Eine kleine Bühne, bestückt mit drei schmucklosen Stühlen und einem kleinen Beistelltisch. Nichts deutet darauf hin, dass ausgerechnet hier gleich zwei ganz Große der IT-Szene platznehmen: Microsoft-Chef Satya Nadella und Sam Altman, Co-Gründer und CEO der KI-Firma OpenAI, trafen sich am Mittwochnachmittag in Davos, um mit Zanny Minton Beddoes, Chefredakteurin von „The Economist“, über Künstliche Intelligenz zu sprechen.
Gleich zu Beginn gerät Altman etwas ins Straucheln. Auf die Frage der Moderatorin, welche konkreten Neuerungen die Menschen in diesem Jahr erwarten könnten, wollte sich Altman nur bedingt einlassen: „Ein GPT-4.5 oder GPT-5, oder wie auch immer wir das neue Modell nennen werden, wird seine Aufgaben grundsätzlich klüger und schneller erfüllen können.“ Statt auf einzelne neue Funktionen einzugehen, sei es ihm wichtiger, die allgemeine Verbesserung des gesamten Systems hervorzuheben, so Altman weiter.
Google und Facebook könnten OpenAI 2024 unter Druck setzen
Nach den Querelen um seinen kurzzeitigen Rauswurf im November des vergangenen Jahres, ist Sam Altman an die Spitze des KI-Pioniers OpenAI zurückgekehrt. 2024 dürfte für das Unternehmen ein herausforderndes Jahr werden. Die Wettbewerber Google und Facebook haben für die erste Jahreshälfte neue Versionen ihrer eigenen KI-Modelle angekündigt, welche OpenAI und damit auch Minderheitseigentümer Microsoft in diesem Jahr unter Druck setzen könnten. Die Modelle der Konkurrenz sollen Chat-GPT ebenbürtig sein, und könnten das Modell sogar in einigen Punkten überholen. Für OpenAI könnte dies bedeuten, dass die neuen Versionen von ChatGPT schneller als ursprünglich geplant auf den Markt gebracht werden müssen, um nicht von der Konkurrenz abgehängt zu werden.
Auch Satya Nadella will weniger über konkrete Funktionen der KI sprechen als über das Potenzial, mit der die Technologie schon jetzt die Arbeit der Menschen verbessert. Der Microsoft-Chef sieht die Hauptaufgabe seines Konzerns darin, die von OpenAI entwickelten KI-Technologien in die eigenen Produktivitätsdienste wie die Office-Programme einzubauen, um sie so für die große Öffentlichkeit zugänglich zu machen. „Expertise at your fingertips“, nennt Nadella das in Anlehnung an den Microsoft-Gründer Bill Gates – Expertise im Handumdrehen. Diese soll die Arbeit der Menschen schneller und effizienter machen.
Dass Künstliche Intelligenz die Arbeitswelt transformieren wird, ist inzwischen Konsens. Uneinigkeit herrscht weiterhin über die Frage nach dem „Wie?“. Konkrete Antworten darauf konnten oder wollten Altman und Nadella am gestrigen Nachmittag nicht geben. Für beide ist klar, dass KI bereits jetzt Menschen dazu befähige, Aufgaben zu übernehmen, für die sie sonst nicht ausreichend ausgebildet seien. „Trotzdem“, so Altman, „kann KI bislang keine Jobs komplett übernehmen“. Aber die Technologie sei sehr gut darin, einzelne Aufgaben zu erledigen. „Und wenn es die Produktivität der Menschen und damit auch der Unternehmen steigert, sollten die Arbeitnehmer auch mehr Lohnunterstützung erhalten“, so Nadella.
Wen wird KI reich machen?
Mehr Produktivität, mehr Wohlstand. Doch wer verdient am Ende das große Geld mit dieser Entwicklung? Die Entwickler der KI-Modelle? Die Chiphersteller? Wieder weicht Altman den Fragen der „The Economist“-Chefredakteurin aus, und erzählt stattdessen, warum man sich damals bei OpenAI für die Partnerschaft mit Microsoft entschlossen habe, und beantwortet die Frage damit dann indirekt doch noch irgendwie. Denn Microsoft ist bereits jetzt ein großer Profiteur von den Entwicklungen rund um Künstliche Intelligenz.
