Wenn ich mich dazu hinreißen ließe zu behaupten: „Siri ist eine dumme Sau“, dann könnte ich das ohne Hemmungen tun, denn Siri ist ja kein echter Mensch. Da greift kein Strafrechtsparagraf. Das Bittere ist allerdings: Ich denke tatsächlich manchmal über Siri vergleichbar Abfälliges.
Weil eine KI, die nichts taugt und dabei mit fester Stimme auftritt wie ein echter Mensch, natürlich den Drang bei einem wirklich echten Menschen auslöst, diese Versager-KI vom hohen Ross zu reißen. Und wenn es nur in Gedanken ist.
Siri kann eigentlich fast nichts. Ich nutze Apples Assistentin nur noch als Eieruhr. Nur in schwachen Momenten überkommt es mich und ich spreche sie doch wieder an. Ich hebe mein Handgelenk und sage zu meiner Apple Watch: „Hey Siri“ (Bei der Uhr muss man noch hey dazu sagen, beim iPhone reicht Siri, das muss man sich jetzt auch noch merken).
Ich sage also: „Hey Siri“ und das kunterbunte, in sich verknäulte Kreisegeblubber zeigt sich. Siri meldet sich mit einem irrtierten „Hmm?“, als sei sie/er/es ein Kumpel, den ich aus den eigenen Gedanken gerissen habe.
Ich frage: „Wie warm ist derzeit das Mittelmeer vor Palma de Mallorca?“ Und wie aus der Pistole geschossen antwortet Siri: „Im Moment sind es 24 Grad in Palma de Mallorca.“ Ich wiederhole die Frage wortwörtlich.
Die neue Antwort: „Aktuell sind es 24 Grad in Palma de Mallorca.“ Die einzige Kunst dieser künstlichen Intelligenz ist es also, „im Moment“ durch das Synonym „aktuell“ zu ersetzen, um es mir nicht langweilig werden zu lassen. Die erwünschte Information ist allerdings falsch. Ich sage: „Hey Siri, du hast mir gerade die Lufttemperatur genannt, ich wollte aber die Wassertemperatur.“ Antwort: „Hmm, diese Funktion wird leider nicht unterstützt.“
Denn das ist eben der Nachteil einer künstlichen Assistenz. Sie tritt auf wie ein Mensch; scheitert sie, ärgert man sich wie über einen inkompetenten Kollegen. Man denkt nicht: Das Gerät funktioniert nicht. Sondern: Siri ist doof. Die Alte nervt.
Schneller schlau: So lernen Maschinen das Denken
Mit Kameras, Mikrofonen und Sensoren erkunden die Maschinen ihre Umwelt. Sie speichern Bilder, Töne, Sprache, Lichtverhältnisse, Wetterbedingungen, erkennen Menschen und hören Anweisungen. Alles Voraussetzungen, um etwa ein Auto autonom zu steuern.
Neuronale Netze, eine Art Nachbau des menschlichen Gehirns, analysieren und bewerten die Informationen. Sie greifen dabei auf einen internen Wissensspeicher zurück, der Milliarden Daten enthält, etwa über Personen, Orte, Produkte, und der immer weiter aufgefüllt wird. Die Software ist darauf trainiert, selbstständig Muster und Zusammenhänge bis hin zu subtilsten Merkmalen zu erkennen und so der Welt um sie herum einen Sinn zuzuordnen. Der Autopilot eines selbstfahrenden Autos würde aus dem Auftauchen lauter gelber Streifen und orangefarbener Hütchen zum Beispiel schließen, dass der Wagen sich einer Baustelle nähert.
Ist das System zu einer abschließenden Bewertung gekommen, leitet es daraus Handlungen, Entscheidungen und Empfehlungen ab – es bremst etwa das Auto ab. Beim sogenannten Deep Learning, der fortschrittlichsten Anwendung künstlicher Intelligenz, fließen die Erfahrungen aus den eigenen Reaktionen zurück ins System. Es lernt zum Beispiel, dass es zu abrupt gebremst hat und wird dies beim nächsten Mal anpassen.
