Raumfahrt Darum scheitern so viele Mondlandungen

Aus der Traum von der Mondlandung: Peregrine soll stattdessen in der Erdatmosphäre verglühen. Quelle: PR

Eine Mondmission des US-Start-ups Astrobotic ist misslungen – wie schon mehrere andere in jüngster Zeit. Warum der kommerzielle Aufbruch zum Mond so schwierig ist.

  • Teilen per:
  • Teilen per:

Als die Vulcan-Rakete am 8. Januar vom Weltraumbahnhof in Cape Canaveral ins All startet, ist John Thornton noch zuversichtlich, dass seiner Raumsonde eine historische Mission gelingen kann. Peregrine, so ihr Name, hat es sicher ins All geschafft – und ist auf dem Weg, die erste kommerzielle Mondlandung der Geschichte zu meistern. An Bord: wissenschaftliches Gerät aus sieben Ländern. „Sechs der Nationen waren zuvor noch nie auf dem Mond“, berichtet Thornton.

Wenige Tage später hat der Chef des US-Raumfahrt-Start-ups Astrobotic schlechte Nachrichten: „Leider haben wir ein Treibstoff-Leck“, lässt Thornton vergangene Woche mitteilen. Das Lagekontrollsystem der Mondsonde werde dadurch nach wenigen Tagen ausfallen. Am Donnerstag hat Peregrine zwar schon 94 Prozent des Weges zum Mond zurückgelegt. Doch eine Landung erscheint aufgrund der bald ausfallenden Steuerung als kaum noch machbar. Stand Montag rechnet Astrobotic damit, dass die Mondfähre in der Erdatmosphäre verglühen wird. Ein kontrollierter Absturz als Missionsende.

Es ist der jüngste in einer ganzen Reihe von Rückschlägen, die Mondmissionen zuletzt erleiden mussten: Im August zerschellte die russische Sonde Luna-25 auf der Mondoberfläche. Im Mai scheiterte der Nasa-Satellit Lunar Flashlight beim Versuch, den Mondorbit zu erreichen. Im Dezember 2022 verlor der japanische Lander Hakuto-R kurz vor der Landung den Kontakt zur Bodenstation und legte eine „harte Landung“ hin – Raumfahrtsprech für einen fatalen Aufprall.

Dabei sind für die nächsten Jahre mehr Missionen zum Mond geplant denn je. Zahlreiche kommerzielle Lander, Satelliten, Rover sollen den Erdtrabanten erkunden – und Vorbereitungen für eine Besiedlung des Mondes treffen. Angetrieben wird das neue Geschäft vom Artemis-Programm der Nasa, die mit Raumfahrern den Mond erkunden will, Rohstoffe wie Wasser vor Ort schürfen und langfristig eine dauerhafte Mondstation errichten möchte. Doch mehr als 50 Jahre nach dem erfolgreichen Apollo-Programm scheitern die Mondlandungen aktuell reihenweise. Wie kann das sein?

Mal streikt die Software, mal platzt eine Leitung

Im Fall von Peregrine, dem Lander von Astrobotic, war offenbar ein technischer Fehler des Antriebssystems schuld, dort ist ein Treibstoffleck entstanden. Wenn ein Auto Benzin verliert, ist der Schaden zumeist leicht repariert, oft muss nur eine Leitung oder ein Verbindungsstück ausgetauscht werden. Im All dagegen bedeutet ein Treibstoffleck schnell das Ende der gesamten Reise.

Bei der japanischen Fähre Hakuto dagegen war ein Messfehler der Grund für die Crashlandung. „Der Lander hat die Distanz zur Mondoberfläche falsch gemessen“, sagt Nico Dettmann, Leiter für Mondexploration bei der Europäischen Weltraumorganisation Esa. „Dadurch hat das System die Triebwerke zu früh ausgeschaltet.“ Bei Luna-25 wiederum gab es einen Software-Fehler: „Ein bestimmtes Messgerät wurde nicht in die Software integriert“, sagt Dettmann. „Die Motoren haben zu später gebremst und die Sonde hat eine ganz andere Trajektorie genommen als geplant.“

Eine Reise zum Mond, die ersten Raketen aus Deutschland, Aufbruch zum Jupiter: Für die Raumfahrt beginnt ein spektakuläres Jahr.
von Andreas Menn

So verschieden die Fehler sind, gemeinsam ist ihnen eines: „Die kommerziellen Lander sind relativ preiswerte Sonden“, sagt Dettmann. „Sie sind viel kleiner als etwa die Apollo-Landefähre, haben weniger Redundanzen und mitunter keine automatische Fehlererkennung eingebaut.“ Auch würden vor dem Start deutlich weniger Tests unternommen als etwa bei Missionen der großen staatlichen Raumfahrtagenturen. Das alles hilft, Kosten zu sparen – erhöht aber das Risiko eines Ausfalls.

Die Herausforderungen einer Mondlandung sind gewaltig. Anders als bei der Erde fehlt eine Atmosphäre, die die viele tausend Kilometer pro Stunde fliegenden Sonden abbremsen könnte. Triebwerke müssen diesen Job übernehmen – und da können häufig Störungen auftreten.