Erst vergangene Woche hatte Microsoft Apple als wertvollstes Unternehmen der Welt überholt. Zwar war man bereits 2018 und 2021 an dem iPhone-Hersteller vorbeigezogen – allerdings nur kurzzeitig. Diesmal könnte es Microsoft tatsächlich gelingen, den Spitzenplatz länger zu halten. Denn während Apples Aktie zuletzt eher schwächelte, legte die Aktie des Softwarekonzerns im vergangenen Jahr 57 Prozentpunkte zu. In der Dreijahressicht brachte man es sogar auf 77 Prozent.
Schneller schlau: So lernen Maschinen das Denken
Mit Kameras, Mikrofonen und Sensoren erkunden die Maschinen ihre Umwelt. Sie speichern Bilder, Töne, Sprache, Lichtverhältnisse, Wetterbedingungen, erkennen Menschen und hören Anweisungen. Alles Voraussetzungen, um etwa ein Auto autonom zu steuern.
Neuronale Netze, eine Art Nachbau des menschlichen Gehirns, analysieren und bewerten die Informationen. Sie greifen dabei auf einen internen Wissensspeicher zurück, der Milliarden Daten enthält, etwa über Personen, Orte, Produkte, und der immer weiter aufgefüllt wird. Die Software ist darauf trainiert, selbstständig Muster und Zusammenhänge bis hin zu subtilsten Merkmalen zu erkennen und so der Welt um sie herum einen Sinn zuzuordnen. Der Autopilot eines selbstfahrenden Autos würde aus dem Auftauchen lauter gelber Streifen und orangefarbener Hütchen zum Beispiel schließen, dass der Wagen sich einer Baustelle nähert.
Ist das System zu einer abschließenden Bewertung gekommen, leitet es daraus Handlungen, Entscheidungen und Empfehlungen ab – es bremst etwa das Auto ab. Beim sogenannten Deep Learning, der fortschrittlichsten Anwendung künstlicher Intelligenz, fließen die Erfahrungen aus den eigenen Reaktionen zurück ins System. Es lernt zum Beispiel, dass es zu abrupt gebremst hat und wird dies beim nächsten Mal anpassen.
Und auch OpenAI könnte künftig finanziell noch stärker von seinen Entwicklungen profitieren. Vergangene Woche startete das Unternehmen mit dem GPT-Store ein weiteres Großprojekt. Die Plattform soll es GPT-Nutzern ermöglichen, individualisierte Versionen des Modells zu erwerben oder diese selbst anzubieten. Zum Launch des Stores ließ OpenAI verlauten, dass bereits drei Millionen benutzerdefinierte GPTs erstellt worden seien. Premium-Nutzer konnten seit November eigene Abwandlungen der KI mit Hilfe des eigens entwickelten GPT-Builders erstellen. Der Store könnte künftig eine große Einnahmequelle für das Unternehmen werden. Ähnlich wie Apple mit seinem App-Store könnte OpenAI über Verkaufsprovisionen Einnahmen generieren. Wie genau die angepassten Modelle im Store sortiert werden sollen, und zu welchen Konditionen die Nutzer diese künftig über den Store verkaufen können, ließ das Unternehmen bislang offen. Ein entsprechendes Monetarisierungsprogramm will das Unternehmen zunächst in den USA starten.
Balance zwischen Fortschritt und Sicherheit: Warum Überregulation ein Fehler wäre
Dann geht es auf der kleinen Bühne in Davos noch um die Sicherheit der Menschheit. Branchenexperten erwarten für 2024 erste Vorstöße, welche den Umgang und die Nutzung mit Künstlicher Intelligenz eingrenzen sollen. Diese Beschlüsse könnten am Ende auch die Geschäfte von Microsoft und OpenAI maßgeblich beeinflussen. Für Altman ist Sicherheit wichtig, doch er warnt in Davos vor zu starken Regulierungen, da sie die Entwicklung der Technologie hemmen könnten. Für ihn sei Sicherheit immer eine Verhandlung zwischen verschiedenen Interessensgruppen. Wie beim Fliegen, das allgemein als sicher gelte, könne nicht ausgeschlossen werden, dass es auch mal Unfälle gibt, so Altman. Vielmehr ginge es darum darüber nachzudenken, wie Sicherheitsstandards aussehen könnten, ohne die Technologie zu früh und zu schnell einzuschränken. Grundsätzlich sei es aber wichtig, die Vorteile der Technologie zu betrachten und sorgsam abzuwägen.
Große Fragen, die eine größere Bühne verdient gehabt hätten. Doch schon nach einer halben Stunde beendete Moderatorin Zanny Minton Beddoes die Runde auf der kleinen Bühne in Davos.
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