Brüssel als neue Drehscheibe So will Lufthansa das letzte echte Wachstumsfeld auf der Langstrecke erobern

Quelle: dpa

Die Lufthansa-Tochter Brussels Airlines darf endlich ihre Stärke im Verkehr nach Afrika ausspielen. Das soll die versprochene Rendite sichern, auch weil die bisherigen Gewinnbringer an ihre Grenzen kommen.

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Anbieter für die billigen Langstreckenflüge, Hilfsdienst für die Konzernschwestern oder Regio-Linie: Die Deutsche Lufthansa hatte schon viele halbherzige Ideen für ihre Tochter Brussels Airlines. Obwohl Konzernchef Carsten Spohr seit der Komplettübernahme 2016 fast jedes Jahr den Chefposten in Belgien neu besetzte, verdient die Nachfolgerin der Sabena unterm Strich bisher kein Geld. 

Nun gibt es endlich einen Plan mit Substanz: Brussels soll für den Konzern Afrika erschließen. Der Kontinent gilt als das letzte echte Wachstumsfeld auf der Langstrecke. Und neue Geldquellen braucht der Konzern dringend. Nur so schafft er die versprochene operative Umsatzrendite von acht Prozent, auch wenn bisherige Gewinnbringer wie die Swiss an ihre Grenzen kommen. 

Ab Juni darf Brussels den lange eher klein gehaltenen Afrikaverkehr in Brüssel hochfahren und das Drehkreuz im Vorort Zaventem zu einem Umsteigeknoten für den Lufthansakonzern und seine wichtigsten Partner aus Nordamerika ausbauen. Rechtzeitig zum Sommeranfang hat Brussels wieder alle zehn Großraumflugzeuge im Betrieb statt bisher acht. Damit kann die Fluglinie dann 18 Afrikaziele anfliegen – mehr als doppelt so viele wie der Rest der Lufthansa-Gesellschaften zusammen. Um die Verbindungen in der Äquatorregion zu füllen, werden gleichzeitig die Partner United Airlines und Air Canada zusätzliche Verbindungen in die europäische Hauptstadt anbieten. „Das ist ein vielversprechendes Projekt für uns und die Gruppe“, sagt Brussels-Chefin Dorothea von Boxberg.

So rechnen die Partner intern mit mehreren hundert Millionen Euro Mehrumsatz zwischen Brüssel und Nordamerika. Davon profitiert auch die Lufthansa. Denn den Verkehr über dem Nordatlantik betreibt sie mit United und Air Canada in einer Art Gemeinschaftsunternehmen namens Atlantic Joint Venture, bei dem sich die Airlines Kosten und vor allem Gewinne teilen. Und die sind dort deutlich höher als im Rest der Welt. „In den USA bekommen wir vor allem in den Premiumabteilen pro Ticket im Schnitt doppelt so viel wie in Deutschland“, sagt Spohr.

Extrem lukrativer Markt

Der eigentliche Reiz ist jedoch der Ausbau des extrem lukrativen Afrika-Geschäfts. „Wir werden zuerst unser Angebot zu den bestehenden Zielen ausbauen, schauen uns aber bereits neue Ziele an“, verkündet von Boxberg. Denn der Verkehr in die Region wächst stark und die Flugpreise sind im Schnitt noch höher als über dem Atlantik. Das liegt vor allem an den Passagieren, die wenig auf den Preis achten. Da zu zählen lokale Eliten, Manager der reichen Rohstoffkonzerne und Mitarbeiter von Hilfsorganisationen. 

Gleichzeitig gibt es bei den Zielen wenig Konkurrenz. Die Netze der europäischen Billigflieger reichen nur bis Marokko. Und ein Umsteige-Flug mit den günstigeren nahöstlichen Linien wie Turkish Airlines, Emirates aus Dubai oder Qatar Airways dauert vor allem nach Westafrika oft doppelt so lange wie eine Nonstop-Verbindung aus Europa.

Das relativ geringe Angebot liegt auch daran, dass der Markt Afrika als anspruchsvoll gilt. „Wegen des anderen Umgangs mit Korruption, der hohe Kriminalität und der oft unklaren politischen Verhältnisse verlangt das Geschäft dort viel Erfahrung“, so ein europäischer Airlinemanager mit Erfahrung in der Region. „Das ist nichts für Anfänger.“ 

Brussels hat viel Erfahrung, weil ihre Vorgängerlinie Sabena bereits fast 100 Jahre in der Region südlich der Sahara landete. „Unsere Piloten kennen Afrika gut und wir haben tiefe Verbindungen in die Länder, die Regierungen sowie zu den Airports“, sagt von Boxberg. Trotzdem hat sich die Lufthansa hier in der Region zuletzt eher zurückgehalten. Laut einer Übersicht der auf die Branche spezialisierten Schweizer Datenbank CH Aviation brachte Lufthansa im vergangenen Jahr nur gut 700.000 Passagiere auf den Kontinent. Das ist deutlich weniger als Air France (fast 1,4 Millionen) oder die vor allem in Ostafrika aktive Turkish Airlines (fast eine Million). 

Swiss kann nicht mehr wachsen

Der Grund waren einerseits die strengen Renditevorgaben des Konzerns. „Auch wenn Brussels in Afrika Geld scheffelte, durften auch sie erst wachsen und neue Flieger bekommen, wenn die ganze Airline wieder operativ schwarze Zahlen schrieb“, heißt es in Aufsichtsratskreisen. „Und das war erst jetzt der Fall.“

Dazu drängten die Veränderungen im Fluggeschäft. So sinken im wichtigsten Umsatzbringer Asienverkehr schon länger die Gewinne. Die Konkurrenz vom persischen Golf wie Emirates und Qatar sowie künftig neue Linien wie Riyadh Air aus Saudi-Arabien bauen ihre Netze aus und können billigere Flüge anbieten. Dabei helfen ihnen geringere Gehälter oder niedrigere Flughafengebühren. Dazu kommt eine flugfreundliche Regierung, die ihren Airlines zusätzlichen Flugsteuern oder Umweltabgaben erspart, die pro Ticket bis zu gut 100 Euro Unterschied ausmachen können. „Damit wird es nicht unwahrscheinlicher, dass die Hauptmarke Lufthansa je die Zielrendite acht Prozent schafft“, heißt es in Konzernkreisen.

Gleichzeitig droht laut Insidern weiteren Gewinnbringern im Konzern Antriebsschwäche. So kann die bisherige Cashcow Swiss, bei der fast 14 Prozent vom Umsatz als operativer Gewinn blieb, wegen fehlender Slots und Platzproblemen am Flughafen Zürich bald kaum mehr zulegen. Dazu erwarten Konzernkenner, dass die Wettbewerbshüter der EU die Aufgabe von Flugrechten an den Drehkreuzen Frankfurt, Wien oder Zürich fordern, als Gegenleistung für die geplanten Übernehme der Ita Airways aus Rom. Das würde nicht zuletzt den profitablen USA-Verkehr schwächen.

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Zu guter Letzt würde ein Erfolg der neuen Strategie für Brüssel womöglich auch Dorothea von Boxberg selbst in die Hand spielen. Die bereits im Cargo genannten Frachtgeschäft erfolgreiche Managerin gilt als Kandidatin für den Konzernvorstand und vielleicht sogar für die Nachfolge von CEO Carsten Spohr, wenn der spätestens im Jahr 2028 aufhört.

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