Auch lässt sich der Ort der Landung nur eingrenzen, kann aber über Kilometer vom Plan abweichen. Zwar gibt es Karten von Mond, doch welche Krater, Klippen oder Felsbrocken am genauen Landepunkt auf die Sonden warten, stellt sich erst ganz zum Schluss heraus. Weil die Funkverbindung zur Erde mehrere Sekunden dauert, kann kein Mensch die Landefähren steuern, sondern die Geräte müssen das Manöver autonom durchführen.

„Die meisten Lander beginnen auf 100 Kilometern Höhe mit Landetrajektorie“, erzählt Dettmann. „Bei ungefähr drei Kilometern beginnen sie, die Oberfläche des Mondes mit Lidar-Sensoren zu scannen und das Terrain abzutasten.“ Sie berechnen ihren Landeanflug dann selbst, eine Software versucht, gefährliche Landepunkte zu umgehen – „hazard detection and avoidance“ nennen die Experten das.



Wenn nötig korrigieren die Lander ihre Flugbahn mit ihren Schubdüsen. Kurz vor dem Kontakt mit dem Mondboden wirbeln die Triebwerke auch noch den Mondsand, Regolith genannt, auf und blockieren den Kameras mitunter die Sicht. Das ganze Landemanöver lässt sich erst unter realen Bedingungen testen, wenn die Vehikel tatsächlich im All sind – entsprechend wenige Daten und Erfahrungswerte gibt es.

Hinzu kommt: Während die Apollo-Fähren am Äquator des Mondes landete, wo große Ebenen das Terrain bestimmen, steuern die aktuellen Missionen meist den Südpol an. „Wir wissen, dass es da Wasser gibt“, sagt Dettmann. Das können Astronauten gebrauchen, um Trinkwasser oder  Raketentreibstoffe herzustellen. Zudem ist der Mondsand in dunklen Kratern am Pol seit Milliarden Jahren unberührt – er gibt also Aufschluss über die Geschichte des Sonnensystems, wie es Gesteinsproben der Apollo-Missionen bisher nicht leisten konnten. Der Nachteil der neuen Landeregion: Der Südpol ist stark zerklüftet, eine Landung deutlich schwieriger.

Noch einige Mondlandungen dieses Jahr geplant

Deshalb wird die Mondlandefähre Argonaut, an der die Esa seit drei Jahren arbeitet, mit zahlreichen Redundanzen ausgestattet sein, soll heißen: Unerlässliche Bauteile wie etwa die Triebwerke sind doppelt oder dreifach vorhanden. „Die Wahrscheinlichkeit einer gelungenen Landung soll bei 97 Prozent liegen“, sagt Dettmann. 

Argonaut soll zehn bis elf Tonnen Startgewicht haben und 1,5 bis zwei Tonnen Nutzlast auf die Erde bringen können. Dieses Jahr will die Raumfahrtbehörde entscheiden, welches Unternehmen den Auftrag für den Bau der Raumfähre erhält. Der erste Start ist für das Jahr 2031 geplant – dann soll Argonaut das Artemis-Programm mit Transportflügen unterstützen.

Bis zur nächsten erfolgreichen Landung sollte es schneller gehen, schließlich wollen Raumfahrtunternehmen dieses Jahr noch einige Versuche unternehmen. Im Februar soll der Lander Nova-C des US-Start-ups Intuitive Machines zum Mond reisen, im Herbst das Modell Blue Ghost des US-Unternehmens Firefly Aerospace.

Goldhandel Bekommt das Finanzamt vom Goldverkauf etwas mit?

Können Privatanleger ihr Gold auch steuerfrei verkaufen, wenn es keinen Nachweis zum Kauf gibt? Würde das Finanzamt überhaupt etwas mitbekommen? Das rät ein Experte.

Klage gegen Erwin Müller Ein Drogerie-Milliardär, seine Jagdfreunde und der große Streit ums Millionen-Erbe

Vor fast zehn Jahren hat der Ulmer Unternehmer Erwin Müller drei Jagdfreunde adoptiert. Sie hatten ursprünglich auf ihren Pflichtteil beim Erbe verzichtet – jetzt ziehen sie dagegen vor Gericht. 

Jobwechsel Wenn das hohe Gehalt zum Fluch wird

In seinem aktuellen Job verdient unser Leser zwar gut, ist aber unglücklich. Vergleichbare Stellen sind deutlich schlechter bezahlt. Wie kann er dieser Zwickmühle entkommen?

 Weitere Plus-Artikel lesen Sie hier

Die chinesische Raumfahrtagentur wiederum will im Mai mit der Mission Chang’e 6 Bodenproben auf der Rückseite des Mondes nehmen und zur Erde zurückbringen. Der japanische Lander Slim unterdessen kreist aktuell schon um den Erdtrabanten – und soll am 19. Januar dort landen. Ende des Jahres will auch Astrobotic-Gründer Thornton noch einen Versuch wagen: Dann soll eine zweite Mondfähre aufbrechen mit einem Rover namens Viper der Nasa an Bord. 


© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%