VanMoof-Pleite Wenn smarte Räder zu dummen Drahteseln verkümmern

Abwärts: Nach der Insolvenz des E-Bike-Herstellers VanMoof ist offen, welche Funktionen der vernetzten Räder sich in Zukunft noch nutzen lassen. Quelle: imago images

Viele Fans vernetzter Gadgets vergessen: Was sie als Kauf einer Ware verstehen, ist in Wirklichkeit nicht mehr als die teure Leihe cooler Funktionen. Die Erkenntnis droht nun auch den Besitzern der VanMoof-E-Bikes.

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Die Insolvenz des für seine vernetzten E-Bikes bekannten Fahrradherstellers VanMoof rückt ein gern verdrängtes Manko moderner vernetzter Produkte ins Rampenlicht: Dass die angesagteste Technik schlagartig zu einem Klumpen Blech, Gummi oder Plastik zu verkümmern droht, wenn dem Hersteller, wie jetzt bei VanMoof, das Geld ausgeht. Oder wenn den Herstellern vernetzter Technik der Vertrieb oder die technische Unterstützung der Tech-Gadgets zu lästig wird und sie die für die Steuerung per App und Cloud-Dienst erforderlichen Server abschalten.

Im Fall der hippen Stadträder von VanMoof sind es Funktionen, wie die Koppelung der Cyberdrahtesel mit der Handy-App, die das Schloss des Zweirads automatisch entsperrt, sobald sich der Besitzer nähert. Zudem lassen sich über die App und die Cloud-Dienste dahinter die Schaltpunkte der Automatiknabe anpassen und Software-Updates auf das Rad spielen. Zumindest solange der trotz millionenschwerer Investorenrunden insolvente Hersteller die dafür benötigten IT-Systeme in der Cloud noch finanzieren und damit am Leben erhalten kann. 

Notfalls ließe sich das Rad auch entsperren, wenn die Server abgeschaltet sind: Dann muss der Nutzer einen Code über einen Knopf am Lenker eingeben. Aber mit dem zuvor teuer bezahlten Komfort des smarten Bikes hat das nichts mehr zu tun. Theoretisch könnten die Besitzer der Räder den für das Zusammenspiel zwischen App und Rad benötigten Kryptoschlüssel per Software exportieren (hier beschrieben) und das Rad ohne Server in der Cloud nutzen. Doch die dafür nötigen Schritt übersteigen das IT-Know-how durchschnittlicher Smartphone-Nutzer oder E-Bike-Radler.

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von Henryk Hielscher

So droht VanMoof-Käufern derzeit das gleiche Schicksal wie schon so vielen Fans vernetzter Technik zuvor. Die Liste der Opfer abgeschalteter Clouddienste ist so lang, wie die Schar der entnervten Käufer einst angesagter, dann aber vom Hersteller aufgegebener Geräte groß ist.
Google verfährt gerade mit einigen seiner vernetzten Hausgeräte, etwa der Überwachungskamera Dropcam, seines Smart-Home-Ablegers Nest, auf die gleiche Weise, wie einst mit den Smart-Home-Geräten des zuvor übernommenen Herstellers Revolv. So wie Nest damals – nur zwei Jahre nach dem Revolv-Kauf – die für die App-Steuerung von Lampen, Steckdosen oder Türschlössern benötigten Cloud-Dienste abschaltete und die Produkte damit in nutzlosen Elektronikschrott verwandelte, wird etwa die Dropcam ab April kommenden Jahres ihren Dienst verweigern.

Der taiwanische Elektronikproduzent D-Link verfuhr Ende 2022 ähnlich mit mehreren Überwachungskameras, smarten Steckdosen, Sirenen und Bewegungssensoren, die auf die Cloud-Dienste Mydlink Home und Mydlink Baby Monitor angewiesen waren. Nach deren Abschaltung waren die Geräte ebenso weitgehend nutzlos, wie zuvor schon das vom Zubehörhersteller Logitech verkaufte Smart-Home-Gateway Harmony Link, dessen zugehöriger Server der Hersteller im Frühjahr 2018 abschaltete



Der Lampenhersteller Osram zog bei den Servern für seine via Cloud vernetzten Lightify-Leuchten im Sommer 2021 den Stecker. Und dieses Los droht demnächst auch Smart-Home-Produkten des Anbieters Livisi, dessen Geräte 2001 erstmals als „RWE Smarthome“ auf den Markt kamen, später in „Innogy Smarthome“ umgetauft wurden und deren zugehörigen Servern nun zum 1. April 2024 der Saft abgedreht wird.

So manches smarte Feature neuer Technik, das machen all diese Beispiele überdeutlich, kauft man eben nicht wirklich mit dem Erwerb der zugehörigen Hardware. Es ist allenfalls eine Art hochpreisige Leihe, deren Nutzen ausschließlich vom mehr oder minder großen Wohlwollen der Hersteller abhängt, die Technik am Leben und den Käufer bei Laune zu halten.

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Und manchmal – das zeigt der Fall VanMoof – ist es nicht mal eine Frage guten Willens, an dem ein großer Teil des Werts eines eben noch so intelligenten Gefährts hängt. Ist das Geld der Investoren aufgebraucht, bevor das Geschäftmodell trägt, verkümmert auch das smarteste E-Bike zum dummen Drahtesel.

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