenden Bewertung gekommen, leitet es daraus Handlungen, Entscheidungen und Empfehlungen ab – es bremst etwa das Auto ab. Beim sogenannten Deep Learning, der fortschrittlichsten Anwendung künstlicher Intelligenz, fließen die Erfahrungen aus den eigenen Reaktionen zurück ins System. Es lernt zum Beispiel, dass es zu abrupt gebremst hat und wird dies beim nächsten Mal anpassen.
Auch nach Ansicht von Canalys geben neue Technologien einen Schub: „Die Auswirkungen von KI auf die PC-Branche werden tiefgreifend sein“, lässt sich Canalys-Analyst Ben Yeh zitieren. „Führende Akteure bei Computerproduzenten, Prozessorherstellern und Betriebssystemanbietern konzentrieren sich darauf, bis 2024 neue, KI-fähige Modelle zu liefern.“ Knapp ein Fünftel aller Auslieferungen im neuen Jahr sollen laut Yehs Prognose bereits derartige KI-PCs sein (19 Prozent).
Nur ein Jahresupdate – oder mehr?
Microsoft selbst hat sich zu Windows 12 und einem möglichen Veröffentlichungstermin bisher nicht offiziell geäußert. Auch auf Anfrage der WirtschaftsWoche kommentierte die deutsche Niederlassung in München das Thema nicht. Klar scheint, dass der Konzern zumindest an einer größeren Jahreserneuerung seines Betriebssystems arbeitet. Dieses könnte auch – in Anlehnung an frühere Zwischenupdates – eine Art „Windows 11 24H2“ sein, also eine größere Windows-11-Aktualisierung.
Manche amerikanischen Unternehmensbeobachter erwarten hingegen einen neuen Drei-Jahres-Zyklus für Windows, der 2024 beginnt. Dies spricht für ein Windows 12 im Herbst des kommenden Jahres. So oder so ist klar: Auch Windows wird mit immer mehr KI-Funktionen ausgestattet.
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