Mobile World Congress 2024 Sind mobile KI-Assistenten das nächste große Ding?

Telekom-CEO Tim Höttges in Barcelona. Quelle: REUTERS

Die Deutsche Telekom zeigt beim MWC ein Smartphone ohne Apps, die ein KI-gestützter Concierge ersetzt. Ein revolutionäres Konzept, das die Branche radikal umkrempeln könnte.

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Wenn sich die Mobilfunkwelt, wie in diesen Tagen, in Barcelona beim Mobile World Congress zum jährlichen globalen Familientreffen versammelt, geht es auf Messeständen und in Konferenzlounges stets um mehr als nur Millionendeals, Regulierungsnöte oder neue Erlösmodelle für die Branche. Auf den Ständen, in Suiten nahegelegener Messehotels, mitunter auch auf Pressekonferenzen, gewähren viele Aussteller zugleich erste Einblicke in Zukunftstechnologien, von denen sie glauben, dass sie die Branche verändern werden.

Einen der spannendsten und zugleich konfliktträchtigsten Trends adressiert in diesem Jahr die Deutsche Telekom. In der Demo-Arena auf ihrem Messestand in Halle 3 der Fira Barcelona präsentiert der Bonner Kommunikationskonzern seine Vision des Smartphones der Zukunft. Das glänzt nicht etwa durch Features wie eine besonders ausgefeilte Kameratechnik, eine bis dato ungehörte Soundqualität oder andere Hardwarebestleistungen. Im Gegenteil, die Technologievision basiert auf dem T-Phone, einem unspektakulären Android-Mittelklassehandy, das der Konzern als Eigenmarke von einem chinesischen Auftragsfertiger produzieren lässt.

Und auch die Bedienoberfläche des schwarzen Gerätes, das Telekom-Innovationsvorständin Claudia Nemat in der Hand hält, ist ausnehmend unspektakulär gehalten. Viel mehr als ein zentrales Bediensymbol gibt es auf dem in verschiedenen Rosatönen gefärbten Bildschirmhintergrund nicht zu sehen. Es ist quasi der Einschaltknopf fürs Mikrofon. „Suche mir einen Flug nach München“, sagt Nemant, dann macht sich der digitale Concierge an die Arbeit. Im Hintergrund analysiert ein Softwareagent zunächst die Spracheingabe, wandelt sie dann in Text um, analysiert den eigentlichen Auftrag, fragt verschiedene Flug- und Reiseportale ab und liefert schließlich mehrere Reiseoptionen zurück.

Der Telekom-Stand in Barcelona. Quelle: Privat

„Die Antwort kommt passend zu den Terminen, die ich in meinem Kalender bereits hinterlegt habe“, betont Nemat. „Ich müsste nicht mehr mit mehreren Apps oder Browserfenstern jonglieren oder in der Historie früherer Web-Suchen nach älteren Reiseangeboten suchen, die ich mir vielleicht habe merken wollen.“ Noch sei das ein Demonstrator, aber wenn künftig in solchen Systemen auch persönliche Nutzerdaten und Zahlungsdienste hinterlegt wären, reiche die simple Bestätigung eines der Angebote und die KI-Assistent könne auch die Buchung automatisch abwickeln, so die Telekom-Managerin.

Prototyp eines Smartphones ohne Apps

Im Fall des aktuellen KI-Phone-Prototypen dient die Software-Intelligenz als eine Art smarter Übersetzer, der die Recherchen erleichtern und verschiedene Datenquellen zusammenführt, der aber im Grunde „nur“ den Zugriff auf andere Apps oder Web-Dienste komfortabler abwickelt. Und doch hat das Konzept, das die Telekom gemeinsam mit dem Start-up Brain.ai und dem Technologiekonzern Qualcomm entwickelt hat, das Potenzial, die Markt- und Machtverhältnisse der Branche grundlegend umzukrempeln. Und auch die Art und Weise zu revolutionieren, wie Anwender künftig mit ihren Smartphones agieren. Denn was da in Halle 3 für Aufsehen sorgt, ist der Prototyp eines Smartphones ohne Apps. Ein Handy, in dem statt einer Vielzahl einzelner Anwendungen, ein KI-Assistent als universeller Agent alle Informations- und Organisationsaufgaben übernimmt. Steuern lässt sich der virtuelle Butler per Sprache oder Texteingabe.

Noch klingt ein ausgefeilter Service, wie ihn Nemat in Barcelona skizziert, nach Zukunftsmusik. Doch viele Aspekte solch eines Szenarios, das belegt der Demonstrator der Telekom, lassen sich bereits heute in Form von Prototypen realisieren. In einer Art Light-Variante fungieren beispielsweise digitale Assistenten wie Apple Siri oder Amazons Alexa schon heute zumindest als bequeme, sprachgesteuerte Recherchewerkzeuge. Doch dabei wird es nicht bleiben, sagt etwa Mark Rolston voraus. „Mittelfristig werden universelle KI-Concierges auf Smartphones die statischen Apps zunehmend verdrängen“, glaubt der Gründer und Kreativchef von Argodesign, einem renommierten US-Beratungshaus für Produktdesign.

