JPMorgan Chase Top-Banker warnt vor „Risiken, die alles seit dem Zweiten Weltkrieg in den Schatten stellen“

Banker Jamie Dimon, CEO von JPMorgan Chase, teilt gerne seine Sicht der Dinge mit der Welt. Quelle: REUTERS

Top-Banker Jamie Dimon hat sich in einem über 60 Seiten starken Brief an die JPMorgan-Chase-Aktionäre gewandt. Darin warnt er eindringlich vor Risiken – und beschreibt, was er bei Inflation und Zinssätzen erwartet.

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JPMorgan-Chase-Chef Jamie Dimon hält sich nicht zurück. In einem über 60 Seiten langen Brief erklärt der Top-Banker wie jedes Jahr seinen Aktionären und allen anderen Interessierten seine Sicht auf die Welt. Und die ist dieses Jahr besonders düster.

So schreibt der Mann, den nicht nur die „WirtschaftsWoche“ bereits als „mächtigsten Banker der Welt“ bezeichnet hat, dass die globale Wirtschaft oft widerstandsfähiger gegenüber Katastrophen sei, als man annehme. Dennoch warnt er vor aktuellen Risiken mit potenziell beispiellosen Auswirkungen: „Wenn schreckliche Ereignisse eintreten, neigen wir dazu, deren Effekt auf die Weltwirtschaft zu überschätzen. Die jüngsten Ereignisse könnten jedoch Risiken schaffen, die alles seit dem Zweiten Weltkrieg in den Schatten stellen könnten – wir sollten sie nicht auf die leichte Schulter nehmen.“

Amerikas Führungsrolle sei angegriffen, schreibt der CEO, nur um hinterherzuschieben, wie sehr er an diese Führungsrolle glaubt. Die wirtschaftlichen Herausforderungen, mit denen sich Amerika und seine Verbündeten konfrontiert sähen, darunter Handelsbeziehungen, Investitionen und die Sicherung von Lieferketten, erforderten eine kohärente Strategie, die sowohl nationale Interessen als auch die Stabilität des globalen Systems berücksichtige.

Jamie Dimon betont die Bedeutung der Politik

Zur Unterstützung der Wirtschaftspolitik zieht Dimon Vergleiche zwischen erfolgreichen und gescheiterten Staaten: „Wenn Sie daran zweifeln, wie wichtig öffentliche Politik für die Gesundheit eines Landes ist, müssen Sie nicht weiter schauen als die jüngere Geschichte Griechenlands, Irlands oder Singapurs. Jedes dieser Länder hat von einem tief problematischen Punkt aus effektive Regierungs- und Politikmaßnahmen implementiert, die ihre Menschen hervorragend unterstützt haben, als viele dachten, das sei nicht möglich.“

Dimon schreibt natürlich auch über seine eigene Bank, die dieses Jahr das 20-jährige Jubiläum der Übernahme der Bank One feiert und sich erst 2023 die angeschlagene First Republic Bank einverleibte. Diesen Kauf hätte er von sich aus nicht gemacht, schreibt Dimon. Auf das Resultat blickt er dennoch demonstrativ stolz: „Der Kauf der First Republic hat geholfen, das US-amerikanische Finanzsystem in einer Zeit der Krise zu stabilisieren.“ Bis Mitte des Jahres soll die Integration der Bank abgeschlossen sein.

Angst vor einer anhaltenden Inflation

In seinem Traktat thematisiert Dimon auch seine Bedenken über die Inflation und ihre potenziell langfristigen Triebkräfte. Er bemerkt, dass „viele Schlüsselindikatoren der Wirtschaft heute gut und möglicherweise verbessert sind, einschließlich der Inflation. Aber bei der Betrachtung der Zukunft sollten Bedingungen, die die Zukunft beeinflussen, berücksichtigt werden“. Besondere Sorge bereitet ihm der anhaltende inflationäre Druck, verursacht durch eine Kombination von Faktoren wie etwa anhaltende fiskalische Ausgaben, die Remilitarisierung der Welt, die Umstrukturierung des globalen Handels, der Kapitalbedarf der neuen grünen Wirtschaft und die möglicherweise zukünftig noch höheren Energiekosten.

Dimon glaub nicht an eine sanfte Landung

Auch der aktuelle Höhenflug vieler Börsen bereitet Dimon Sorgen. So äußert er etwa Bedenken über die aktuell hohen Bewertungen und extrem engen Kreditspreads. Diese, so argumentiert er, „scheinen eine 70- bis 80-prozentige Wahrscheinlichkeit einer sanften Landung einzupreisen – moderates Wachstum zusammen mit sinkender Inflation und Zinssätzen.“ Er sehe das jedoch anders: „Ich glaube, die Chancen dafür sind viel geringer.“ Dimon weist darauf hin, dass die monatlichen Inflationsdaten und geringfügigen Zinsänderungen überbewertet werden, während die langfristigen Zinssätze durch die genannten Faktoren bereits vorgegeben sein könnten.

Zur Vorbereitung auf zukünftige wirtschaftliche Szenarien erklärt er: „Daher sind wir auf eine sehr breite Palette von Zinssätzen vorbereitet, von zwei Prozent bis acht Prozent oder sogar mehr, mit ebenso breit gefächerten wirtschaftlichen Ergebnissen – von starkem wirtschaftlichen Wachstum mit moderater Inflation (in diesem Fall würden höhere Zinssätze aus einer höheren Kapitalnachfrage resultieren) bis zu einer Rezession mit Inflation; das heißt Stagflation.“ Er betont die Wichtigkeit der Vorbereitung, um Kunden unabhängig von zukünftigen Entwicklungen unterstützen zu können.

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Abschließend reflektiert er über die Mini-Bankenkrise von 2023, von der seine Bank ja profitierte, und warnt vor den Risiken höherer Zinssätze und einer Rezession, nicht nur für Banken, sondern für die gesamte Wirtschaft. Der Kauf der First Republic im Mai 2023 nach dem Scheitern zweier anderer regionaler Banken nimmt er als Beispiel dafür, wie schnell sich das Bankenwesen stabilisieren könne, allerdings unter der Bedingung, dass die Zinssätze nicht dramatisch steigen und keine ernsthafte Rezession eintritt. Er erinnert daran, dass „ein einfacher Anstieg der Zinssätze um zwei Prozentpunkte den Wert der meisten Finanzanlagen um 20 Prozent reduziert hat“ und warnt: „Wir müssen berücksichtigen, dass die Zinssätze über einen langen Zeitraum extrem niedrig waren – es ist schwer zu sagen, wie viele Investoren und Unternehmen wirklich auf ein Umfeld mit höheren Zinssätzen vorbereitet sind.“

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