Dabei wird bereits spekuliert: Die KI-basierten persönlichen Assistenten könnten mittelfristig die App-Logik auf unseren Telefonen ablösen. Wir müssen uns nicht mehr merken, über welche App wir welchen Service abrufen können. Die neuen Smartphones organisieren das dann hinter dem Touchscreen unbemerkt selber. Ob Apple diese Siri dann für einen Neustart einschläfert?
Aber Siri ist ja nicht alles. Das iPhone zeigt auch ganz ohne diese Null-Assistenz, wie wenig es von einer respektvollen Zusammenarbeit mit Ihnen hält.
iPhone: Siri macht Probleme
Ich zum Beispiel heiße Marcus Werner. Mir ist wichtig, das zu betonen, denn obwohl mich mein aktuelles iPhone und seine Vorfahren seit zusammen zwölf Jahren kennen, nennt mich mein iPhone durchgängig Markus Werner.
Diktiere ich zum Beispiel E-Mails und setze am Ende meinen Namen, dann musste ich es lange, lange Zeit jedes Mal wieder händisch korrigieren. Bitten wie: „Hey Siri, setze künftig meinen Namen in korrekter Schreibweise unter E-Mails“ sind selbstverständlich völlig aussichtslos. (Ich habe es gerade extra noch einmal getestet. Ich bekomme dann eine Liste von zwanzig E-Mails angezeigt, deren Gemeinsamkeit sich mir nicht erschließt).
Obwohl mein Telefon also genau weiß, wie ich heiße, weil mein Name in meinem Account verewigt ist, weil ich selber als Kontakt in meiner Liste stehe und dieser Kontakt mit „Ich“ gekennzeichnet ist, kapiert ein Apple-Produkt nicht: Wenn der Inhaber des Accounts eine Email mit seinem Namen unterschreibt, kann es nicht gewünscht sein, dass die Schreibweise vom Original abweicht.
Statt künstlicher Intelligenz musste ich ein wenig meiner bescheidenen eigenen Intelligenz ins Spiel bringen: Ich habe den Bereich der Kurzschreibweisen manipuliert. Dort, wo Sie eingeben können: Wenn ich „mfg“ schreibe, bitte sofort automatisch in „Mit freundlichen Grüßen“ umwandeln usw. Dort gilt jetzt: Wenn ich „Markus“ schreibe, bitte in „Marcus“ umwandeln. So zwinge ich mein iPhone, die eigenen Fehler zu verbessern.
Aber wie schaffen wir es im deutschsprachigen Raum, den Apple-Verantwortlichen in Cupertino zu erklären: Nach der Anrede in der E-Mail wie „Hallo Sabine Meyer“, Komma, neue Zeile, neue Zeile, GEHT ES KLEIN WEITER!!! Apple will es unbedingt falsch:
Hallo Sabine Meyer,
Wie geht es Ihnen?
Ja, Leute, wenn Frau Meyer das liest: schlecht. Selbst ein amerikanischer Kollege, der sogar Computerprogrammiercode schreiben kann, fragte mich einst: „Weißt du, wie das weg geht?“ Ich musste passen. Dieses Feingefühl für nationale Gepflogenheiten ist technisch wohl erst dann an den Tag legbar, wenn die Server auf der anderen Seite des Atlantiks Quantencomputer sind.
Siri sagt „hmm?“ und hat dann keinen blassen Schimmer, mein iPhone kann sich seit über einem Jahrzehnt meinen Namen nicht merken und will mich meine Freunde und Kollegen nicht begrüßen lassen, wie ich es will: nämlich korrekt.
Ist das die Chance für uns deutsche Nachzügler, mit einem eigenen Smartphone an Apple vorbeizuziehen? Zum Beispiel mit einem Telefon der Deutschen Telekom. Die haben ja Großes vor. Eben mit einem Telefon ohne App-Struktur.
Siri hat mich mürbe und genügsam gemacht. Ich hätte nichts gegen eine Eieruhr, die weiß, wie ich heiße.
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