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von Nele Husmann

Das KI-Phone der Telekom ist nicht die einzige Interpretation eines handlichen KI-Assistenten für die Hosentasche. Bereits auf der Elektronikmesse CES in Las Vegas hatte das Start-up Rabbit mit seinem „R1“ genannten KI-Assistenten für Aufsehen gesorgt. Das orangefarbene, etwa handflächengroße Gerät mit einem kleinen Bildschirm nutzt ein KI-Sprachmodell, um Sprachbefehle seiner Nutzer zu verstehen und die entsprechenden Aktionen mithilfe nachgeschalteter Apps und Web-Anwendungen auszuführen.

KI-Phone: Erstmal ein Nischenprodukt?

Auch das Start-up Humane hatte bereits im vergangenen Spätherbst mit dem „AI Pin“ eine Art vernetzten, intelligenten Leuchtstift präsentiert, der einerseits per KI auf Sprachbefehle reagieren soll, andererseits auch per Laser Bedienknöpfe auf Oberflächen, wie eine Handoberfläche projizieren kann. Während Rabbit den „R1“ ab April für knapp 200 Dollar verkaufen will, soll der AI Pin rund 700 Dollar kosten, zuzüglich einer monatlichen Abogebühr. Darüber, ob die Telekom ihr KI-Phone tatsächlich auf den Markt bringen könnte, schweigt sich der Konzern in Barcelona aus. Es sei, vorerst nicht mehr als eine Technologiestudie um die Realisierbarkeit derartiger Lösungen zu demonstrieren, heißt es in Barcelona.

Und wohl auch, um die Resonanz der potenziellen Nutzer auszutesten. Die ist erkennbar groß. Der Demonstrator ist die meiste Zeit des Tages umlagert, das KI-Phone fast ständig im Visiert von Handy-Kameras. Doch trotz der Aufmerksamkeit, denn die Telekom mit ihrem Gerät erzielt: Designexperte Rolston ist überzeugt, dass derartige Gadgets bis auf Weiteres erst einmal Nischenprodukte bleiben: „Es wird Jahre dauern, bis die Anwender in Masse bereit sind, statt aus einzelnen Anwendungen auszuwählen, nur noch mit einer zentralen KI-Instanz zu kommunizieren“, so Rolston, der vor der Gründung von Argodesign jahrelang als rechte Hand des deutschen Industriedesigners Hartmut Esslinger bei dessen Unternehmen Frog Design arbeitete.

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von Nele Husmann

Umso mehr, als noch völlig unklar ist, ob sich die Zehntausende von App-Anbieter widerstandslos ein paar wenigen Anbietern zentraler KI-Assistenten unterordnen. Der seit Jahren tobende Streit zwischen Apple und dem Musikdienst Spotify um den direkten Kundenzugang zu Nutzern von Apple-Geräten, der nun voraussichtlich in einer mittleren dreistelligen Millionenstrafe gegen Apple mündet, ist ein Beleg für die mehr als konfliktträchtige Koexistenz von Plattform- und App-Anbietern.

Ebenso offen ist daher, ob die Wettbewerbshüter ein solches Konstrukt mit nur einem universellen Dienstleister für alle digitalen Aktivitäten im Netz überhaupt tolerieren würden. Gerade erst hat etwa die EU-Kommission mit den Gesetzen für digitale Märkte und Dienste die großen Digitalkonzerne zu mehr Offenheit verpflichtet und den Anwendern mehr Rechte gegen die sogenannten „Gatekeeper“ eingeräumt.

„Ich bezweifele, dass die Regulierer zulassen, dass die KI-Assistenten zu neuen monopolistischen „Torwächtern“ ins Internet werden“, so Rolston. Er glaubt daher, dass die KI-Assistenten künftig weniger universelle Wissensmaschinen sein werden. Vielmehr fungierten sie eher als eine Art sprach- und schriftgesteuerte Assistenten. Die greifen auf vielfältigste im Internet verfügbare und für KI-Abfragen optimierte Dienste zu, sogenannte Kataloge. „So, wie heute Menschen im Browser Webseiten ansteuern und dort selbst Informationen zusammensuchen, könnte das in ein paar Jahren die KI erledigen.“

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Spätestens im kommenden Jahr, wenn sich die Szene wieder in Barcelona trifft, dürfte sich zeigen, ob das Konzept weitere Anhänger gefunden hat.

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